Fundstücke zur Kreativwirtschaft
Der digitale Kinofilm kommt nicht recht in Fahrt, bei Viacom rockt es und Sony-BMG will ausnahmsweise lieber verhandeln als verklagen. Hier die neuesten Fundstücke zur Kreativwirtschaft…
Digitalkino: Die Zukunft kommt später
Seit etlichen Jahren steht der Durchbruch (Spiegel Online vom 25.6.2007) des Digitalkinos „unmittelbar bevor“, jedenfalls wenn man den großen Hollywood-Filmstudios, den Kinoausrüstern und Filmverleihern Glauben schenkt. Daß es dann doch immer noch etwas länger dauert, ist nicht zuletzt den Kosten geschuldet. Die Umstellung ist teuer, sehr teuer. Zwar sind mittlerweile die Preise für die Geräte gefallen, aber immer noch muß man pro Kinosaal mit Kosten von ca. 60.000-100.000 Euro für die notwendige Projektionstechnik rechnen, wenn diese DCI-konform sein soll.
DCI ist das Kürzel der von den großen Hollywoodstudios getragenen Digital Cinema Initiative, die Anfang März Version 1.2 ihrer umfangreichen Spezifikation für die digitale Projektionstechnik inklusive digitalem Rechte-Management (DRM) vorgelegt hat. (Wer mehr dazu wissen will, könnte sich zum Beispiel meinen Artikel „Digital Cinema Initiative und Digital Rights Management“ in der FKT, 60. Jg., Nr. 4 (2006), S. 179-184, zu Gemüte führen oder sich anderswo im Internet kundig machen.)
Für Hollywood ist D-Cinema gemäß DCI die Zukunft, aber die Zukunft läßt auf sich warten. Laut dem Hollywood Reporter sind in Nordamerika gerade einmal 5.000 von 39.000 Kinosälen mit der notwendigen Digitaltechnik ausgestattet. Von den genannten 5.000 verfügen darüber hinaus lediglich 1.000 über die Fähigkeiten zur Projektion digitaler 3D-Filme. (Die 3D-Zukunft wird also noch viel länger auf sich warten lassen.) In anderen Ländern und Weltengegenden, nicht zuletzt in Indien, Heimat der weltgrößten Filmindustrie, setzen die Kinobetreiber überdies wegen der Kosten gleich ganz auf andere, billigere Standards.
Den größten Vorteil durch die Digitalisierung der Kinosäle haben ohnehin die Studios und Filmverleiher, die die anfallenden Kosten aber am liebsten auf die Kienobertreiber abwälzen wollen – so weit es geht. Für Studios und Verleiher bedeutet Digitalisierung weniger Aufwand bei der Herstellung und dem Vertrieb von Filmkopien sowie bessere Kontrolle über die tatsächliche Nutzung der Filme. Die Kinobetreiber sind verständlicherweise davon, daß sie die Kosten schultern sollen, wenig begeistert. Sie fordern finanzielle Unterstützung in größerem Umfang als die Studios und Verleiher derzeit leisten wollen. Folglich kommt der Umstieg auf die neue Digitaltechnik im Kino nur langsam voran.
Mit der Etablierung von Blu-ray als neuem hochauflösenden (HD-) Standard im Heimkino, billigeren HD-fähigen Projektoren und dem weiteren Ausbau von „Triple-play“ (Wikipedia) in Breitbandnetzen erwächst dem Digitalkino in schnellem Tempo eine weitere Konkurrenz. Gut möglich, daß so das digitale Heimkino in absehbarer Zeit das digitale Kino zu einem Nischendasein verdammen wird.
Plattenfirmen klagen, Sony-BMG verhandelt
Zu einer anderen Branche der „Kreativwirtschaft“, der Musikindustrie. Von dort sind – wen wundert’s – weitere Klagebotschaften zu vernehmen. Die Recording Industry Association of America (RIAA) verklagt (via CNET) mal wieder die Zukunft, diesmal in Form des Project Playlist. Der Vorwurf lautet auf „unerlaubte Vervielfältigung“ urheberrechtlich geschützter Musik. Der Haken dabei: Project Playlist speichert und verbreitet keine Musik sondern lediglich Links auf Musik (also ähnlich wie der BitTorrent-Tracker The Pirate Bay, dessen Betreiber in Schweden ja ebenfalls wegen Urheberrechtsverletzungen angeklagt worden sind). Nach eigener Aussage zahlt Project Playlist Urheberrechtsabgaben an die Verwertungsgesellschaften „ASCAP, BMI und SESAC“ in den USA, die ihrerseits Gegenseitigskeitsabkommen mit den Verwertungsgesellschaften in praktisch allen anderen Ländern geschlossen haben.
Überraschenderweise hat sich Sony-BMG der RIAA-Klage (bisher) nicht angeschlossen. Laut einem Bericht bei CNET verhandelt Sony-BMG stattdessen mit Project Playlist. In einer anderen Meldung (bei DRM Watch) verlautete, daß Sony-BMG „mehr als 250.000 Titel aus dem eigenen Katalog an die Website we7.com mit Sitz in Großbritannien lizenziert hat“. We7.com bietet kostenlose Musik, die durch vor jedem Titel eingeblendete Werbung finanziert wird. (Wer statt Werbung zu hören lieber zahlen will, kann die Titel bei we7.com auch kostenpflichtig erwerben.) Kann es sein, daß das Sony-BMG-Management am Ende etwas über die Zukunft der digitalen Musik verstanden hat?
Lohnende Lizenzen
Lizenzieren statt Klagen scheint wohl der bessere Weg zu sein. Jedenfalls weisen darauf neue Zahlen der britischen Verwertungsgesellschaft Performing Right Society (PRS) hin. Dort sind die Lizenzeinnahmen laut The Guardian im ersten Quartal des laufenden Jahres um mehr als 30 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gestiegen, auf satte 110 Millionen Britische Pfund (etwa 140 Millionen Euro). Das Geld wird an die Urheber – Komponisten und Liedtexter – sowie andere Rechteinhaber (Musikverlage) ausgeschüttet werden. Die Einnahmen stammen vom Fernsehen, Radiosendern, Geschäften, Bars, Hotels „und anderen kommerziellen Einrichtungen, die Musik spielen“.
Auch Computerspiele haben sich zu einer reichlich sprudelnden Einnahmequelle im Musikgeschäft entwickelt. Besonders der Megahit „Rock Band“ kurbelt die Nachfrage nach Musik an. So stieg der Quartalsumsatz des Geschäftsbereichs Media Networks von Viacom (dem Konzern gehört „Rock Band“) um 16 Prozent auf knapp über 2 Milliarden US-Dollar. Laut Washington Post schreibt Viacom das Umsatzwachstum wesentlich dem Erfolg von „Rock Band“ zu.
Musikströmer müssen zahlen
Schließlich darf sich die US-Verwertungsgesellschaft ASCAP auf 100 Millionen US-Dollar Mehreinnahmen freuen. Zahlen müssen Yahoo, AOL und RealNetworks, weil sie sieben Jahre lang Musik ins Internet verströmt („gestreamt“) haben, ohne die Urheber – Komponisten und Liedtexter – sowie andere Rechteinhaber (Musikverlage) dafür zu entschädigen. Das hat ein US-Bezirksrichter am 30. April so entschieden. Die von ASCAP ursprünglich geforderten Prozente vom Umsatz der Musikströmer hatte der zuständige Richter William Conner allerdings als etwas zu hoch befunden und durch selbst kalkulierte Sätze ersetzt, die etwas niedriger ausfallen. Unterm Strich liegen die Sätze jetzt im hohen einstelligen Prozentbereich, hat Ars Technica ausgerechnet.
Preiswerte Journalisten?
Last but not least gibt es einen neuen Preis für Journalisten, ausgelobt vom EU-Parlament:
“Are you a European journalist covering the European Union and attempting to explain to people what happens in Strasbourg and Brussels? If this is you then you are eligible to enter a new Journalism Prize launched this year by the European Parliament. Divided into four categories of print, radio, TV and internet journalism – the winners will each receive €5,000. To enter all entries must be published between 1 May 2007 and 30 April 2008. The winner will be announced in October.”
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