Warum Urheber sorgfältig prüfen sollten, ob das Urteil im Vergütungsstreit ihre Situation verbessern kann
1.
Das Urteil des Oberlandesgerichts München ist nicht rechtskräftig. Es ist davon auszugehen, dass es vom Bundesgerichtshof und gegebenenfalls auch vom Europäischen Gerichtshof geprüft werden wird. Bis eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt, können fünf Jahre oder mehr vergehen. Alle Aussagen zum Urteil des Oberlandesgerichts sind deshalb hypothetisch.
2.
Es besteht unter Juristen und Politikern sowie den meisten Autoren und Verlegern Konsens darüber, dass die Verleger an der Vergütung für das Verleihen und an den Erlösen für die private Vervielfältigung von Bildern und Texten beteiligt werden sollen. Damit entspricht ihre Situation derjenigen der Produzenten von Filmen und Tonträgern, die allerdings ein eigenes Leistungsschutzrecht haben. Zu keinem Zeitpunkt gab es bei Gesetzesänderungen ernsthafte Diskussionen darüber, dass den Verlegern ihre Beteiligung an den Vergütungen der VG Wort genommen werden soll. Es ist kaum anzunehmen, dass dieser Konsens mit der Rechtskraft des Urteils aufgeben werden würde.
3.
Nach dem Urteil steht fest, dass diejenigen Urheber, die vor Abschluss eines Verlagsvertrags Mitglied der VG Wort oder der VG Bild-Kunst geworden sind, keine Abzüge von Verlegeranteilen hinnehmen müssen. Unklar ist jedoch, wem die Vergütung zusteht, wenn zuerst der Verlagsvertrag abgeschlossen wurde. Ob dann die Vergütung allein dem Verleger zusteht oder eine Teilung erfolgen muss, bleibt offen.
4.
Angesichts der heutigen unübersichtlichen Vertragslage im Einzelfall ist deshalb keineswegs sicher, dass die Autoren in ihrer Gesamtheit zukünftig mehr Geld erlösen werden als gegenwärtig. Die Ausschüttung der Beträge allein an Urheber würde jährlich Millionenverluste in zweistelliger Höhe für die Verleger bedeuten. Es ist nicht anzunehmen, dass sie dies kampflos hinnehmen werden.
Im Übrigen würde sich der bürokratische Aufwand für Autoren und Verleger sowie die Verwertungsgesellschaften erheblich erhöhen, wenn zukünftig für jeden Fall der Veröffentlichung vor Anmeldung eines Anspruchs bei der VG Wort geklärt werden müsste, wer welche Vergütungsansprüche wem wann und in welchem Umfang übertragen hat.
5.
Das Urteil hat keinerlei Bedeutung für den wichtigsten Bereich der Buchverwertung, nämlich die Verteilung der Erlöse zwischen Verlegern und Autoren im Bereich der Nutzung von Exklusivrechten – dem Reproduktionsrecht zur Buchherstellung oder Nutzungsrechten für digitale Produkte – im Rahmen der Verlagsverträge. Es ist nicht absehbar, welche Folgen das Urteil auf diese Verträge haben wird, insbesondere auf die Frage, ob die Vergütung zukünftig auch in diesen Fällen durch eine Verwertungsgesellschaft abgerechnet werden wird.
6.
Es ist den Verlegern nicht verwehrt, sich nun an den Gesetzgeber zu wenden und eine Klarstellung des geltenden Rechts zu verlangen; es ist auch denkbar, dass sie sich um ein eigenes Leistungsschutzrecht bemühen und ihre Anteile an den Vergütungen dann aus eigenem Recht einfordern.
In der Rubrik „Meinung” veröffentlicht iRights.info in loser Folge Einschätzungen und Kommentare von Politikern, Künstlern, Funktionären und weitere Stimmen aus Politik, Wirtschaft und Kultur.
Lesen Sie auch zum Thema: Gastkommentar von Martin Vogel bei Stefan Niggemeier, Interview mit Christian Sprang im Börsenblatt.
3 Kommentare
1 Ilja Braun am 13. November, 2013 um 11:11
Lieber Herr Pfennig,
es ist doch sonderbar, dass der angebliche Konsens zwischen Juristen und Politikern sich offenbar in der Gesetzeslage nicht ausdrückt, sonst wäre das Urteil ja anders ausgefallen. Vielleicht liegt das daran, dass ein solcher Konsens – eine Ausschüttung von Urheberrechtsvergütungen an Nicht-Berechtigte – gegen Grundgedanken es Urheberrechts verstoßen würde? Unbestreitbar ist freilich, dass es den Verlegern nicht verwehrt ist, ein eigenes Leistungsschutzrecht zu fordern. Fordern kann jeder, was er will. Die Frage ist, wie ein solches Recht begründet werden soll. Denn allein die Tatsache, dass sie sonst nicht mehr, wie bisher rechtswidrig, an den Ausschüttungen der Autoren partizipieren könnten, ist sicher keine gute Begründung für die Einführung eines neuen Schutzrechts. Vor allem aber wüsste man gern, ob die Initiative Urheberrecht, für die Sie doch sprechen, nun ein solches Leistungsschutzrecht für Buchverleger fordert oder begrüßt. Legen Sie doch ruhig mal die Karten auf den Tisch.
Beste Grüße
Ilja Braun
2 Gerhard Pfennig am 16. November, 2013 um 20:02
Lieber Herr Braun,
da muss ich passen. Diese Frage müssen Sie Herrn Sprang vom Börsenverein stellen. Ich habe weder mit ihm noch mit einem anderen Vertreter des Börsenvereins gesprochen, bevor ich meine Meinung gesagt habe. Die Intiative ist für die Beantwortung dieser Frage nicht zuständig. Hier würde ich Sie bitten, einfach Herrn Sprang zu fragen.
Mehr Asse habe ich leider nicht im Ärmel!
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Pfennig
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