Auslandszugriff auf Netflix & Co.: EU-Kommission präsentiert „Vorspeise“ zu Urheberrechtsreformen

Foto: EU-Kommission, EbS
Die EU-Kommission hat dazu heute in Brüssel einen Gesetzentwurf und einen Fahrplan für weitere Schritte offiziell vorgestellt. Die geplanten Schritte entsprechen weitgehend dem, was ein vorab kursierender Entwurf bereits durchblicken ließ (Dokumentvergleich, PDF). Den Auslandszugriff auf digitale Inhalte soll eine erste „Portabilitäts-Verordnung“ regeln. Andere Reformen im Urheberrecht will die Kommission noch bewerten und weitere Schritte ab Frühjahr 2016 angehen, so der Plan.
EU-Kommissar Günther Oettinger bezeichnete den vorgestellten Entwurf auf einer Pressekonferenz als „Vorspeise“, während es im kommenden Jahr „Schlag auf Schlag“ gehen solle und „eine Fülle von Gesetzgebungsvorschlägen“ zu erwarten sei. Zur Begründung für den Aufschub weiterer Vorhaben verwies Oettinger auf die zu erwartenden harten politischen Auseinandersetzungen bei den Reformplänen.
Zugang bei „temporärem“ Aufenthalt im Ausland
Das Geoblocking, also länderspezifische Sperren bei Online-Inhalten, will die Kommission mit dem vorgestellten Entwurf zunächst nur in einer spezifischen Konstellation angehen: So soll der Zugriff auf Inhalte ermöglicht werden, wenn Verbraucher sich „temporär“ in einem anderen EU-Land aufhalten. Die Verordnung zielt auf Onlinedienste für Filme, Musik, E-Books und andere digitale Inhalte, bei denen der Nutzer einen Vertrag geschlossen hat und dafür zahlt. Für kostenlose Dienste soll sie nur dann gelten, wenn der Dienst den Wohnort der Nutzer bestätigt hat.
Ist etwa ein deutscher Zuschauer gerade auf London-Reise, könnte er demnach sein heimisches Netflix-Konto dennoch nutzen. Außen vor bliebe er dagegen, wenn er dauerhaft in London lebt. Unwahrscheinlich ist auch, dass beispielsweise die ARD ihren Livestream bei Sportübertragungen oder dem „Tatort“ für Zuschauer auf EU-Reise öffnen müsste. Laut Oettinger ist das noch nicht vorgesehen und soll späteren Schritten vorbehalten sein.
Von der Beschränkung des Zugriffs auf „temporäre“ Nutzung im Ausland erhofft sich die Kommission augenscheinlich, die Auswirkungen des national organisierten Lizenzsystems lindern zu können, ohne dieses selbst anzutasten. Besonders die Filmwirtschaft hatte schon im Vorfeld darauf gepocht, Inhalte weiterhin je nach Land separat zu verwerten. Die Kommission hatte sich dann zuletzt darauf verlegt, nur „ungerechtfertigtes“ Geoblocking angehen zu wollen. Heute demonstrierten Andrus Ansip und Günther Oettinger zwar Einigkeit, zuvor waren jedoch auch zwischen den beiden Digitalkommissaren Meinungsverschiedenheiten auszumachen.
Weitere Ankündigungen überwiegend unkonkret
Weiterhin hat die EU-Kommission einen Gesetzentwurf angekündigt, der Ausnahmeregelungen im Urheberrecht zugunsten von Blinden und Sehbehinderten einführen soll. Damit würde die Kommission ihre Verpflichtungen aus dem internationalen Blindenvertrag umsetzen, den die Staaten in der Welturheberrechtsorganisation WIPO bereits 2013 beschlossen hatten. Wie erwartet, will die EU-Kommission darüber hinaus Urheberrechts-Ausnahmen im Bildungsbereich und für das Text- und Data Mining angehen.
Auch die Richtlinie zur Rechtsdurchsetzung IPRED will sie möglicherweise überarbeiten, Oettinger führte „Piraterie“ heute an prominenter Stelle an. Dazu will sich die Kommission jedoch erst bis Ende 2016 wirklich festlegen. Weiterhin unklar bleibt zudem, ob die Kommission ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage auf EU-Ebene einzuführen gedenkt, wie es Deutschland und Spanien formell eingeführt hatten. Im Fahrplan heißt es nun, der Handlungsbedarf bei News-Aggregatoren solle erwogen werden. Auf Nachfrage verwies Oettinger nur darauf, die Frage werde im Frühjahr 2016 beantwortet.
Als weiteren Schritt im Rahmen der Strategie zum „Digitalen Binnenmarkt“ kündigte die EU-Justiz- und Verbraucherkommissarin Věra Jourová heute auch neue Regelungen für den Online-Vertragsschluss an. Mit ihnen sollen EU-weite Vorgaben zu Gewährleistungs- und Kündigungsrechten bei Online-Shops für digitale Inhalte sowie im Versandhandel übers Netz geschaffen werden.
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