Wie eine Verwertungsgesellschaft funktioniert
Die GEMA ist nicht nur eine politische Interessensvertretung der Musikindustrie. Sie sorgt auch dafür, dass Urheber*innen sich nicht individuell um die Wahrnehmung ihrer Rechte kümmern brauchen. Durch den Zusammenschluss von Komponist*innen, Textdichter*innen und Verlagen nimmt die Verwertungsgesellschaft im Kollektiv die Rechte ihrer Mitglieder wahr.
Der bürokratische Apparat der GEMA sucht hierzulande seines Gleichen, sie gilt als wichtigste und größte Verwertungsgesellschaft in Deutschland. Entsprechend umfangreich und kompliziert wirkt das Regel- und Tarifgeflecht für Betroffene. Die Arbeit von Verwertungsgesellschaften bleibt für viele ein Buch mit sieben Siegeln.
Dieser Text erklärt (vor allem am Beispiel der GEMA) das grundsätzliche Prinzip, nach dem Verwertungsgesellschaften in Deutschland arbeiten. Außerdem erläutert er, woraus sich die Einnahmen von Verwertungsgesellschaften zusammensetzen. Der Text macht damit den Auftakt zu einer kleinen Reihe bei iRights.info, die sich schwerpunktmäßig mit Verwertungsgesellschaften befasst.
Das Prinzip einer Verwertungsgesellschaft
Verwertungsgesellschaften sind Organisationen, die die Urheberrechte ihrer Mitglieder kollektiv wahrnehmen und vertreten. Das heißt vor allem: Sie erfassen Werknutzungen, sammeln Vergütungen dafür ein und zahlen sie an die Mitglieder aus. Dafür legen Verwertungsgesellschaften verschiedene Tarife fest, handeln Vergütungen aus und setzen Forderungen um – im Namen ihrer Mitglieder.
Was das in der Umsetzung genau bedeutet, illustriert ein Beispiel: Der fiktive Pianist Karl Hofmann komponiert Musik. Seine Werke spielt er selbst am Klavier ein und veröffentlicht diese Aufnahmen, unter anderem bei YouTube. Auch im Radio laufen manche seiner Stücke. Hofmann gibt zudem Konzerte. Andere Künstler*innen führen seine Kompositionen ebenfalls öffentlich auf.
Hofmann ist Mitglied bei der Verwertungsgesellschaft GEMA. Sie kümmert sich darum, dass er für öffentliche Werknutzungen seiner Kompositionen Geld bekommt. Wieviel genau sich bei einem Konzert verdienen lässt, kann von verschiedenen Faktoren abhängen: Etwa wie groß der Konzertsaal ist, wieviel Umsatz die Konzertveranstalterin macht und ob bei dem Konzert noch andere Künstler*innen auftreten.
Kollektive Rechtevertretung von Mitgliedern
Entscheidend ist für Hofmann, dass er sich nicht selbst um die Wahrnehmung seiner Urheberrechte kümmert, sondern die Verwertungsgesellschaft GEMA damit beauftragt. Würde Hofmann sich selbst um die Wahrnehmung seiner Urheberrechte kümmern, müsste er mit jeder einzelnen Konzertveranstalterin, jedem Radiosender, mit YouTube oder den Interpret*innen seiner Stücke eigene Vereinbarungen aushandeln.
Würde er alle seine Urheberrechte selbst vertreten, hätte Hofmann großen Einfluss auf die Vertragsgestaltung. Aber: Der Musiker müsste sich auch darum kümmern, dass die werknutzenden Stellen tatsächlich die vereinbarten Summen zahlen und sich auch sonst an die Verträge halten. Er hätte alle Hände voll zu tun und deutlich weniger oder gar keine Zeit für seinen eigentlichen Beruf – das Musizieren und Komponieren.
Entsprechend vorteilhaft ist es für den fiktiven Komponisten, Mitglied der Verwertungsgesellschaft zu sein und sich zusammen mit anderen Musiker*innen kollektiv vertreten zu lassen. Die GEMA arbeitet mit Standardverträgen, beispielsweise für Konzerte, und kümmert sich auch sonst darum, dass Werknutzungen vergütet und abgerechnet werden.
Neben der GEMA, der größten und bekanntesten deutschen Verwertungsgesellschaft, gibt es in Deutschland derzeit ein ganzes Dutzend weiterer Verwertungsgesellschaften. Diese sind nicht nur im Musikbereich aktiv, sondern auch in der Filmindustrie und dem Fernsehen, dem Text- und Buchgeschäft sowie in der bildenden beziehungsweise visuellen Kunst.
Mitgliederstruktur: Von Einzelpersonen bis Unternehmen
In der Organisation einer Verwertungsgesellschaft bündeln sich die Interessen derjenigen Urheber*innen, die ihre Werke kommerziell verwerten lassen möchten. Im Beispiel der GEMA sind das drei Gruppen: Komponist*innen, Textdichter*innen und Verlage. Das zeigt: Die GEMA vertritt nicht nur Einzelpersonen, sondern mit den Verlagen auch Unternehmen, die eigene Interessen haben (können). Auch andere Verwertungsgesellschaften haben nicht nur Einzelpersonen als Mitglieder, sondern ebenfalls Verlage oder Verwertungsfirmen.
Verwertungsgesellschaften sind nicht darauf ausgerichtet, Gewinne zu erzielen. Was sie einnehmen, schütten sie – nach Abzug von Verwaltungs- und anderer Kosten – an die Urheber*innen aus. Über die Modalitäten der Ausschüttungen streiten sich die Mitglieder der Verwertungsgesellschaften oftmals, denn jede Gruppe möchte natürlich so viel wie möglich vom Kuchen haben.
So harmonisch und bequem die Vorstellung einer kollektiven Rechtewahrnehmung für den Komponisten Karl Hofmann zunächst klingen mag – die Praxis funktioniert nicht immer ohne Schwierigkeiten und Konflikte, denn die beteiligten Gruppen verfolgen nicht unbedingt die gleichen Ziele.
In einer Verwertungsgesellschaft wie der GEMA müssen intern viele Entscheidungen getroffen werden. Zum Beispiel, wie die Verteilungspläne für die Geldströme festzulegen sind. Oder auch, wenn eine neue vergütungsrelevante Nutzungsart für Musik entsteht und in der Breite genutzt wird, etwa beim Podcast: Die GEMA muss festlegen, wieviel Geld es kostet, wenn Nutzer*innen GEMA-pflichtige Musik in Podcasts nutzen wollen, wie diese Nutzungen gemeldet werden müssen und wie das eingenommene Geld unter den GEMA-Mitgliedern verteilt wird.
Viele Verwertungsgesellschaften organisieren sich über regelmäßig stattfindende Mitgliederversammlungen (beispielsweise einmal im Jahr). Im Zuge der Coronapandemie finden solche Mitgliederversammlungen nicht nur gemeinsam vor Ort, sondern teils auch online per Videokonferenz statt.
Woher Verwertungsgesellschaften Geld einnehmen
Ihre Einnahmen beziehen Verwertungsgesellschaften aus verschiedenen Quellen. Diese lassen sich grob in zwei Bereiche unterteilen: Pauschalabgaben und öffentliche Wiedergaben.
Pauschalabgaben
Die Pauschalabgabe fällt auf sämtliche technische Geräte und Medien an, die zum Speichern oder Anfertigen von Vervielfältigungen benutzt werden können. Zum Beispiel: Kopiergeräte, Drucker, USB-Sticks, Festplatten, Leermedien wie CD- und DVD-Rohlinge, Fernseher mit Speicherfunktion, Laptops und PCs, Smartphones und mittlerweile auch Smartwatches.
Die Höhe der Abgaben orientiert sich an der Kopier- oder Speicherkapazität der Medien, etwa wie viele Seite pro Minute ein Drucker produzieren oder welche Datenmenge ein USB-Stick speichern kann. Wenn sich eine Verbraucherin also einen Drucker oder ein Smartphone kauft, zahlt sie die Pauschale indirekt mit – denn diese ist im Kaufpreis des Geräts schon inkludiert.
Die Hersteller solcher Geräte führen die Pauschalabgabe direkt an die ZPÜ, die Zentralstelle für private Überspielungsrechte, ab. Das ist eine Unterorganisation, zu der sich verschiedene deutsche Verwertungsgesellschaften zusammengeschlossen haben. Die ZPÜ sammelt die Pauschalabgaben ein und leitet diese an die jeweiligen Verwertungsgesellschaften weiter.
Hintergrund der Pauschalabgabe ist die Vorstellung, dass Urheber*innen für jede einzelne Nutzung ihres Werks vergütet werden sollen. Da es aber schwierig bis unmöglich ist, jeden einzelnen Vervielfältigungsvorgang (zum Beispiel im Rahmen der Privatkopienutzung) einzeln zu erfassen und zuzuordnen, hat der Gesetzgeber die Pauschalabgabe eingeführt.
Privatkopie
Unter bestimmten Voraussetzungen ist es erlaubt, von urheberrechtlich geschützten Werken Kopien herzustellen, um sie im privaten Rahmen zu nutzen. Zum Beispiel, wenn man man eine Musik-CD für ein anderes Familienmitglied, einen Freund oder eine Freundin kopiert. Häufig hat man dafür an anderer Stelle bereits bezahlt. Die Privatkopie-Regelung ist ein Beispiel für eine Pauschalvergütung. Mehr zum Thema.
Nicht nur die Hersteller von Speichermedien und kopierfähigen Geräten zahlen Pauschalen. Auch Betreiber von Kopiergeräten (wie Bibliotheken oder Copyshops) zahlen jährliche Abgaben, wenn sie Kopiergeräte anbieten, mit denen Nutzer*innen Privatkopien anfertigen. Diese sind an die Verwertungsgesellschaft Wort – kurz: VG Wort – zu zahlen und vertraglich geregelt.
Öffentliche Wiedergaben
Neben den Pauschalgaben sammeln Verwertungsgesellschaften auch Vergütungen ein, die durch öffentliche Wiedergaben entstehen. In der Musik kann das zum Beispiel sein, wenn ein Musikstück im Radio oder auf Youtube abgespielt wird. Aber auch auf weniger auffällige Nutzungen, wie Musikwiedergabe in Telefonwarteschleifen oder als Hintergrundmusik in einer Hotellobby, gehören dazu.
Öffentliche Aufführungen, zum Beispiel ein Konzert bei einem Straßenfest oder die Nutzung eines Musikstücks im Rahmen eines Theaterstücks, zählen in vielen Fällen ebenfalls dazu. Nicht immer ist genau klar, ob es sich schon um eine öffentliche oder noch um eine private Veranstaltung handelt. Wann genau die Wiedergabe eines Musikstücks als „öffentlich“ zählt, das erklärt dieser Artikel bei iRights.info.
Wie sieht die Landschaft der Verwertungsgesellschaften in Deutschland aus?
Dieser Text erläutert das Prinzip einer Verwertungsgesellschaft vor allem am Beispiel der GEMA und damit aus der Perspektive des Musikurheberrechts. Es ist üblich, beispielhaft die GEMA heranzuziehen, denn sie gilt als die älteste und wichtigste Verwertungsgesellschaft in Deutschland.
Es gibt derzeit weitere zwölf Verwertungsgesellschaften in Deutschland, die teils nach dem Vorbild der GEMA gegründet wurden und ähnlich funktionieren – aber nicht nur. Neben der VG Wort, der GVL und der VG Bild-Kunst gibt es weitere Verwertungsgesellschaften (etwa im Filmbereich), die meist nur in der jeweiligen Branche, nicht aber der Öffentlichkeit bekannt sind.
Der zweite Teil dieses Schwerpunkts gibt daher einen Überblick über die Landschaft der Verwertungsgesellschaften in Deutschland.
Im dritten Teil geht es um die Verwertungseinrichtungen (wie beispielsweise die ZPÜ), die den Verwertungsgesellschaften zuarbeiten.
Redaktioneller Hinweis: Ursprünglich war in diesem Text von „Gebühren“ die Rede. Das ist allerdings nicht korrekt; richtig ist, in diesem Kontext von „Vergütungen“ zu sprechen. Nach dem netten Hinweis einer aufmerksamen Leserin wurde der Text entsprechend angepasst.
Was sagen Sie dazu?