Urheberrecht in Schulen: Welche Nutzungen die Unterrichtsschranke erlaubt
Die Unterrichtsschranke erleichtert es, urheberrechtlich geschütztes Fremdmaterial zu Bildungszwecken zu nutzen. Sie ist eine gesetzliche Erlaubnis: Wenn ihre Voraussetzungen gegeben sind, muss für die jeweilige Nutzung keine individuelle Genehmigung vom Rechteinhaber (eine Lizenz) eingeholt werden. Nachstehend werden die wesentlichen Regelungsaspekte kurz erläutert. Auf die Darstellung komplexer Detailfragen wird hier zugunsten der Verständlichkeit bewusst verzichtet.
Wer darf nutzen?
Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler. Sie dürfen Dritte in die Nutzung einbeziehen, z. B. die Schulbibliothek oder einen Copyshop mit der Anfertigung von Kopien beauftragen.
Welche Nutzungszwecke dürfen verfolgt werden?
Zulässig sind Nutzungen, die der Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre an einer Bildungseinrichtung dienen. Hiermit gemeint sind alle möglichen Nutzungshandlungen (soweit urheberrechtlich relevant) im Rahmen der Vor- und Nachbereitung und der Durchführung von Unterricht. Beispiele sind:
- Kopien für die Unterrichtsteilnehmenden erstellen und sie austeilen oder zum Download bereitstellen;
- analoge Materialien zur Nutzung im Unterricht kopieren und an die Unterrichtsteilnehmenden austeilen und gegebenenfalls zu diesem Zweck digitalisieren (z.B. einen Zeitschriftenbeitrag einscannen);
- Ausschnitte aus Büchern oder anderem Material in eigenes Lehrmaterial der Lehrkraft oder in Referate oder Präsentationen der Schülerinnen und Schüler kopieren und die eigenen Inhalte im Unterricht einsetzen oder zur Vor- und Nachbereitung online oder offline zur Verfügung stellen;
- Filme vorführen, Videos streamen, Musik anhören, Gedichte rezitieren, Schulperformances
- und vieles mehr.
An wen darf sich die Nutzung richten?
Die Nutzungen dürfen sich an Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Prüferinnen und Prüfer richten. Das heißt z.B.:
- Fotokopien von Materialien dürfen für die Klasse erstellt und ausgeteilt werden.
- Digitale Kopien dürfen zum Download oder zur Ansicht zur Verfügung gestellt werden, soweit nur die Teilnehmenden einer bestimmten Unterrichtseinheit zugreifen können, z.B. eines Kurses oder einer Klasse.
- Bei Prüfungen dürfen Kopien für Prüferinnen und Prüfer sowie Prüflinge erstellt und an sie ausgeteilt bzw. – bei OnlinePrüfungen – digital zur Verfügung gestellt werden.
Merke: Wenn Fremdmaterial gemäß § 60a UrhG genutzt wird, ist der Zugriff auf die Teilnehmenden der jeweiligen Unterrichtseinheit zu beschränken. Eine Zugänglichmachung an eine weitergehende (z. B. alle Schülerinnen und Schüler der Oberstufe) oder gar unbeschränkte Öffentlichkeit (z. B. auf einer Website) ist nicht gestattet! Um dies zu gewährleisten, sind technisch übliche Zugriffsbeschränkungen vorzunehmen, etwa durch einen Passwortschutz.
An welchen Einrichtungen und für welchen Unterricht darf genutzt werden?
Nicht jeder Unterricht profitiert von der Nutzungserlaubnis des § 60a, sondern lediglich:
- Unterricht an bestimmten Bildungseinrichtungen. Laut Gesetz sind das: „frühkindliche Bildungseinrichtungen, Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung“.
- Unterricht, der keinen kommerziellen Zwecken dient: Unterricht, mit dem der Ausrichter Gewinne erzielen will, ist nicht von der Regelung erfasst.
Wie viel darf man nutzen?
- 60a erlaubt grundsätzlich nur die auszugsweise Nutzung von geschützten Werken — genau genommen 15 %. In manchen Fällen dürfen jedoch auch ganzeWerke genutzt werden. Auch gibt es Werkgattungen, die von der Nutzung im Schulunterricht mehr oder weniger ausgeschlossen sind. Konkret lauten die Regelungen wie folgt:
Unterschiedliche Nutzungsgrade im UrhG
100 %: Vollständige Nutzung von
- vergriffenen Werken (synonym zu „nicht verfügbaren Werken“),
- einzelnen Beiträgen aus Fachzeitschriften oder wissenschaftlichen Zeitschriften (Achtung: Publikumszeitschriften oder Tageszeitungen fallen unter die 15 %-Grenze),
- Werken mit geringem Umfang: Druckwerke mit bis zu 25 Seiten, einzelne Gedichte oder Liedtexte, Filme und Videos mit bis zu fünf Minuten Länge, einzelne Musikstücke.
15 %: Anteilige Nutzung von
- allem, was nicht unter die 100 %- oder 0 %-Grenze fällt. Zur Berechnung kann man sich bei Sprachwerken an der Gesamtzahl von nummerierten Seiten eines Buches mit Vorwort, Inhalts-, Literatur- und Sachverzeichnis (aber ohne Leerseiten) orientieren. Bei Filmen sind Vor- und Abspänne mitzurechnen.
0 %: Keine Nutzung von
- Schulbüchern und Auszügen hieraus,
- Musiknoten,
- Aufzeichnungen von Live-Veranstaltungen (Live-Mitschnitte).
Weitere Regelungen durch Gesamtverträge
Einige für die Unterrichtspraxis wichtige Nutzungen, die eigentlich von der gesetzlichen Nutzungserlaubnis ausgeschlossen sind (z.B. Schulbücher), sind durch Gesamtverträge teilweise doch möglich. Gesamtverträge werden zwischen der öffentlichen Hand und Rechteinhabervertretern wie Verwertungsgesellschaften geschlossen.
Durch Gesamtverträge zwischen Bund/Ländern und Verwertungsgesellschaften werden teilweise Lücken der gesetzlichen Nutzungserlaubnisse geschlossen. So ist laut Gesetz (§ 60a UrhG) die Nutzung von Kopien aus Schulbüchern für den Schulunterricht, das Kopieren von Noten oder ganzen Presseartikeln für die Schülerinnen und Schüler grundsätzlich nicht gestattet. Damit solche Nutzungshandlungen im Schulunterricht dennoch vorgenommen werden dürfen, haben die Bundesländer mit verschiedenen Verlagen, Rechteverwertern und Verwertungsgesellschaften (z.B. der VG Wort) den Gesamtvertrag „Vervielfältigungen an Schulen“ geschlossen. Siehe hierzu die Informationen des Verbands Bildungsmedien e.V.
Quellenangaben
Bei Nutzungen nach § 60a müssen die Quellen angegeben werden. Zu nennen sind generell (sofern diese Angaben verfügbar sind und die Nennung zweckmäßig und üblich ist):
- der Urheber,
- der Werktitel – online veröffentlichte Bilder haben oft keinen Titel, dann muss natürlich auch kein Titel genannt werden,
- bei Auszügen aus Zeitschriften und anderen Sammlungen der Titel derselben,
- die konkrete Fundstelle – bei Online-Nutzungen z. B. ein Hyperlink, bei Auszügen aus Büchern oder Zeitschriften die Seitenzahl/Ausgabe.
Die Quellenangaben sind so anzubringen, dass klar erkennbar wird, dass hier ein fremdes Werk genutzt wird und um welches Werk von welchem Urheber es sich handelt. Wie die Quellenangabe im jeweiligen Fall aussehen sollte, ist variabel. Das hängt von den Umständen und der Üblichkeit ab. In einem Unterrichtsskript beispielsweise empfiehlt es sich, die Quellenangaben möglichst nah am Zitat (beispielsweise in einer Klammer oder einer Fußnote) anzubringen. Bei einem Podcast dagegen könnten sie in den Shownotes genannt werden (Quellenangabepflicht).
Nutzungsvergütungen
Nutzungen nach § 60a sind vergütungspflichtig. Schülerinnen und Schüler oder Lehrkräfte kommen hiermit jedoch nicht in Berührung. Die Vergütungen werden generell durch die Bundesländer und den Bund entrichtet, mitunter durch die Bildungseinrichtungen.
Lizenz und Hintergrund dieses Textes
Lizenzhinweis: Dieser Text stammt von Till Kreutzer und Georg Fischer. Er steht unter der offenen Lizenz CC BY-SA 4.0. Das bedeutet, dass der Text unter Beachtung der Lizenzbedingungen weitergenutzt und -verbreitet werden darf.
Der Text ist der neuen Handreichung „Urheberrecht in Schulen“ entnommen (S. 10-15 unter dem Titel „Unterrichtsschranke nach § 60a UrhG“). Gleichzeitig ist die neue Handreichung zu „Urheberrecht in der Wissenschaft“ erschienen. Beide stellt iRights.info in diesem Artikel näher vor.
Kostenloser Download der neuen Handreichungen
Beide Handreichungen sind auf dem Repositorium Zenodo veröffentlicht und zur leichteren Zitierweise mit DOI versehen. Auch bei iRights.info sind die PDFs hinterlegt.
„Urheberrecht in Schulen. Ein Überblick für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler“
- Download bei BMBF | Download bei iRights.info
- Download bei Zenodo (DOI: https://doi.org/10.5281/zenodo.8284533)
„Urheberrecht in der Wissenschaft. Ein Überblick für Forschung, Lehre und Bibliotheken“
- Download bei BMBF | Download bei iRights.info
- Download bei Zenodo (DOI: https://doi.org/10.5281/zenodo.8284551)
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DOI für diesen Text: https://doi.org/10.59350/ekr0w-r5r66 · automatische DOI-Vergabe für Blogs über The Rogue Scholar
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