GEMA-Gebühren: Wann ist Musikwiedergabe öffentlich?
Immer wieder sorgen Forderungen der GEMA für Aufmerksamkeit. Da soll ein Seniorentreff im norddeutschen Fahrdorf für das wöchentliche Volkslieder-Singen bezahlen oder Kindergärten, die Laternenumzüge veranstalten. Auch bei den Organisatoren einer Kunstaktion, bei der Klaviere an öffentlichen Plätzen in München aufgestellt wurden, meldete sich die Verwertungsgesellschaft.
Verwertungsgesellschaften
Verwertungsgesellschaften verwalten Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche an den Werken von Urheber*innen. Werden die Werke wirtschaftlich genutzt, sammeln sie meist pauschale Abgaben ein, zum Beispiel die „Bibliothekstantieme“ für das Verleihen von Büchern oder die „Leermedienabgabe“ für privates Kopieren. Die Einnahmen schütten sie an Urheber und zum Teil an andere Rechteinhaber aus. Bekannte Einrichtungen sind etwa die GEMA, die VG Bild-Kunst oder die VG Wort. Mehr zum Thema.
In all diesen Fällen geht es um das Singen, Abpielen oder Aufführen von Musik. Für die GEMA ist die entscheidende Frage immer, ob das privat oder öffentlich passiert. Dabei gibt es oft einen gewissen Spielraum.
Doch letztlich bestimmt die GEMA nicht selbst, wann für die Musikwiedergabe bezahlt werden soll. Vergütungspflichtig ist die sogenannte „öffentliche Wiedergabe“, wie sie im Urheberrechtsgesetz definiert wird. In Paragraf 15 Absatz 3 heißt es:
Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.
Aber was ist eine „Mehrzahl von Mitgliedern“ der Öffentlichkeit? Und wann ist man durch „persönliche Beziehungen verbunden“? Was heißt es, dass die Wiedergabe für sie „bestimmt ist“?
Öffentlichkeit im Urheberrecht
Was „Öffentlichkeit“ ist, kann je nach Kontext ganz unterschiedliche Bedeutung haben. Das deutsche Urheberrecht grenzt den Begriff aber so ab: In der Öffentlichkeit sind deren Teilnehmer nicht „durch persönliche Beziehungen verbunden“. Umgekehrt sind also auch persönliche Beziehungen der Teilnehmer der entscheidende Faktor, um im privaten Rahmen zu bleiben.
Wie viele Teilnehmer bei einer Veranstaltung dabei sind, ist nicht unbedingt entscheidend dafür, ob sie auch öffentlich ist. Die Autoren des Urheberrechtskommentars Fromm/Nordemann erläutern es so: „So kann die Wiedergabe vor zwei Personen öffentlich sein (etwa Fahrstuhlmusik), die vor einer aus Hunderten Personen bestehenden Hochzeitsgesellschaft dagegen privat.“ (11. Aufl. 2014, S. 383). Öffentlichkeit wird aber wahrscheinlicher, je mehr Leute da sind.
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Beispiel Hochzeit: Auch hunderte Gäste können privat versammelt sein
Das Hochzeits-Beispiel demonstriert gut, was es bedeutet, dass die Gäste untereinander „persönlich verbunden“ sind. Bei einer türkischen Hochzeit feierten rund 600 Gäste mit Musik. Die GEMA verlangte Gebühren, weil sie die Feier für eine öffentliche Veranstaltung hielt. Nach einem Rechtsstreit entschied das Amtsgericht Bochum jedoch anders.
Die Veranstalter konnten demnach zeigen, dass die Gäste zur einen Hälfte von der Familie der Braut, zur anderen Hälfte von der Familie des Bräutigams eingeladen wurden: Enge und entfernte Verwandte, Freunde, aber auch Nachbarn, wie es bei einer türkischen Hochzeit üblich ist. Zudem habe jeder Gast eine schriftliche Einladung erhalten und sei beim Eintreffen persönlich begrüßt worden. Dass auch der GEMA-Mitarbeiter, der den Charakter der Hochzeit begutachten wollte, sich im Flur vor dem Festsaal aufhalten konnte, mache noch keine öffentliche Veranstaltung aus der Hochzeit.
Hier kommt das Kriterium ins Spiel, ob die Veranstaltung „für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt“ ist. Kommt ein Zaungast zur Gartenparty mit Familie und Freunden und hört die Musik mit, wird sie daher nicht gleich zu einer öffentlichen Veranstaltung.
Beispiel Beachparty: Als „privat“ deklarieren reicht nicht
Anders dagegen entschied ein Gericht bei Musik auf einer Beachparty, zu der 83 Gäste kamen. Auf der Einladungskarte wurde die Party zwar als private Veranstaltung angekündigt, die Einladung sei aber gezielt weit gestreut und als vierte „legendäre Beachparty“ ohne klaren Anlass beworben worden, so das Gericht. Weil nicht alle Gäste untereinander persönlich verbunden gewesen seien, sei die Musikwiedergabe öffentlich. Laut dem Urteil des Landgerichts Oldenburg musste der Veranstalter 234,74 Euro an die GEMA zahlen.
Beispiel Zahnarztpraxis: Überraschungen möglich
Wie komplex die Frage werden kann, wann eine Musikwiedergabe „öffentlich“ ist, zeigt der Streit um die Vergütungspflicht bei Zahnarztpraxen. Der Europäische Gerichtshof entschied im Jahr 2012, dass die Hintergrundmusik im Wartezimmer eines Zahnarztes aus Italien nicht vergütungspflichtig ist. Als ein Düsseldorfer Zahnarzt davon hörte, kündigte er seinen GEMA-Vertrag. Der Bundesgerichtshof gab ihm im Juni 2015 Recht. Bis heute wird diskutiert, wer sich wann genau auf das Urteil berufen kann. Die GEMA hält weiterhin Tarife auch für Arztpraxen bereit.
Wer GEMA-freie Musik spielt, muss es zeigen
Wenn Musik öffentlich erklingt, darf die GEMA davon ausgehen, dass vergütungspflichtige Musik gespielt wird und sie dazu berechtigt ist, Vergütungen einzusammeln. Das besagt die sogenannte GEMA-Vermutung, die auf Gerichtsurteile und zum Teil auf das Urheberrechtsgesetz zurückgeht. Es gibt jedoch auch Musiker, die nicht Mitglied bei der GEMA sind oder nicht sein wollen – zum Beispiel, weil sie Musik unter freien Lizenzen veröffentlichen. Wer solche Musik öffentlich abspielt, muss aufgrund der Vermutung gegenüber der GEMA zeigen, dass nur solche Musik gespielt wird.
Privat bei „Bewusstsein persönlicher Verbundenheit“
Wann eine Veranstaltung im urheberrechtlichen Sinn öffentlich ist, hat in vielen weiteren Fällen Gerichte beschäftigt, die hier nicht alle aufgezählt werden können. So hat der Bundesgerichtshof zum Beispiel die Betriebsfeier einer Aktiengesellschaft als öffentlich eingestuft. Dagegen entschied er bei einem Zweibettzimmer im Krankenhaus gegen zusätzliche GEMA-Gebühren. Durch die Bedingungen des Aufenthalts entstehe dort eine gemeinsame „Privatheit unter Ausschluß der Öffentlichkeit“.
Die meisten Juristen gehen mit Blick auf die Rechtsprechung davon aus, dass für den privaten Rahmen ein gegenseitiger Kontakt bestehen muss, der „bei den Beteiligten das Bewußtsein hervorruft, persönlich miteinander verbunden zu sein“ (wie es einem weiteren Urteil des Bundesgerichtshofs heißt).
Besser vorher informieren
Zusammengefasst: Gerade bei Veranstaltungen hat man die Grenze zu einer „Öffentlichkeit“ im urheberrechtlichen Sinn mitunter schneller erreicht, als man denken könnte. Bei Streitfällen haben Gerichte oft entschieden, dass die Musikwiedergabe öffentlich – also vergütungspflichtig – ist. Es ist daher ratsam, sich im Vorfeld zu informieren. Erfährt die GEMA im Nachhinein von einer ihrer Ansicht nach vergütungspflichtigen Veranstaltung, kann ein Aufschlag von 100 Prozent fällig werden.
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20 Kommentare
1 Huflaikhan am 10. September, 2015 um 13:47
Sie schreiben am Ende des sehr guten und informativen Textes: “Es ist daher ratsam, sich im Vorfeld zu informieren. Erfährt die GEMA im Nachhinein von einer ihrer Ansicht nach vergütungspflichtigen Veranstaltung, kann ein Aufschlag von 100 Prozent fällig werden.”
Die Frage ist: Bei wem? Im Zweifel bei der GEMA (d.i. dann i.d.R. ein Mitarbeiter der Bezirksdirektion), oder), das ist klar. Mir stellt sich die Frage, ob die in diesem Fall objektiv die Sache beurteilen kann. Siehe Arztpraxen. Wäre es da nicht angemessen, ein Organ zu gründen, das diese Fragen abwägend diskutiert. Es müsste aus Leuten von der GEMA aber auch der Nutzerseite bestehen. Aber vielleicht sind die Fälle ja auch zu selten …
2 Johannes am 10. September, 2015 um 17:53
Mir stellt sich die Frage was reicht um zu “zeigen” dass man GEMA freie Musik spielt? Beispiel Webradio, reicht ein einfacher Hinweis in einem Text in Form von “Wir spielen nur GEMA-freie Musik” oder muss noch ein dickes Banner irgendwo sitzen oder ähnliches.
3 David Pachali am 14. September, 2015 um 14:17
@Johannes: Allgemein geht es immer darum, konkret gegenüber der GEMA zu zeigen, dass man nur GEMA-freie Musik nutzt. Beispielsweise bieten manche Plattformen für freie Musik solche Belege an, die man dann im Zweifel vorzeigen kann.
4 Hans-W. Bracht am 5. November, 2015 um 13:37
Wir drucken 100 Blätter mit bekannten Volksliedern mit Noten für einen eintrittsfreien Singabend. Sind Gebühren abzuführen???
5 Anna Braun am 29. November, 2015 um 21:17
Ich mache ein Adventssingen mit meinem Chor und meinen Gesangsschülern. Ich verlange keinen Eintritt.
Veranstaltungsort ist eine kleine
Kapelle, in der wir auch gemeinsame
Weihnachtslieder singen wollen.
Einige Noten haben wir auch aus den
Büchern kopiert.
Sind Gebühren fällig und wenn in welcher Höhe?
Vielen Dank !
6 Anna Braun am 1. Dezember, 2015 um 22:09
Ich mache ein Adventssingen mit
meinem Chor und meinen Gesangs-
schülern. Wir verlangen keinen Eintritt, wir wollen auch gemeinsame Weihnachtslieder singen.
Werden da Gebühren fällig ?
7 David Pachali am 3. Dezember, 2015 um 13:25
Hallo Herr Bracht und Frau Braun,
wir können bei iRights.info nur allgemeine Informationen über häufige Fragen u.ä. geben. Zu Ihren Fragen muss ich Sie leider darauf verweisen, dass die Redaktion von iRights.info keine Rechtsberatung im Einzelfall anbieten darf.
8 Birgit Heilmaier-Spera am 19. Dezember, 2015 um 08:08
Hallo habe ein Schuhgeschäft und wusste bis gestern nichts über GEMA
Gebühren in Geschäften. Zahle wie jeder GEZ Gebühren und war der Meinung das ist ok.
Jetzt kam der Mensch von der GEMA hab ihm erklärt würde Gebühren bezahlen ( war aber GEZ ) will aber keine GEMA zahlen reicht es wenn ich das Radio abschaffe? oder muss ich mit einer Nachzahlung rechnen oder Strafe ???????
9 Peter Fischbach am 7. Januar, 2016 um 19:51
Hallo, nehme eine Öffentliche Veranstaltung von freien Musikern mit einer Videocamera auf. Will diesen im Offenen Kanal wiedergeben. Muss ich Gema entrichten, wenn der Veranstalter dies schon getan hat?
10 Gerd am 21. Juli, 2016 um 21:30
Hallo, müssen sich GEMA Mitarbeiter zu erkennen geben, wenn sie kontrollen machen?
11 Uwe am 25. August, 2016 um 17:20
Darf ein Internatradiosender (nicht komerziel aber bei GEMA und GVL angemeldet) auf öffentlichen Veranstaltungen GEMA-pflichtige Musik abspielen (zB bei einem Sportfest)?
12 Uwe am 25. August, 2016 um 19:27
Es muss natürlich InterNETradiosender heissen, sorry…
13 Walter Bodmer am 7. September, 2016 um 17:54
bei einer öffentlichen Veranstaltung,bei welcher pauschalGema Gebühren (Stadtverwaltung)entrichtet wurden, habe ich von einer Sängerin ein kleines Video gemacht und will es meinen Freunden bei Facebook zeigen, fallen das nochmals für mich Gema gebühren an:?
14 Wilfried Walter am 2. Dezember, 2016 um 13:00
Mit unserem Seniorenchor singen wir zum
Weihnachtsfest in Altenheimen; in der
Kirche,auch mal auf dem Weihnachtsmarkt.
Wenn man die kranken Leute sieht,die sich
über eine Abwechselung sehr freuen,kann man sich nicht vorstellen,dass hier die
GEMA mitkassiert, zumal wir nicht nur unentgeldlich singen ,sondern auch noch
zu den Veranstaltungen fahren.
Selbst wenn unser Chor probt, müßten wir schon an die GEMA zahlen? Dann
brauchen wir kein Vereinsleben mehr!!
15 Vera am 23. Januar, 2017 um 04:58
wenn ich eine tanzveranstaltung für eine spezielle tanzart (western tanz – meistens das gleiche publikum) in einer gaststätte durchführen will, muss ich dann gema-gebühren zahlen? die musik ist von youtube runtergeladen.
danke und gruß
vera
16 Stream-Team am 2. Februar, 2017 um 12:47
Hallo,
eine allgemeingültige Frage öffentlichen Interesses, nehme ich mal an:
Angenommen man legt jeden Sonntag für 2h in seinem Wohnzimmer Schallplatten auf und streamt dieses Ereignis inkl. Ton auf einer öffentlich zugänglichen Facebook-Seite als Video-Livesteeam.
Ist man dann GEMA-abgabepflichtig und falls ja, welcher Tarif hätte da Gültigkeit?
17 Sportverein am 3. März, 2017 um 07:57
Hallo,
wie sieht es bei folgendes Konstellation aus…
Ein Sportverein zeigt Samstags für ein paar Mitglieder (gemütliches Beiseammensein) die Sportschau (keine Sky-Sportsbar oder so).
GEZ ist ja definiv fällig. Aber was ist mir der Gema?
Vielen Dank
18 Ulla Kefferpütz am 15. Mai, 2017 um 10:14
Hallo Gema, wir haben am 24./25.6 Schützenfest. Selbstverständlich werden wir am 24.06. die Tanzveranstaltung der Gema anzeigen.
Am Sonntagmorgen wird der Schützenkönig vor seinem Haus abgeholt. zu diesem Anlass spielt die Stadtkapelle einen Marsch, damit der König die Ehrenfront abschreiten kann. Anschließend fahren wir zum Schützenhaus und Die Stadtkapelle spielt noch ca. 1Stunde Märche usw. Müssen wir auch den Sonntag anmelden?
Mgf Ulla Kefferpütz (Kassiererin)
19 Maren Lucks am 27. Juli, 2017 um 12:35
Sehr geehrte Damen und Herren, bei uns im Dorf ist ein Dorffest geplant, bei dem auch ein Theaterstück aufgeführt werden soll. Es ist die Karaoke-Komödie “Tussipark” von Christian Kühn. Dabei werden 6 Lieder unterschiedlicher Interpreten gespielt, deren Texte von den Theaterakteuren gesungen werden. Wie verhält es sich hier mit evtl. anfallenden GEMA-Gebühren? Für eine kurze Info wäre ich Ihnen sehr dankbar. Mit freundlichem Gruß Maren Lucks
20 Barbara Holdorf am 8. August, 2017 um 20:27
Wir feiern unser 30 jähriges Jubiläum Kinderkrebsfursorge mit unseren Mitgiedern, zu der ein Mitglied mit Gitarre zur musikalischen Untermalung beitragt.
Wir sind ein gemeinnütziger Verein.
Müssen wir Gema geb. Bezahlen?