Vergütungsstreit um VG Wort: Für die Verlage könnte es eng werden
Ob und wann Verlage an den Vergütungen der Autoren beteiligt werden dürfen, darüber streitet die VG Wort mit dem Urheberrechtler Martin Vogel seit 2011 durch alle Instanzen. Als wissenschaftlicher Autor klagt er gegen den Abzug von Tantiemen durch die Verwertungsgesellschaft. Sie teilt die Vergütungen im Bereich Wissenschaft 50:50 zwischen Autoren und Verlagen auf, bei anderen Bereichen 70:30.
Der Streit betrifft Vergütungen, die die VG Wort als Abgabe erhält, wenn zum Beispiel Texte in Copyshops oder Bibliotheken kopiert werden. Das Landgericht München, dann das Oberlandesgericht gaben Vogel weitgehend Recht; danach ging es zum Bundesgerichtshof.
Das Plädoyer, das der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof, Pedro Cruz Villalón veröffentlicht hat, behandelt nicht direkt den deutschen Streit, sondern ein Verfahren um Kopiervergütungen in Belgien. Weil der Streit aber sehr ähnliche Fragen aufwirft, hatte der Bundesgerichtshof 2014 entschieden, auf ein Urteil des Gerichtshofs zu warten.
Generalanwalt: Vergütung zum Nachteil der Urheber unzulässig
Die Frage daraus, die für den Bundesgerichtshof besonders relevant ist, lautet sinngemäß: Sind die Pauschalvergütungen für Verlage nach EU-Recht erlaubt? Die Antwort im Plädoyer des Generalanwalts ist, wie üblich, komplex. Man kann sie in drei Schritte aufteilen, die sich als „Grundsätzlich nein, aber ja, sofern“ umschreiben lassen:
- Grundsätzlich nein: Die Tantiemen stünden nicht den Verlagen zu, denn nur den Urhebern gebe die entsprechende Richtlinie der EU ein Vervielfältigungsrecht. „Die Verleger können folglich grundsätzlich nicht Begünstigte (…) sein“, heißt es (Randnummer 127).
- Aber ja: Ein EU-Land könne aber auch eigene Regelungen und Tantiemen einführen, die über die europäischen Vorgaben hinausgehen. So hätten die Verlage in Belgien einen solchen Vergütungsanspruch unabhängig von den Urhebern, auch wenn die Tantiemen zusammen verwaltet werden (Randnummer 132f.).
- Sofern: Solche Vergütungen für Verleger seien aber nur dann erlaubt, wenn sie „nicht zum Nachteil“ der Urheber gehen, so das Fazit. Sonst könnten sie wiederum gegen EU-Recht verstoßen, das für Urheber einen „gerechten Ausgleich“ vorsieht, wenn sie Kopien wie etwa in Copyshops hinnehmen müssen, die durch gesetzliche Ausnahmen erlaubt sind (Randnummer 143).
Folgt der Gerichtshof dem Plädoyer des Generalanwalts, könnte es für die Verlage eng werden. Am Ende des Streits könnte vielleicht sogar das Modell der VG Wort, das Urheber und Verwerter unter einem Dach vereint, in die Krise geraten. Denn wer Geld von der VG Wort bekommt, muss Rechte in die Verwertungsgesellschaft einbringen. Da Verlage keine eigenständigen Rechte haben (vom neuen Leistungsschutzrecht der Presseverlage einmal abgesehen), nehmen sie den Umweg über Autoren. Per Verlagsvertrag können sie sich die Vergütungsansprüche übertragen lassen.
Vogel selbst hatte diese aber bereits an die VG Wort übertragen. Wollte sich ein Verlag später diese Rechte vom Autoren sichern, blieben dem Verlag keine mehr übrig. Nach dem Motto „First come, first served“ jedenfalls beurteilten die Gerichte bislang den Fall. Vielleicht sieht das der Bundesgerichtshof aber auch anders, vermutet die VG Bild-Kunst, die von den Auswirkungen des Streits ebenfalls betroffen ist.
Vogel: Deutsche Regelung europarechtswidrig
Doch für Martin Vogel geht es weniger um die verschiedenen Konstellationen der Autorenverträge als um den Grundsatz: Verlage dürften sich prinzipiell keine Tantiemen abzweigen, die eigentlich den Urhebern zustünden.
So hatte es wohl auch die rot-grüne Bundesregierung im Sinn gehabt, die 2002 eine Regelung dazu ins Urheberrechtsgesetz schrieb (Paragraf 63a, an der der Urheberrechtler Vogel mitwirkte). 2008 wurde sie wieder umgeschrieben, die Übertragung an Verlage war wieder möglich. So könne es beim Modell der VG Wort bleiben, hieß es zur Begründung.
Vogel hält die revidierte Regelung aber für europarechtswidrig und beruft sich unter anderem auf ein weiteres Urteil, den Fall Luksan. Das neue Plädoyer von Pedro Cruz Villalón bestätige seine Position dazu voll, teilt er auf Anfrage von iRights.info mit. Denn Verlage dürften bei Kopiervergütungen nur als Treuhänder der Autoren tätig sein. „Das schließt eine Auszahlung an Verleger für eigennützige Zwecke aus“, so Vogel. „Sollte der EuGH den Anträgen des Generalanwalts folgen, wäre schon deshalb die Revision der VG Wort vom Bundesgerichtshof zurückzuweisen.“
VG Wort: Verlagsvergütung trotzdem „im Grundsatz“ erlaubt
Die VG Wort findet im Plädoyer ebenfalls manche Aussage, die ihre Position stützt. Schlussfolgerungen von der belgischen Rechtslage auf den deutschen Streit seien zwar schwierig, „allerdings ist festzuhalten, dass der Generalanwalt im Grundsatz eine Vergütung der Verlage für zulässig hält“, so eine Sprecherin auf Anfrage von iRights.info.
Doch wie kommt die VG Wort auf diese Aussage? Immerhin heißt es im Plädoyer, Verlage könnten „grundsätzlich nicht Begünstigte“ sein. Sie verweist darauf, dass der Generalanwalt den EU-Ländern einen „weiten Gestaltungsspielraum“ zuspricht – etwa wie hoch die Kopierabgaben sein sollen. Gemeint ist wohl: Wenn auch Verlage für die Kopien vergütet werden, muss das im Prinzip nicht automatisch zum Nachteil der Urheber gehen. Hinter den Verlegertantiemen müsste nur ein eigener Anspruch stehen. Dazu berief sich die VG Wort bislang unter anderem auf ihre Satzung und die Verteilungspläne – die Vogel jedoch für rechtswidrig hält.
Die VG Wort will jedenfalls erst einmal abwarten, wie der EuGH entscheidet. Vielleicht kommt dann tatsächlich alles noch ganz – oder ein wenig – anders. Das Plädoyer des Generalanwalts hat Gewicht, aber die Richter können auch anders urteilen. Und der Bundesgerichtshof muss noch seine Schlüsse daraus ziehen.
1 Kommentar
1 Ilja Braun am 19. Juni, 2015 um 23:36
Hallo David,
schöne Übersicht, vor allem das „Grundsätzlich nein, aber ja, sofern“. Übrigens würde ich argumentieren, dass die zweite Bedingung schlicht nicht erfüllt ist: Es gibt hier keine entsprechende gesetzliche Regelung, selbst wenn sie EU-rechtlich zulässig wäre. Genau darum rufen sie ja jetzt nach dem Gesetzgeber, der ihnen ihre bis dato rechtswidrige Praxis zu Lasten der Autoren für die Zukunft legitimieren soll. Und was steht dazu wohl im Entwurf für die Umsetzung der VG-Richtlinie?
Beste Grüße
Ilja
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