Eine Stärkung zum Schaden der Autoren? Dossier von Ilja Braun zu VG Wort und §63a
Das „Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern“ von 2002 sollte die Urheber schützen, ihnen mehr Geld und eine bessere Verhandlungsposition verschaffen, etwa gegenüber Verlagen. Sechs Jahre später sind Teile davon so verändert, dass die Autoren schlechter dastehen als zuvor.
2002 erschien das „Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern“. Es enthielt eine neue Regelung, den Paragrafen 63a, der dafür sorgen sollte, dass die Autoren alle Einnahmen aus der Reprographie-Vergütung von der VG Wort erhalten, also den Einnahmen aus Copyshops und Abgaben der Geräteindustrie.
Die Verleger, die dadurch von der Beteiligung ausgeschlossenen worden wären, liefen beim Justizministerium Sturm, das erklärte, die Wirkung des Paragraphen sei so nicht beabsichtigt gewesen. Vertreter der Urheber und Verleger trafen sich gemeinsam im Bundesjustizministerium und verständigen sich darauf, den Paragraphen gemeinsam neu zu formulieren. Nach Jahre langem Hin und Her trat schließlich der revidierte Paragraf 63a am 1. Januar 2008 in Kraft. Für die Autoren bedeutet er eine Verschlechterung gegenüber der Lage vor der Reform des Urhebervertragsrechts.
Der vorliegende Text dokumentiert diese Entwicklung mit zahlreichen Belegen:
- Warum erklärte die Bundesregierung nur wenige Monate nach Inrafttreten des „Stärkungsgesetzes“, der darin enthaltene Paragraf 63a entspreche nicht ihren Absichten?
- Wie hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Einfluss auf die Stellungnahmen des Bundesjustizministeriums genommen?
- Warum weigerte sich die VG Wort, ihre Verteilungspläne den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend zu ändern – zugunsten der Autoren?
- Was verabredeten Gewerkschaftsvertreter und Verlegeranwälte seinerzeit hinter den verschlossenen Türen des Bundesjustizministeriums?
- Warum kritisiert die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ in ihrem Schlussbericht, dass die staatliche Aufsicht der Verwertungsgesellschaften ihre Pflicht nicht ausreichend erfülle?
- Warum hat der Urheberrechtler Martin Vogel, Mitautor des sogenannten „Professorenentwurfs“ zum Stärkungsgesetz, sich in einer Petition an den Deutschen Bundestag gewandt?
- Verstößt die VG Wort zu Lasten der Autoren gegen das Treuhandprinzip?
- Warum muss, wie es in einer Presseerklärung des Justizministeriums vom 29. Dezember 2008 heißt, „die demokratische Teilhabe der Kreativen an den Entscheidungen ihrer Verwertungsgesellschaft optimiert und allgemein die Transparenz erhöht werden“?
Für das vorliegende Dossier befragte der Journalist und Übersetzer im Auftrag von iRights.info – Urheberrecht in der digitalen Welt Ilja Braun zahlreiche Beteiligte: die Urheberrechtler Thomas Dreier, Thomas Hoeren, Martin Kretschmer, Gernot Schulze, Martin Vogel und Reto Hilty, die Verbandsvertreter Gerlinde Schermer-Rauwolf, Wolfgang Schimmel und Christian Sprang, Vertreter der VG Wort und des Justizministeriums. Und zeichnet nach, wie die Verlage ihre Interessen durchsetzen konnten – zulasten der Autoren.
Ilja Braun: Geliebte Apfelbäume (PDF, 376 kb)
Außerdem Ilja Brauns Artikel, der heute dazu in der Süddeutschen erscheinen ist: Gesetz des Stärkeren. Warum ein Urheberrechtler gegen die VG Wort klagen will
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3 Kommentare
1 Martin Hufner am 21. Januar, 2009 um 18:25
Ausgezeichnet! Und was für eine Sache.
Nur zwei Nachfragen zum Dossier: Würde sich die durchschnittliche Ertragssituation der Autoren durch eine 100% Regelung wesentlich verbessern? Prozentual ja, aber doch nicht so sehr absolut.
Leistungsschutzrechte für Verlage fände ich auch ganz prima. Aber droht da nicht dann auch das Spielballsystem, die Dauer der Anwendung wird doch im Musikbereich diskutiert und Wunsch wären 90 Jahre.
Und in dem Zusammenhang wird mir auch klar, warum die VG Wort so vehement gegen Google vorgehen will und dies mit den ulkigsten Formulierungen macht; nämlich die Verlage selbst als Urheber einzusetzen.
Was sagen Sie dazu?