EuGH kippt Kopiervergütung an Verlage, die zu Lasten der Autoren geht (Updates)
In dem heutigen Urteil befasst sich der Europäische Gerichtshof mit der Frage, wem die Pauschalvergütungen zustehen, die etwa beim Kopieren in Copyshops oder beim Kauf von PCs, Druckern und Speichermedien anfallen. Verwertungsgesellschaften sammeln dafür Tantiemen ein, die sie häufig zwischen Urhebern und Verwertern aufteilen.
Der Europäische Gerichtshof hat jetzt entschieden: Nationale Regelungen, die Vergütungen auf Kosten der Autoren an Verlage umleiten, sind europarechtswidrig. Das gelte jedenfalls, wenn keine weiteren Vorgaben für die Verlage sicherstellen, dass Autoren wenigstens indirekt von den Vergütungen profitierten, heißt es im Urteil (Aktenzeichen C–572/13).
Anlass für die Entscheidung ist ein Streit aus Belgien. Die dortige Tochterfirma des IT-Herstellers Hewlett-Packard klagte gegen die belgische Verwertungsgesellschaft Reprobel, deren Tarif für Multifunktionsdrucker sie für unzulässig hält. Das belgische Obergericht legte dem Europäischen Gerichtshof eine Reihe von Fragen zur EU-Urheberrechtsrichtlinie vor. Neben der Beteiligung der Verleger befasste sich der Gerichtshof mit weiteren Anforderungen an die Kopiervergütung und kippte nun die belgischen Berechnungsmodelle.
Verlagsvergütung auf Kosten der Autoren unzulässig
Zur Verlegerbeteiligung argumentiert der Gerichtshof im Detail wie folgt: Werden Autoren über pauschale Kopierabgaben vergütet, steht dahinter ein Anspruch, der sich aus der EU-Urheberrechtsrichtlinie ergibt. Sie spricht in Artikel 2 den Urhebern das Vervielfältigungsrecht zu, führt Verlage aber dort nicht auf. Die Verlage erlitten in dieser Hinsicht keinen Schaden durch privates Kopieren, der kompensiert werden müsste.
Daher dürften Verlage keine Kopiervergütung erhalten, wenn diese dazu führe, dass Autoren Vergütung vorenthalten wird. Im Urteil heißt es: „Sie [die Verlage] können daher keinen Ausgleich aufgrund dieser Ausnahmen [des Urheberrechts] erhalten, wenn dadurch den Inhabern des Vervielfältigungsrechts der gerechte Ausgleich, auf den sie aufgrund dieser Ausnahmen Anspruch haben, ganz oder teilweise entzogen wird“ (Randnummer 48).
In dem Urteil geht der Gerichtshof auf den ersten Blick sogar über das Plädoyer hinaus, das der Generalanwalt Pedro Cruz Villalón im Juni veröffentlicht hatte. Darin hatte der Generalanwalt zwar ebenfalls ausgeführt, dass die Kopiervergütung nach EU-Recht grundsätzlich den Urhebern zustünde. Einschränkend hatte er jedoch ergänzt, dass sich Pauschalvergütungen für Verlage auf Ansprüche aus nationalem Recht stützen könnten, die unabhängig von den EU-Urheberrechtsvorgaben bestehen. Eine solche Einschränkung findet sich im Urteil nicht mehr.
VG Wort vs. Vogel: Kippt auch deutsche Regelung?
Die heutige Entscheidung hat auch auf Deutschland Auswirkungen: Hier klagt der Urheberrechtler Martin Vogel gegen die Verwertungsgesellschaft VG Wort. Sie sieht in ihrem Verteilungsplan einen pauschalen Verlegeranteil vor, der bei wissenschaftlichen Autoren die Hälfte beträgt. Das Landgericht und das Oberlandesgericht München gaben Vogel weitgehend Recht. In der Revision entschied der Bundesgerichtshof vergangenes Jahr, das Verfahren auszusetzen und auf das Reprobel-Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu warten.
Jetzt kann der Bundesgerichtshof das Verfahren wieder aufnehmen. Dabei ist er an die Auslegung des Europarechts durch den Europäischen Gerichtshof gebunden, muss jedoch entscheiden, wie der konkrete Sachverhalt in Deutschland unter die Vorgaben der Luxemburger Richter einzuordnen ist. In Deutschland erlaubt eine Regelung im Urheberrechtsgesetz, dass Autoren Vergütungsansprüche vertraglich an Verwertungsgesellschaften abtreten, wenn diese Urheber und Verwerter gemeinsam vertreten (Paragraf 63a). Der Kläger Martin Vogel hält die Regel ebenso wie die Verteilungspläne für europarechtswidrig.
Die Verwertungsgesellschaften verweisen bislang zumeist auf ihre Satzungen und die Verteilungspläne, welche die Verlegerbeteiligung ihrer Ansicht nach legitimieren. Auch andere Verwertungsgesellschaften wie die VG Bild-Kunst für Fotografen und Bildurheber sind von den Auswirkungen des Streits betroffen. So hatten die Verwertungsgesellschaften bereits beschlossen, ihre Ausschüttungen an Verlage vorerst zu stoppen oder nur dann vorzunehmen, wenn die Verlage sich verpflichten, sie bei einem Urteil gegen ihre Beteiligung zurückzuzahlen.
Updates, 12. und 14.11: Stellungnahmen
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels bezeichnet das Urteil in einer Stellungnahme als „höchst problematisch“, es gefährde das „Miteinander von Autoren und Verlagen“. Die Politik solle das Urteil bei der geplanten EU-Urheberrechtsreform korrigieren. Die VG Wort hat bislang nur mitgeteilt (PDF), man wolle „die sich aus dem Urteil ergebenden rechtlichen Konsequenzen prüfen“.
Matthias Ulmer vom Verleger-Ausschuss im Börsenverein sieht im Deutschlandfunk nach dem Urteil „das gesamte System der Verwertungsgesellschaften“ infrage gestellt. Er ergebe keinen Sinn, weiterhin an der Organisation VG Wort teilzunehmen, wenn keine Ausschüttungen an Verlage stattfänden. „Jetzt ist eindeutig, dass hier Ausschüttungen nicht stattfinden dürfen und das vermutlich auch teilweise Rückforderungen kommen werden“ so Ulmer.
Dem widerspricht in der gleichen Sendung Cornelia Haß, Bundesvorsitzende der Deutschen Journalisten-Union (DJU in Verdi). Die Situation in Deutschland sei anders als in Belgien, weil der Verteilungsschlüssel zwischen Urhebern und Verwertern nicht wie in Belgien per Gesetz festgelegt, sondern innerhalb der Verwertungsgesellschaften ausgehandelt werde. Haß: „Die Schlüssel sind unangetastet und es wird ja auch derzeit trotz der laufenden Prozesse in Deutschland ausgeschüttet.“ Die DJU sei „eher nicht der Auffassung, dass sich an diesen Schlüsseln signifikant etwas ändern sollte.“ Das Urteil sei „nicht so negativ, wie aus interessiertem Mund beschrieben wurde“, unangebracht seien Panikmache und Drohungen gegenüber Autoren.
Der Urheberrechtler Martin Vogel verweist auf Anfrage von iRights.info erneut darauf, dass die VG Wort nicht an Verlage ausschütten dürfe, selbst wenn ihre Satzung das vorsehe. „Sie betreibt treuhänderisch die kollektive Verwaltung von Rechten. Das erlaubt ihr nicht, Gelder für Leistungen auszuschütten, für die es keine Rechte gibt. Tut sie dies dennoch, begeht sie eine Veruntreuung. Somit stellt sich die Frage, wer für den Schaden haftet, den die Urheber erlitten haben seit 2002.“ Das Urteil spreche für sich, so Vogel. Jetzt solle das Justizministerium aktiv werden und prüfen, wer für die Schäden der Urheber hafte, nachdem auch die Aufsichtsbehörde – das Deutsche Patent- und Markenamt – der Verteilungspraxis zugesehen habe. „Nun wird natürlich Verjährung geltend gemacht. Es lassen grüßen: VW, Deutsche Bank, DFB“, so Vogel.
1 Kommentar
1 Wolfgang Schlicht am 15. Januar, 2016 um 19:47
Hallo,
dürfen Autoren denn ihr Rechte auf die Vergütung von VG Wort an Verlage abgeben? Hintergrund der Frage ist ganz einfach. Wenn ein fremder Autor für meine Website schreibt, ist er in der Regel eher nicht bei der VG Wort registriert und es lohnt sich kaum dort anzumelden. Sinnvoller wäre es doch dann, wenn ich meine Website bei der VG Wort registriere und dem Autor dann mehr bezahle. Dann müsste ich als Betreiber der Seite das Geld aber auch von der VG Wort bekommen.
Kann mir das durch Zufall jemand beantworten?
Schöne Grüsse Wolfgang
Was sagen Sie dazu?