Drei Ausnahmen vom Urheberrecht: 15%-Regel für Unterricht und Lehre – Zitat – Pastiche
„Gesetzlich erlaubte Nutzungen“: Das ist die Bezeichnung für diverse Ausnahmen vom Urheberrecht. Sie wurde 2018 mit dem Urheberrecht-Wissensgesellschafts-Gesetz (kurz: UrhWissG) eingeführt. Zuvor sprach man meist von „Schranken“, weil diese den Urheberrechtsschutz zugunsten von Öffentlichkeit und Nachnutzenden einschränken. Die Bezeichnung „Schranken“ ist weiterhin gebräuchlich.
Bei gesetzlich erlaubten Nutzungen braucht man keine eigene Genehmigung der Urheber*innen einholen oder Lizenzbedingungen beachten, solange sich die Nachnutzenden an die Voraussetzungen der gesetzlichen Regelung halten. Das soll praktische Hürden senken und die Nutzung von geschütztem Material innerhalb enger Grenzen vereinfachen.
Die gesetzlichen Nutzungserlaubnisse sind im Urheberrechtsgesetz an verschiedenen Stellen zu finden. Für die Nutzung und Erstellung offener Bildungsmaterialien (kurz: OER) sind besonders die 15%-Regel für Unterricht und Lehre, das Zitatrecht und die damit verwandte Pastiche-Regelung bedeutend.
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Die 15%-Regel aus § 60a für Unterricht und Lehre
Das UrhWissG (das in den §§ 60a bis 60h UrhG umgesetzt wurde) enthält eine Reihe von Urheberrechts-Ausnahmen. Dadurch erleichtert das UrhWissG die Arbeit in Wissenschaft, Forschung, Lehre, Unterricht und Schule sowie Einrichtungen des kulturellen Erbes (darunter Museen, Archive oder Bibliotheken): Nutzende dürfen unter den dort beschriebenen Voraussetzungen urheberrechtlich geschützte Materialien und Inhalte ohne Lizenzierung nutzen.
Nach § 60a UrhG darf urheberrechtlich geschütztes Material „zur Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre an Bildungseinrichtungen“ bis zu einem Umfang von 15% genutzt werden. Das kann etwa in Form physischer Papierkopien („Handouts“) geschehen oder digital über das Intranet der Einrichtung, zu dem nur Lehrkräfte und Teilnehmende der jeweiligen Veranstaltung Zugriff haben (digitale Seminarapparate, Lehr- und Lernplattformen, etc.). Auch die Verwendung bei Präsentationen via Streaming oder Video-Konferenzen sind von der Regelung umfasst.
Die Regelung bezieht sich auf Bildungseinrichtungen wie Schulen, Hochschulen, Universitäten, Einrichtungen der beruflichen Bildung und andere öffentliche Bildungsstätten. Auch private Bildungseinrichtungen können von der Ausnahmeregelung Gebrauch machen, sofern die jeweilige Unterrichtsveranstaltung nicht kommerziell ausgerichtet ist.
Was die 15%-Regel umfasst
Das Gesetz unterscheidet verschiedene Mediengattungen bei der Nutzung: Vollständig genutzt werden dürfen Abbildungen sowie einzelne Beiträge aus einer Fach- oder wissenschaftlichen Zeitschrift. Auch vergriffene und sonstige sogenannte „Werke geringen Umfangs“ zählen dazu. Dabei handelt es sich beispielsweise um Druckwerke mit höchstens 25 Seiten Länge oder Filme und Musikstücke mit einer maximalen Spieldauer von fünf Minuten. Nicht vollständig, sondern eben nur zu 15%, sind dagegen Ausschnitte aus urheberrechtlich geschützten Schulbüchern, Fachbüchern, Romanen sowie „Kiosk-Zeitschriften“ zu verwenden (also Presse-Erzeugnisse wie Zeitungen und Zeitschriften).
Was zählt zu den 15% dazu? Als Faustregel kann man sich merken: Zur Berechnung kann man sich bei Sprachwerken an der Gesamtzahl von nummerierten Seiten eines Buches mit Vorwort, Inhalts-, Literatur- und Sachverzeichnis (aber ohne Leerseiten) oder bei Musikwerken an den Gesamtspielminuten von Filmen oder Musikstücken orientieren. Bei einem Zeitungsartikel hingegen empfiehlt es sich, den zulässigen Umfang von 15% über Zeilen- oder Wortanzahl abzuschätzen.
Zitatrecht
Das Zitatrecht (§ 51 UrhG) ist vermutlich die bekannteste gesetzliche Nutzungserlaubnis. Es ist für Wissenschaft, Journalismus, Literatur, Verlagswesen und andere textbasierte Bereiche einschlägig. Unter einem Zitat ist dabei die direkte Übernahme eines Ausschnitts eines fremden Werks in die eigene Arbeit zu verstehen (ohne Zahlung einer Nutzungsgebühr, wie etwa bei einer kostenpflichtigen Lizenz).
Was es für ein urheberrechtlich einwandfreies Zitat braucht
Erstens den Zitatzweck: Die übernommene Passage darf die eigenen Ausführungen nicht nur illustrieren, ausschmücken oder als Arbeitserleichterung dienen – das Zitat ist nur dann zulässig, wenn es die eigenen Ausführungen wesentlich unterstützt oder der geistigen Auseinandersetzung mit dem zitierten Werk dient. Ein deutlicher Zusammenhang zwischen der zitierten Passage und der eigenen Arbeit ist unabdingbar. Daneben gilt: Das eigene Werk muss selbst Schöpfungshöhe erreichen. Bloße Sammlungen und Zusammenstellungen von Zitaten ohne eigene kreative Eigenleistung sind unzulässig.
Zweitens die Kennzeichnung als Zitat und die Angabe der Originalquelle: In wissenschaftlichen oder journalistischen Darstellungen sind zitierte Stellen regelmäßig mit Anführungszeichen und/oder einer grafischen Hervorhebung sowie einer präzisen Quellenangabe zu versehen. Die zitierte Stelle ist wortwörtlich wie in der Quelle abgefasst zu übernehmen (Änderungen sind unzulässig). Auslassungen sind möglich, sofern sie den Sinn des Zitats nicht verzerren oder entstellen; es empfiehlt sich, Auslassungen durch eckige Klammern und drei Punkte […] zu markieren.
Drittens die Verhältnismäßigkeit zwischen eigenem Text und Zitat, insbesondere was die Umfänge betrifft: Wie diese Regel genau auszulegen ist, hängt auch vom Einzelfall ab. Als Daumenregel kann man sich merken: Das Zitat sollte für die Leser*innen nicht zum Ersatz des zitierten Werkes werden oder auf dem Markt zu ihm in Konkurrenz treten. Entsprechend sind nur maßvolle Auszüge aus einem Werk gestattet, die eigenen Ausführungen sollten auch quantitativ deutlich im Vordergrund stehen. Nur in Ausnahmefällen sind Übernahmen kompletter Werke möglich (etwa bei Gedichten, sogenanntes „Großzitat“).
Pastiche-Regelung
Die Pastiche-Regelung (§ 51a UrhG) wurde 2021 im Urheberrecht eingeführt und weist eine große Nähe zum Zitatrecht auf. Sie ist gedacht für verschiedene (teils neue) kulturelle Ausdrucks- und Kommunikationsformen, die sich Material Dritter zu Eigen machen und es auf kreative Art verarbeiten. Darunter beispielsweise Remixes, Memes oder Fan Fiction, oftmals veröffentlicht auf digitalen Plattformen und Sozialen Medien. Ein Pastiche verheimlicht nicht, dass er sich auf andere Werke bezieht (wie ein Plagiat) – die Fremdreferenzen sind wesentlicher und ausgewiesener Bestandteil des Pastiches.
Urheberrecht: Was es für einen Pastiche braucht
Weil der Pastiche als urheberrechtliche Ausnahme relativ jung ist, ist auch der Diskussionsprozess dazu noch im Gange. Trotzdem lassen sich folgende Punkte festhalten, die die Nutzung Ausschnitte fremder Werke im Sinne des Pastiches begründen:
Der Pastiche muss einerseits als eigenständiges Werk zu erkennen sein, also trotz der Entlehnungen „eine eigene geistig-ästhetische Wirkung“ erzielen, wie es Till Kreutzer, Jurist und Herausgeber von iRights.info, formuliert. Pastiche und Originalwerk müssen also für das Publikum deutlich unterscheidbar sein. Das kann beispielsweise durch einen inneren Abstand bewerkstelligt werden, also indem sich der Pastiche antithematisch mit dem vorbestehenden Werk auseinandersetzt (etwa als Satire oder Parodie). Ein äußerer Abstand kann auch durch den Grad der Bearbeitung zustande kommen, je nachdem wie stark das vorbestehende Werk verändert wurde.
Andererseits darf der Pastiche nicht in Konkurrenz zum Ausgangswerk treten. Ähnlich wie beim Zitat darf der Pastiche also das Quellmaterial nicht ersetzen oder ihm die Primärverwertung streitig machen. Die Persönlichkeitsrechte der Schöpfer*innen müssen zudem unangetastet bleiben.
Weitere Ausnahmen vom Urheberrecht
Neben den drei hier erklärten erlaubt das Urheberrechtsgesetz verschiedene weitere Ausnahmen. Dazu zählen beispielsweise die Privatkopie, das „unwesentliche Beiwerk“ oder die Panorama-Freiheit. Wer noch tiefer einsteigen will: Bei Wikipedia gibt es zudem einen ausführlichen Überblick zu den gesetzlich erlaubten Nutzungen im Urheberrecht.
Hinweis: Dieser Beitrag ist Teil einer Kooperation von iRights.info, dem Deutschen Bildungsserver und OERinfo. Wie schon bei früheren Kooperationen erscheint auch dieser Text als Crosspost bei OERinfo und bei iRights.info.
Anm. d. Red.: In einer früheren Version wurde die Berechnung der zulässigen 15% bei Sprachwerken (§ 60a für Unterricht und Lehre) ohne Vorwort, Literaturverzeichnis, etc. empfohlen. Diese Empfehlung wurde redaktionell geändert.
iRights.info informiert und erklärt rund um das Thema „Urheberrecht und Kreativität in der digitalen Welt“.
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1 Kommentar
1 Magdalena Spaude am 7. Dezember, 2022 um 13:50
Sehr geehrtes irights.info-Team,
ich lese sehr gerne eure Beiträge und eure Seite ist für mich eine verlässliche Informationsquelle.
Ich bin aber bei diesem Artikel über folgenden Satz gestolpert: “Für die Nutzung und Erstellung offener Bildungsmaterialien (kurz: OER) sind besonders die 15%-Regel für Unterricht und Lehre […] bedeutend.”
Wenn ich das bisher richtig verstanden habe, dann kann man die 15% Regel nur für geschlossene Lernendengruppen anwenden (§ 60 a UrhG: für Lehrende und Teilnehmer der jeweiligen Veranstaltung) Damit eignet sich die 15% Regel eben nicht für OER. OER sollen für jedermann zugänglich und vor allem auch nachnutzbar, veränderbar sein. All das adressiert der § 60 a nicht. Die Materialien dürfen im Wesentlichen nicht verändert werden.
Auch Zitate sind problematisch für OER. Denn der Nachnutzende einer OER, z. B. eines Videos, in der ein Zitat beinhaltet ist, müsste dieses Zitat eigentlich entfernen, wenn er das Video vervielfältigen möchte. Zumindest so habe ich die Rechtsberatung verstanden.
Ich vermute, es wäre am einfachsten den Bezug zu OER aus diesem Artikel zu entfernen.
Viele Grüße
Magdalena Spaude
ORCA.nrw-Netzwerkstelle der Universitt zu Köln und OER-Beratende
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