Urheberrechte, die unter die Haut gehen
Über manches Tattoo sollte man lieber zweimal nachdenken. Oder zumindest nüchtern sein: Im Hollywood-Film „Hangover 2“ lässt sich einer der Darsteller unter Einfluss verschiedener Substanzen ein Tattoo um das linke Auge stechen. Das Tattoo im Maori-Design ziert in der realen Welt das Gesicht des Boxers Mike Tyson, der selbst in dem Film mitspielt. Gegen die Verwendung des Gesichtstattoos im Film klagte der Tätowierer, der das Tattoo für Mike Tyson entworfen und gestochen hatte – und berief sich auf eine Urheberrechts-Verletzung.
Urheberrechte an Tattoos: Es kommt auf die Schöpfungshöhe an
Der nach US-amerikanischer Urheberrechtslage zu beurteilende Fall wurde mittels eines Vergleichs zwischen der Produktionsfirma Warner Brothers und dem Tätowierer beigelegt. Doch auch in Deutschland können sich urheberrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Tätowierungen stellen, etwa ob ein Tattoo kommerziell vermarktet werden darf (wie bei „Hangover 2“ in einem Film).
Dabei kommt es darauf an, ob es sich bei Tattoos um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt, das die sogenannte „Schöpfungshöhe“ erreicht: Weist das Tattoo ein gewisses Maß an Individualität und persönlicher Kreativität auf, genießt der Entwurf – wie etwa ein Kunstwerk – auch urheberrechtlichen Schutz.
Kreis, Herz oder Schnörkelmotive: Nicht jede Tätowierung fällt unter das Urheberrecht
Besonders simple Motive, etwa eine grade Linie oder ein Kreis, erreichen in der Regel nicht die erforderliche Schöpfungshöhe. Bei ihnen kann man keinen individuellen oder persönlichen Entwurf festmachen.
Gängige Motive wie Herzen, Sterne oder Schnörkellinien dürften häufig unter die Gemeinfreiheit fallen. Auch ihnen fehlt es in der Regel an der erforderlichen Schöpfungshöhe. Etwas anderes kann dann gelten, wenn beispielsweise ein Herz kunstvoll verziert oder mit anderen Motiven kombiniert wird.
Grundsätzlich gilt: Je individueller ein Entwurf, desto eher ist er urheberrechtlich geschützt. Dabei ist die Messlatte gar nicht so hoch anzusetzen. Schon einfache individuelle Zeichnungen genießen urheberrechtlichen Schutz, denn in Deutschland gelten niedrige Hürden für die Schöpfungshöhe (sogenannte „kleine Münze“).
Entscheidend sind die genauen Umstände: Ist der Tattoo-Entwurf selbst eine Kopie eines bereits bestehenden Werkes oder einer Grafik, besteht das Urheberrecht schon an diesem zeitlich vorgelagerten Werk. Das Tattoo ist dann als bloße Kopie eines anderen Werkes nicht selbst geschützt.
Fotos von Personen im Internet veröffentlichen
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Lizenzbedingungen bei Tattoos – häufig nur mündlich vereinbart
Genießt ein Werk urheberrechtlichen Schutz, kann es grundsätzlich nur mit Erlaubnis des Urhebers oder der Rechteinhaberin genutzt werden. Urheber*in des Tattoos ist dabei immer die Person, die den Entwurf gemacht hat (und diesen häufig dann auch unter die Haut bringt).
Tätowierer*innen dürfen ihre Entwürfe daher auch beliebig oft verwenden und verschiedenen Kund*innen stechen. Etwas anderes gilt nur, wenn zugesichert wurde, dass ein Tattoo nur für eine bestimmte Person entworfen wurde (Exklusivvertrag). Hat der Kunde oder die Kundin am Tattoo-Entwurf mitgearbeitet, kann auch eine Miturheberschaft in Betracht kommen.
Die tätowierte Person erhält Nutzungsrechte an dem Tattoo. In den seltensten Fällen werden diese Rechte aber schriftlich festgehalten. Das ist auch nicht erforderlich. Es reicht, wenn sich Tätowierer*in und Tätowierte*r mündlich einig werden. Davon ist in der Regel auszugehen; andernfalls würde das Tattoo nicht auf der Haut der tätowierten Person landen.
Welche Nutzungsrechte allerdings von einer solchen mündlichen Vereinbarung umfasst sind, ist eine Frage der Auslegung. Nur selten sprechen die Parteien im Tattoostudio darüber explizit. Besteht keine explizite Vereinbarung, ist davon auszugehen, dass ein gestochenes Tattoo diejenigen Nutzungen erlaubt, mit denen Tätowierer*innen heute rechnen müssen.
Nutzungen durch Selfies und soziale Medien
Dabei spielt auch eine Rolle, dass Tätowierungen permanent sind und mit dem Körper eine untrennbare Einheit bilden. Wegen dieser engen Verbindung gehen auch die Nutzungsrechte in der Regel so weit, wie grundsätzlich die Autonomie über den eigenen Körper reicht.
Das bedeutet: Tätowierte dürfen sich mit ihren Tattoos fotografieren lassen und diese Fotos etwa in sozialen Medien veröffentlichen. Die Nutzung sozialer Medien, Selfies und das Posten privater Schnappschüsse ist mittlerweile weit verbreitet und Tätowierer*innen müssen mit diesen Nutzungsformen der Veröffentlichung rechnen.
Kommerzielle Nutzung nicht ohne weiteres erlaubt
Anders kann es dann sein, wenn das urheberrechtlich geschützte Tattoo ohne die Erlaubnis des*r Künstler*in kommerziell vermarktet wird. So kann es unzulässig sein, das Tattoo-Motiv auf Kleidung zu drucken und anschließend gewinnbringend zu verkaufen. Oder ein Buch mit Detailaufnahmen von Tätowierungen zu veröffentlichen und zu verkaufen. Denn anders als bei Fotografien der Träger*innen ist eine solche Nutzung in der Regel losgelöst vom Körper.
Auch andere Tätowierer*innen müssen Lizenzbedingungen von Tattoos beachten. Individuelle Motive von Konkurrent*innen dürfen nicht einfach ohne Erlaubnis kopiert werden. Auch dann nicht, wenn sie im Internet veröffentlicht werden.
Tätowierungen von Zitaten, Gedichten und Logos
Ist der Entwurf wie bei einem Zitat oder einem Gedicht bereits anderweitig urheberrechtlich geschützt, gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie bei Grafiken und Bildern: Auch hier bedarf es der Erlaubnis der Urheberin oder des Rechteinhabers.
Die Voraussetzungen der Zitierfreiheit greifen bei einem Tattoo in der Regel nicht: Denn das Zitat darf nicht einfach so übernommen werden, sondern muss einen Zweck erfüllen. Wer zitiert und sich auf die Zitatfreiheit beruft, muss damit also beispielsweise die eigene vertretene Auffassung untermauern wollen und sich mit dem zitierten Werk geistig auseinandersetzen.
Aber auch hier kann die Gemeinfreiheit weiterhelfen: Da das Urheberrecht an geschützten Werken 70 Jahre nach dem Tod der Urheberin oder des Urhebers erlischt, kann sich jede*r ein Zitat von Schiller oder eine Notenzeile von Mozart tätowieren lassen.
Bei Logos gelten andere Regeln. Sie sind häufig durch das Markenrecht geschützt, welches aber nur vor unerlaubten gewerblichen Verwendungen schützt. Die Tätowierung einer Privatperson dürfte also zulässig sein.
Tätowieren in Theorie und Praxis
Soweit die Theorie. In der Praxis kommt nur selten zu Rechtstreitigkeiten wegen Tätowierungen. Viele urheberrechtliche Fragestellungen beschäftigen daher eher die Theorie als die Gerichte.
Die meisten der gerichtlichen Streitigkeiten fallen nämlich in den Bereich des Dienst- und Arbeitsrechts. Früher war es etwa Polizist*innen untersagt, offen sichtbare Tattoos zu zeigen. Dagegen klagten immer wieder Bewerber*innen, die wegen ihrer Tätowierungen abgelehnt worden waren. Die Gerichte sehen Tattoos mittlerweile nicht mehr als zulässiges Ablehnungskriterium.
iRights.info informiert und erklärt rund um das Thema „Urheberrecht und Kreativität in der digitalen Welt“.
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2 Kommentare
1 Schmunzelkunst am 31. Juli, 2022 um 14:04
Siehe auch: https://www.fotocommunity.de/forum/gesetze-vertrage-agenturen/fotos-als-vorlagen-fuer-tattoos—359763
Dort vertrete ich in Beitrag 12 die Meinung, dass seit der UrhG-Novelle von 2003 selbst ein gegen Entgelt nach einer urheberrechtlich geschützten Vorlage gefertigtes Tattoo i.d.R als erlaubte Privatkopie durchgeht. Das war vorher nicht so, weil damals generell Kopien von Werken der bildenden Künste nur hergestellt werden durften, wenn dies unentgeltlich erfolgte … Man darf mit einem urheberrechtlich geschützten Tattoo auf der Glatze auch ohne Mütze in der Öffentlichkeit herumlaufen … Selbst eine Raubkopie darf öffentlich zur Schau gestellt werden, aber nicht über den privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch hinaus vervielfältigt und verbreitet werden.
2 Andrea am 14. August, 2022 um 12:27
Wäre ich ein Tätowierer, würde ich jedes meiner einzigartigen Werke urheberrechtlich schützen lassen. Ich möchte nicht, dass alle anderen meine Arbeit kopieren.
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