VG Wort will im Herbst über Nachzahlung für Autoren entscheiden
„Es wird ganz sicher zu Nachausschüttungen an Autoren kommen, das ist gar keine Frage. Das BGH-Urteil ist eine rechtskräftige Entscheidung, die wir umzusetzen haben“, sagte VG-Wort-Geschäftsführer Robert Staats am Freitag.
In Berlin hatte die Verwertungsgesellschaft zur Versammlung der Wahrnehmungsberechtigten geladen. Wahrnehmungsberechtigte sind die Autoren und Verlage, die mit ihr einen Vertrag geschlossen haben, um Geld aus der Kopiervergütung zu erhalten. Doch im April hatte der Bundesgerichtshof die pauschale Ausschüttung an Verleger gekippt.
Kopiervergütung: VG Wort darf nicht pauschal an Verlage ausschütten
Wenn die VG Wort Vergütungen fürs Kopieren verteilt, darf sie das Geld für Autoren nicht schmälern, indem sie pauschal die Hälfte an Verlage überweist. Der Verteilungsplan der Verwertungsgesellschaft ist damit hinfällig. Das hat der Bundesgerichtshof heute entschieden. » mehr
Auf der Versammlung saß den etwa 200 anwesenden Teilnehmern ein Podium aus den drei VG-Wort-Vertretern Lutz Franke, Robert Staats, Rainer Just sowie Martin Küppers vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) gegenüber, der zuständigen Aufsichtsbehörde. Die VG-Wort-Führung kündigte an, dass Verwaltungsrat und Vorstand einen Handlungsplan erarbeitet hätten. Diesen Plan soll die am heutigen Samstag ebenfalls in Berlin tagende Mitgliederversammlung der VG Wort beschließen, die Versammlung der Stimmberechtigten.
Dem Plan zufolge will die VG Wort Nachausschüttungen an Autoren veranlassen, von den Verlagen Vergütungen zurückfordern, ihren Verteilungsplan umbauen und ihre Satzung ändern. Wann und wie genau das passiert, sollen zwei außerordentliche Mitgliederversammlungen beschließen, die für den 10. September und den 26. November geplant sind.
Bei diesen beiden Sitzungen soll es um „Korrekturen der Vergangenheit“ und Änderungen für die Zukunft der Verwertungsgesellschaft gehen. Für das Jahr 2012 hatte die VG Wort bereits beschlossen, Geld von Verlagen zurückzufordern.
Streitpunkt Rückforderung und Verjährung
Ein anwesender Autor wollte es genauer wissen, und fragte, ab wann Ansprüche verjährt sind, um das fälschlich an Verleger ausgeschüttete Geld zurückzufordern. Weiter fragte er, ob die vergangenen drei oder die letzten zehn Jahre berücksichtigt würden. Außerdem tauchte die Frage auf, ob Nachzahlungen verzinst sein würden, um den Autoren entgangene Zinsen für nicht erhaltene Ausschüttungen zu kompensieren.
Laut VG-Wort-Geschäftsführer Robert Staats prüft eine Frankfurter Kanzlei derzeit die Verjährung. Ob in den Nachzahlungen Zinsen enthalten seien, ließ er offen. Auch darüber würden die kommenden Mitgliederversammlungen zu entscheiden haben, wenn sie über die Rückabwicklung und neue Verteilungspläne berieten.
Staats: VG Wort hat richtig gehandelt
In der über zwei Stunden andauernden Frage- und Diskussionsrunde kam es immer wieder zu heftigen Wortgefechten, lauten Zwischenrufen und Beifallsbekundungen für einzelne Wortbeiträge.
Auf die Frage eines Literaturübersetzers, ob sich Verwaltungsrat und Vorstand der VG Wort bei den Autoren dafür entschuldigen wollten, dass sie rechtswidrig Geld an Verlage verteilt hätten, antwortete Staats: „Ja, wir haben uns zu entschuldigen, nämlich dafür, dass für Mitglieder und Wahrnehmungsberechtigte eine äußerst ungünstige Situation entstanden ist.“ Das blieb zweideutig. [Update, 7.6.2016]: Zudem entschuldigte er sich dafür, dass über Jahrzehnte bei der VG Wort ein System vorgelegen habe, das der BGH für unrechtmäßig halte. Dies sei eine äußerst unglückliche Entscheidung für Autoren und Verleger. (Siehe Artikel auf Uebermedien.de)
Mehrfach betonte Staats, dass die Lage und das BGH-Urteil für den Vorstand nicht vorhersehbar gewesen sei. Aus seiner Sicht hat die im Januar 2008 in Kraft getretene Änderung am Urheberrechtsgesetz ausdrücklich zugelassen, die Verleger pauschal zu beteiligen und das Geld an sie auszuschütten.
Aus dieser Überzeugung heraus sei man gegen Martin Vogel, der gegen die Verlagsausschüttung klagte, durch alle Instanzen gegangen und habe dafür immer wieder externe juristische Hilfe in Anspruch genommen. Dadurch seien der VG Wort Verfahrenskosten von rund einer Million Euro entstanden, erklärte Staats.
Der unter den Teilnehmern anwesende Martin Vogel erklärte, das Verfahren habe ihn etwa 8.000 bis 9.000 Euro gekostet. Staats verwies darauf, dass für Vogel der Streitwert von ein paar tausend Euro maßgeblich gewesen sei, die VG Wort aber sämtliche Ausschüttungen an Autoren und Verlage habe berücksichtigen müssen, die jährlich hunderte Millionen Euro betragen. Daher seien für die externe juristische Beratung hohe Kosten entstanden.
Haftung bei Forderungsausfall unklar
Ein Teilnehmer wollte zudem wissen, wer dafür haftet, wenn Verlage den Rückforderungen nicht nachkommen könnten, weil sie das Geld nicht mehr haben oder insolvent sind. Doch Martin Küppers, der Vertreter der DPMA-Aufsicht, gab darauf keine konkrete Antwort.
Ein Haftungsfall sei noch nicht eingetreten, generell könne die VG Wort nur das Geld verteilen, das sie habe. Sollte die Verwertungsgesellschaft selbst insolvent gehen, würde am Ende die Konkursmasse von einem Insolvenzverwalter verteilt, hieß es dazu von einem Teilnehmer. DPMA-Vertreter Küppers kündigte an, die Aufsichtsbehörde wolle die Folgen des BGH-Urteils in den kommenden Monaten prüfen und wenn nötig weitere Schritte einleiten.
VG Wort mit oder ohne Verleger?
Weitere Diskussionen drehten sich um die Frage, ob und wie sich die Verwertungsgesellschaft reformieren muss und ob Verlage überhaupt darin vertreten sein und mitbestimmen sollten. Staats bemerkte, dass der BGH die Verlegerbeteiligung nicht generell verboten habe, sondern nur das von der VG Wort bislang praktizierte Modell.
Er verwies auf die Satzungspräambel der Verwertungsgesellschaft, nach der die VG Wort eine Verwertungsgesellschaft von Urhebern und Verlegern sei. Der Konsens darüber sei seit Gründung der VG Wort immer wieder bestätigt worden. Eine Mitgliederversammlung könne das Modell grundsätzlich aber auch ändern.
Gesetzgeber soll es richten
Staats verwies auch darauf, dass sich der VG-Wort-Vorstand darum bemühe, den Gesetzgeber zu bearbeiten, um die Beteiligung der Verleger am Geld aus der Kopiervergütung neu zu regeln. Auf Nachfrage eines Teilnehmers bejahte er, einen entsprechenden Auftrag der VG-Wort-Mitglieder dazu zu besitzen und leitete diesen ebenfalls aus der Satzung ab.
Als erste Erfolge dieses Bemühens wertete Staats ein Schreiben von Justizminister Heiko Maas und Kulturstaatsministerin Monika Grütters an EU-Kommissar Günther Oettinger, eine Stellungnahme des Bundesrats und eine von SPD und CDU/CSU getragene Entschließung des Bundestag, die weitere Verlegerbeteiliung zu prüfen. Obwohl es dazu einer EU-weiten Regelung bedürfe, sei auch eine schnelle Regelung auf nationaler Ebene erforderlich, so Staats.
Update, 7.6.2016
Auf der Mitgliederversammlung der VG Wort, die am Samstag ebenfalls in Berlin stattfand, erklärte der Vorstand, dass die im Jahr 2016 anstehenden Ausschüttungen an Autoren bis auf Weiteres nach bisherigem Verteilungsplan ausgezahlt würden, allerdings als vorläufige Abschlagszahlungen.
Zudem würden, wie auch eine gestern veröffentlichte Presseinformation der VG Wort (PDF) informiert, sowohl die Verlage als auch die Verbände der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger vorerst keine Vergütungen erhalten. Hierüber müssten die Sonderversammlungen im September und November entscheiden.
Zudem beschloss die Mitgliederversammlung einen Appell an die politisch Verantwortlichen (PDF), sie mögen „rasch und wirksam dafür sorgen, dass die bisherige Struktur der VG Wort, also die gemeinsame Rechtewahrnehmung, weiterhin möglich bleibt.“ Urheber und Verleger seien entschlossen, „den gegenwärtigen und kommenden Herausforderungen“ des digitalen Wandels gemeinsam zu begegnen.
3 Kommentare
1 Ingo Herzke am 6. Juni, 2016 um 10:07
Ich bin Literaturübersetzer und als solcher natürlich betroffen – d.h., ich gehöre auch zu den Urhebern, denen bei den Ausschüttungen nach BGH-Urteil Anteile vorenthalten wurden. Ich bin aber der Ansicht, dass die VG Wort an sich eine sehr wichtige und erhaltenswerte Einrichtung ist, der im Augenblick angesichts dieser Zerreißprobe die Gefahr des Scheiterns droht.
Vor diesem Hintergrund war ich empört, von einer bei der Versammlung anwesenden Kollegin zu erfahren, dass die von Ihnen erwähnten »heftigen Wortgefechte und lauten Zwischenrufe« fast vollständig von einem (oder mehreren) bezahlten Lobbyisten vom Zentralverband Informationstechnik und Computerindustrie e.V. (ZItCo) und der BITKOM intiiert wurden, denen offensichtlich daran gelegen sein muss, die VG Wort handlungsunfähig zu machen. Langsam frage ich mich, ob nicht womöglich der Kläger Professor Vogel selbst aus dieser Richtung finanziert wurde …
2 Ilja Braun am 6. Juni, 2016 um 14:23
Lieber Ingo,
die Zahl derjenigen, die sich kritisch geäußert haben, war überschaubar: im Wesentlichen Martin Vogel, Urs Verweyen von KV Legal und meine Wenigkeit. Das darf man offen sagen, da zumindest die Versammlung der Wahrnehmungsberechtigten öffentlich war. Wem von uns dreien unterstellst Du, bezahlter Lobbyist von ZItCo oder BITKOM zu sein?
Besten Gruß
Ilja
3 Martin Adler am 7. Juni, 2016 um 22:18
“Rechtsanwalt und Attorney at Law (NY) Dr. Urs Verweyen, LL.M. (NYU), war von 2006 bis 2011 Rechtsanwalt und zuletzt Partner mit Schwerpunkt Prozessführung (Litigation) in den Bereichen Urheberrecht, Internet/neue Medien und IT in der Hertin Anwaltssozietät in Berlin. Zuvor war er von 1999 bis 2006 Unternehmensberater bei McKinsey & Company.
…
Seit 2009 Jahren berät und vertritt Urs Verweyen ständig den Interessenverband mittelständischer Computer- und Hardwarehersteller und -importeure, Zentralverband Informationstechnik und Computerindustrie e.V. (ZItCo), und eine Vielzahl von Herstellern, Importeuren und Händlern von PCs, Tablets, Smartphones und anderen Geräten und Speichermedien zu den urheberrechtlichen Geräte- und Speichermedienabgaben auf z.B. PCs, Tablets, Drucker, Mobiltelefone, Unterhaltungselektronik etc., und auf Leermedien wie CD- und DVD-Rohlinge, USB-Sticks und externe Festplatten; dazu führt er eine Vielzahl von Verfahren vor der Schiedsstelle Urheberrecht am DPMA, dem OLG München und dem BGH.”
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