Handreichung neu aufgelegt: Audiovisuelle Medien rechtssicher in Forschung und Lehre nutzen
Als 2015 die erste Ausgabe des Gutachtens von Fabian Rack und Paul Klimpel zu den urheberrechtlichen Aspekten audiovisueller Materialien in Forschung und Lehre erschien, war die Streaming-Welt noch eine ganz andere. Erst ein Jahr zuvor hatte – um nur ein Beispiel zu nennen – Netflix den deutschen Markt betreten. Heute wird der Streamingdienst laut einer ARD/ZDF-Onlinestudie 2022 von gut einem Drittel der Deutschen mindestens einmal pro Woche genutzt. Daneben gibt es mittlerweile eine Vielzahl weiterer Anbieter.
Mit der Ausbreitung des Streamings haben sich auch die Möglichkeiten, audiovisuelle Materialien – insbesondere Filme – in Forschung und Lehre zu nutzen, erheblich erweitert. Aber auch der Rechtsrahmen hat sich seit Erscheinen der ersten Ausgabe verändert. Das Gutachten reagiert auf diese Änderungen und erklärt die gültige Rechtslage für die Verwendung von audiovisuellen Inhalten in Forschung und Lehre.
Das Gutachten wurde vom Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD), der Gesellschaft für Medienwissenschaften (GfM) und NFDI4Culture, einem Konsortium in der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur (NFDI), das sich mit Forschungsdaten zu materiellen und immateriellen Kulturgütern befasst, in Auftrag gegeben und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Es kann – samt Metadaten – beispielsweise beim Repositorium Zenodo heruntergeladen werden.
Die beiden Autoren – Paul Klimpel und Fabian Rack – sind Rechtsanwälte bei iRights.Law und Autoren bei iRights.info. Der Text steht unter der freien CC BY-4.0-Lizenz der Öffentlichkeit zur Verfügung. Auch das aktualisierte Gutachten richtet sich wieder an Verantwortliche in Bildungseinrichtungen, sowie an Forschende, die die (nicht mehr ganz so) neuen Medien für ihre wissenschaftliche Arbeit nutzen wollen. Die gut 60 Seiten geben einen Überblick über die wichtigsten Aspekte, die bei der Nutzung von audiovisuellen Materialien zu beachten sind.
Urheberrecht: Grundlagen im Überblick
Um den Hintergrund des rechtlichen Rahmens für den Umgang mit audiovisuellen Medien in Forschung und Lehre verständlich zu machen, erläutern die Autoren Fabian Rack und Paul Klimpel einleitend die wichtigsten Grundlagen des Urheberrechts: Wann gilt ein Werk überhaupt als Werk im urheberrechtlichen Sinne? Wer gilt als „Urheber“, was ist ein „Verwerter“, was ist ein „Nutzer“? Und was darf wer mit dem „Werk“ tun?
Auch internationale Regelungen und Abkommen spielen dabei eine Rolle und werden überblicksartig dargestellt. Denn insbesondere bei Filmproduktionen werden die Grenzen der verschiedenen Urheberrechtsregime oft überschritten. Das „Revidierte Berner Übereinkommen zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst“ von 1971 gibt zum Beispiel den (urheber-)rechtlichen Rahmen für die Übersetzungen und die Vervielfältigungen geschützter Werke im internationalen Kontext sowie für bestimmte Urheberpersönlichkeitsrechte.
Audiovisuelle Medien in Forschung und Lehre einsetzen: Wann kommt das Urheberrecht ins Spiel?
Bei audiovisuellen Medien, insbesondere bei Filmen, zeigen sich urheberrechtliche Herausforderungen in ganz besonderem Maße: Anders als bei anderen Werkformen gibt es hier regelmäßig nicht die eine Schöpferin, den einen Urheber, sondern üblicherweise sind an der Herstellung eines Films zahlreiche Künstler*innen und Mitwirkende beteiligt. Deshalb ist es oftmals nicht einfach, konkret zu bestimmen, wer zu den Urheber*innen eines Films gehört, welche einzelnen Beiträge als urheberrechtliches Werk zu qualifizieren sind und inwieweit diese Schutz genießen. Ausführlich stellt das Gutachten dar, welche Rechte bei der Herstellung und beim Zeigen von Filmen potenziell zu beachten sind und wie sie sich voneinander abgrenzen.
Wichtig für die Frage, wann eine Nutzung überhaupt urheberrechtlich relevant wird, ist unter anderem die Abgrenzung zwischen nicht-öffentlicher und öffentlicher Wiedergabe. Die Autoren erklären, warum eine Vorführung audiovisueller Medien im Klassenverband einer Schule oder in geschlossenen Seminaren als nichtöffentlich angesehen wird und deshalb aus urheberrechtlicher Sicht kein Problem darstellt. Und sie erläutern, in welchen Fällen auch bei einer als öffentlich geltenden Wiedergabe, wie beispielsweise im Rahmen einer universitären Vorlesung, ebenfalls keine Lizenzen erforderlich sind.
Was ist erlaubt?
Aber auch wenn es sich um eine öffentliche Wiedergabe eines urheberrechtlich geschützten Werkes handelt, ist nicht in jedem Fall eine Lizenz erforderlich. Das Gesetz erlaubt beispielsweise das Zitieren von ansonsten urheberrechtlich geschützten Werken. Wie weit dieses Zitatrecht, das insbesondere im wissenschaftlichen Bereich von großer Bedeutung ist, reicht, wird ebenfalls ausführlich dargestellt. So ist auch bei Filmen das Zitieren grundsätzlich möglich. Das kann eine Rolle spielen, wenn beispielsweise in einen Videoessay der Ausschnitt eines bereits vorhandenen Films eingefügt werden soll. Das Urheberrecht erlaubt das, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen: So muss das Zitat dazu dienen, eine bestimmte Aussage zu untermauern und darf dann auch nicht mehr umfassen, als dafür notwendig ist.
UrhWissG: Sonderregelungen für Unterricht und Lehre
Neu durch das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz von 2018 (UrhWissG) in das deutsche Urheberrecht aufgenommen wurden die Paragrafen § 60a-f UrhG. Hier sind diverse Schranken, also Ausnahmen vom Urheberrechtsschutz, geregelt, die Forschung und Lehre zugutekommen sollen. So erlaubt etwa § 60a zur Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre an Bildungseinrichtungen sowie zu Forschungszwecken bis zu 15 Prozent eines veröffentlichten Werkes „zu vervielfältigen, zu verbreiten, öffentlich zugänglich zu machen und in sonstiger Weise öffentlich wiederzugegeben“. Das Gutachten erläutert, was genau das bedeutet, für welche Bildungseinrichtungen die Regelung gilt und welche Grenzen bestehen.
Text and Data Mining (TDM)
Eine weitere wichtige gesetzliche Neuerung, die die Autoren im Gutachten beleuchten, betrifft das so genannte „Text und Data Mining“, kurz TDM. Dabei werden urheberrechtliche geschützte Werke automatisiert analysiert, um daraus weitere Informationen zu gewinnen (beispielsweise bestimmte Muster zu erkennen). Als Beispiel für das TDM im Bereich audiovisueller Materialien führen die Autoren die mögliche computergestützte Auswertung von der Entwiclung von Sprache oder Bildkomposition im zeitgenössischen Film an. Ein weiteres Szenario ist, Audio und Film als Input für das Trainieren einer KI zu nutzen, mit der sich später neues Material erstellen lässt.
Gerade in den Kulturwissenschaften hat das Text und Data Mining in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Auch hier hat das Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz den Rahmen geschaffen, in dem Wissenschaftler*innen jetzt zu nicht-kommerziellen Bedingungen TDM durchführen können.
Lizenzen und Verträge
Wenn urheberrechtlich geschützte audiovisuelle Materialien für Bildung, Wissenschaft oder Lehre genutzt werden sollen, für die keine der gesetzlich erlaubten Ausnahmen gilt, sind mit den Rechteinhabenden Lizenzen zu vereinbaren. Hier spielen Verwertungsgesellschaften und Lizenzagenturen eine wichtige Rolle. Letztere haben insbesondere für die Nutzung von audiovisuellen Materialien in Bildung und Wissenschaft große Bedeutung, gibt es doch hier – anders als bei Sprachwerken – keine einheitliche Verwertungsgesellschaft, die für Filme allgemein alle damit verbundenen Rechte abdeckt. Ein Überblick über die Film-bezogenen Verwertungsgesellschaften findet sich in diesem Text von iRights.info.
In seiner neuen Fassung ist das kostenlos erhältliche Gutachten ein aktueller Wegweiser durch den zunehmend dichter werdenden Dschungel urheberrechtlicher Normen bei der Verwendung audiovisueller Materialien in der Wissenschaft. Es ist als PDF zum Herunterladen, beim Online-Repositorium Zenodo (samt Metadaten) sowie in einer Online-Version zum Durchblättern bei NFDI4Culture erhältlich.
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