Plagiat vs. Zitat: Was es bei der Übernahme fremder Gedanken zu beachten gilt
„Plagiat“ ist streng genommen kein juristischer Begriff, das Wort taucht im Urheberrechtsgesetz nicht auf. Doch auch wenn es kein abgesichertes juristisches Verständnis vom „Plagiat“ gibt, so herrschen einige gesellschaftliche oder wissenschaftliche Konventionen, was darunter zu verstehen ist. Außerdem kann ein Plagiat in manchen Fällen zusätzlich eine Urheberrechtsverletzung darstellen, wie im Folgenden näher erklärt wird.
Der Duden versteht unter einem „Plagiat“ die „unrechtmäßige Aneignung von Gedanken, Ideen o. Ä. eines anderen auf künstlerischem oder wissenschaftlichem Gebiet und ihre Veröffentlichung“. Man könnte auch sagen: Wenn man plagiiert, dann maßt man sich für einen Text, ein Kunstwerk oder eine andere kreative Sache die Autorschaft einer anderen Person an. Man schmückt sich mit fremden Federn.
Das hat zur Folge, dass die Leserin eines Textes nicht einschätzen kann, ob das Gedankengut auch von dem Autor stammt, der für diesen Text angegeben wird. Mithilfe von Zitaten hingegen kann der Autor genau zeigen, was von ihm selbst stammt – und was er woanders gelesen hat.
Plagiat: Anmaßung fremder Autorschaft
In den letzten Jahren gab es immer wieder Aufsehen wegen Plagiaten. Bei einigen Politiker*innen stellte sich etwa heraus, dass diese beim Verfassen von wissenschaftlichen Schriften nicht sauber gearbeitet und fremde Textstellen nicht als solche gekennzeichnet hatten: Beispielsweise vor rund zehn Jahren beim Unionspolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg, der wegen des Plagiatsskandals bei seiner Doktorarbeit von seinem Ministerposten zurücktrat.
Bei Guttenberg urteilte die Kommission, die sich mit der Prüfung seiner Arbeit befasst hatte, dass der Autor „die Standards guter wissenschaftlicher Praxis evident grob verletzt und hierbei vorsätzlich getäuscht hat.“ Das heißt: Guttenberg verstieß in besonders gravierender Weise gegen die geltenden Zitierregeln der Universität und des Wissenschaftsbetriebs. Er gab fremde Texte beziehungsweise Textteile als seine eigenen aus, verschwieg Quellen und machte an vielen Stellen in seiner Arbeit nicht deutlich, welche Gedanken von ihm selbst stammten – und welche aus fremder Feder.
Plagiat vs. Zitat
Guttenberg war sicherlich ein krasser Fall. Trotzdem sind die Zitierregeln beim wissenschaftlichen Arbeiten genau zu beachten. Fremde Textstellen müssen über Anführungszeichen als Zitate markiert und damit vom eigenen Text abgesetzt werden; dazu gehört eine Quellenangabe, die Informationen, aus welchem Buch der zitierte Text stammt und wer ihn verfasst hat (zum Beispiel in einer Fußnote oder im Literaturverzeichnis).
Auch bei der Politikerin Annalena Baerbock, in deren Buch „Jetzt“ Passagen aus fremden Quellen entnommen wurden, wird darum gestritten, ob es sich dabei schon um ein Plagiat handelt oder nicht. In Baerbocks Buch sind einige Textstellen zu finden, die aus anderen Quellen stammen und nicht als Fremdübernahmen gekennzeichnet sind.
Allerdings befinden sich unter den beanstandeten Textstellen auch solche, in denen lediglich Sachinformationen wiedergegeben werden: Zum Beispiel eine Aufzählung der drei höchsten Holzhochhäuser der Welt – eine Sachinformation, für die sich eigentlich keine Autorschaft behaupten lässt. Daher sollte der Fall Baerbock mit Vorsicht betrachtet werden.
Gänsefüßchen gehören dazu
Nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch außerhalb davon gibt es Konventionen, um Gedankengut anderer zu übernehmen und als solches zu kennzeichnen. Journalist*innen etwa arbeiten mit deutlich markierten Zitaten, damit klar ist, welche Aussage zu welcher Person gehört. In schriftlichen Medien funktioniert das Zitieren in der Regel problemlos, unter anderem weil das Setzen von Anführungszeichen (umgangssprachlich: „Gänsefüßchen“) hier zur Praxis gehört.
Anders sieht es zum Beispiel in der (Pop-)Musik aus. Dort sind die Regeln, was noch ein Zitat oder schon ein Plagiat ist (oder sogar eine Urheberrechtsverletzung), oftmals nicht ganz eindeutig beziehungsweise abhängig vom musikalischen Kontext. Das zeigen zum Beispiel die Streitigkeiten um ein Plagiat bei Led Zeppelin (iRights.info berichtete darüber hier und hier) oder der Sampling-Streit um „Metall auf Metall“, der seit Jahren die Gerichte beschäftigt).
Nicht jedes Plagiat ist eine Urheberrechtsverletzung und umgekehrt
Eine Urheberrechtsverletzung im rechtlichen Sinne liegt dann vor, wenn eine Person einen urheberrechtlich geschützten Inhalt oder ein Werk als eigenes Werk deklariert oder abändert, ohne die Urheberschaft kenntlich zu machen. Wird zwar der Urheber oder die Urheberin genannt, aber das Werk trotzdem unzulässig verwertet (etwa, weil keine Lizenzen vorliegen), liegt eine Urheberrechtsverletzung, aber kein Plagiat vor.
Umgekehrt gilt: Wer sich gemeinfreie Werke zu eigen macht, begeht keine Urheberrechtsverletzung im rechtlichen Sinne. Gemeinfrei sind Werke, an denen keine Urheberrechte bestehen, die die Nutzung dieser Werke beschränken könnten. Eine solche Handlung kann aber ein Plagiat sein, wenn sie den Eindruck erweckt, das gemeinfreie Werk entstamme der eigenen Schöpfung.
Gemeinfreiheit
Gemeinfrei sind Inhalte, die nicht oder nicht mehr urheberrechtlich geschützt sind. Jeder kann mit ihnen machen, was er will. In Deutschland endet der Schutz 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Gemeinfrei sind zum Beispiel auch Ideen, einzelne Wörter oder Töne, weil sie allein noch keine „Werke“ sind. Auch „amtliche Werke“ wie Gesetzestexte sind vom Urheberschutz ausgenommen. In Ländern wie den USA steht der Begriff „Public Domain“ für ein ähnliches Modell.
Aber auch ohne Erlaubnis der Urheber*innen oder Rechteinhaber*innen lassen sich urheberrechtlich geschützte Werke nutzen und verwenden. Das Urheberrecht sieht dafür Ausnahmen, sogenannte Schranken vor, wie etwa im Rahmen der Zitierfreiheit nach Paragraph 51 des Urheberrechtsgesetzes.
Das Gesetz stellt aber Anforderungen an ein Zitat, damit es zulässig ist: Die Nutzung des Zitats kann grundsätzlich nur zu einem bestimmten besonderen Zweck erfolgen, zum Beispiel, um den Inhalt eines anderen Werkes zu erläutern oder zu veranschaulichen. Dabei muss zudem immer der Urheber oder die Urheberin des Zitats genannt werden. Der Zweck bestimmt auch die Länge des Zitats: Es darf nur so viel zitiert werden, wie für den jeweiligen Zweck erforderlich ist.
Dieser Artikel auf iRights.info erläutert Näheres zum Zitatzweck, wie man den übernommenen Text kenntlich macht und welchen Umfang ein Zitat im Vergleich mit dem zitierenden Text haben darf. Und hier kann man sich darüber informieren, wie man das Zitatrecht am besten auf Screenshots anwendet.
Zitat und Urheberrecht: Wann ist ein Text geschützt?
Wer zitiert, also ein fremdes Werk oder einen Teil eines fremden Werkes in ein neues Werk übernimmt, übernimmt in der Regel einen Text. Aber auch in der Musik wird häufig zitiert. Texte können nach Paragraph 2 des Urheberrechtsgesetzes urheberrechtlichen Schutz genießen. Sie werden dann rechtlich als „Sprachwerke“ bezeichnet.
Allerdings werden nicht automatisch jeder Text und damit auch nicht jedes Zitat urheberrechtlich geschützt. Entscheidend ist, dass ein Text eine gewisse Schöpfungshöhe erreicht und damit als urheberrechtliches Werk gilt. Kennzeichnend dafür sind insbesondere die Merkmale der Individualität und Originalität. Das ist zweifelsfrei bei einem Roman oder einem Zeitungsartikel der Fall. Ob auch kurze Sätze oder Beiträge urheberrechtlich geschützt sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Für die reine Wiedergabe von allgemein zugänglichen Fakten etwa gilt das in der Regel nicht. Geschützt ist zudem nur die spezifische Formulierung eines Textes, nicht aber die Idee.
Ein weiteres rechtliches Erfordernis ist, dass das zitierte Werk veröffentlicht worden sein muss, was zum Beispiel bei vertraulichen Dokumenten wie Briefen nicht (immer) der Fall ist. Möchte man daraus zitieren, benötigt man abweichend von der Schranke aus Paragraph 51 des Urheberrechtsgesetzes die Erlaubnis der Verfasserin oder des Verfassers.
Schöpfungshöhe: Abgrenzung zu Alltäglichem
Keine Zitate im rechtlichen Sinne sind in der Regel sogenannte Sinnsprüche („Früher Vogel fängt den Wurm.“), die aber häufig umgangssprachlich als Zitat bezeichnet werden. Oftmals erreichen solche Aussprüche nicht die erforderliche Schöpfungshöhe, um urheberrechtlichen Schutz zu genießen.
So zum Beispiel im Fall des bekannten Spruchs „Früher war mehr Lametta“, der in einem Weihnachtssketch des Komikers Loriot fällt und zum geflügelten Wort wurde. 2019 entschied das Landgericht München, dass der Satz nicht vom Urheberrecht geschützt sei: Für sich genommen und alleine stehend sei „Früher war mehr Lametta“ nicht originell genug für urheberrechtlichen Schutz, so das Gericht.
Wo genau die Linie zwischen Schöpfungshöhe und Alltäglichem verläuft, ist oft nicht leicht zu sagen. Das Urheberrecht ist dabei eher großzügig und stellt keine besonders hohen Anforderungen an den kreativen und schöpferischen Umfang eines Werkes. So können auch einzelne Sätze urheberrechtlichen Schutz genießen.
Liegt ein Werk an der untersten Grenze der Schöpfungshöhe, kann es also gerade noch so für sich beanspruchen, eine gewisse Individualität und Originalität zu aufzuweisen, wird es als „kleine Münze“ bezeichnet. Damit fallen schon Werke mit geringem kreativem Gehalt, wie etwa Flyer oder kurze Zeitungsartikel, unter den Schutz des Urheberrechts.
Fazit
Nicht nur beim wissenschaftlichen Arbeiten, sondern generell beim Verfassen von Texten gehört es dazu, Fremdgedanken ordentlich als solche auszuweisen und sauber zu zitieren. Das ist Konvention und dient der eigenen Absicherung, um Plagiate und Urheberrechtsverletzungen zu vermeiden
Welche Textausschnitte urheberrechtlichen Schutz genießen, sollte im Einzelfall geklärt werden, denn es kann Ausnahmen geben: Manche Texte befinden sich im Bereich der Gemeinfreiheit, manche Ausschnitte erreichen aufgrund ihrer Kürze nicht die erforderliche Schöpfungshöhe.
Das Zitatrecht bietet – solange man sich an seine Regelungen hält – eine geeignete und vielfach bewährte Möglichkeit, um ohne Einholung einer Lizenz fremde Texte ausschnittsweise zu zitieren.
3 Kommentare
1 Felix am 20. Juli, 2021 um 19:08
Danke für die Ausarbeitung dieses wichtigen Themas. Gerade Webseitenbetreiber müssen sich mit jeder Menge rechtlicher Themen auseinandersetzen, um die Gefahr einer Abmahnung niedrig zu halten. Gerade für Hobbyisten darf das Risiko einer Seite nicht den Mehrwert nicht übersteigen, ansonsten droht eine weitere Kommerzialisierung und Verödung der Onlinewelt.
Daher würde mich nicht nur die Zitierfähigkeit von Texten interessieren, sondern auch dem Umgang von eingebetteten Videos, Streams, Bildern, Metadaten, etc. Aber auch hier wird es bestimmt schon viele Seiten geben, die sich mit den Themen auseinandersetzen.
2 albrecht götz von olenhusen am 21. Juli, 2021 um 08:28
sehr geehrte damen und herren,
diese übersicht zur aktuellen
plagiatsdebatte und zum urheberrechtlichen plagiat ist
aufschlussreich und eine gute handreichung. zwei momente sollten
bedacht werden: historisch gesehen
war das plagiat nicht immer eine
grenzüberschreitung, auch nicht
rechtlich. der zeitgeist sieht also
plagiate durchaus differenziert.
zudem muss im akademischen bereich
bedacht werden, dass die anforderungen hier insbes. an den
universitäten strenger sind als
im UrhG.
andererseits steht es nach wie vor
problematisch um den schutz des
sog. wissenschaftlichen eigentums.
dazu gibt es eine reiche forschung
und auch rechtspolitisch geführte
debatte.
zudem zeigt der rechtsvergleich
erhebliche differenzen auf. wenn
man etwa das englische brillante
urteil im streit um davinci code
nachliest, wird deutlich, dass sich allein schon der englische
plagiatsbegriff und die damit zusammenhängenden vorstellungen
von deutschen unterscheiden.
wenn sich die differenziertere debatte zwischen den mehr oder weniger billig erworbenen rosen
im knopfloch von prominenz und
politisch motivierten angriffen
erschöpft, geht ein teil des plagiatsdiskurses, der vielschichtig ist, allzu leicht
über bord.
mit freundlichen grüssen
prof.dr.a.götz von olenhusen
hhu, düsseldorf, 21.07.2021
3 Debora Weber-Wulff am 21. Juli, 2021 um 12:33
Zur Definition von Plagiat verwende ich gerne einen Vorschlag von Teddi Fishman. Ich habe die Definition eingedeutscht:
““Ein Plagiat liegt vor, wenn jemand
1. Wörter, Ideen oder Arbeitsergebnisse verwendet,
2. die einer identifizierbaren Person oder Quelle zugeordnet werden können,
3. ohne die Übernahme sowie die Quelle auszuweisen,
4. in einem Zusammenhang, in dem zu erwarten ist, dass eine originäre Autorschaft vorliegt,
5. um einen Nutzen, eine Note oder einen sonstigen Vorteil zu erlangen, der nicht notwendigerweise ein geldwerter sein muss.”
Fishmann, T. (2009)“We know it when we see it” is not good enough: toward a standard definition of plagiarism that transcends theft, fraud, and copyright In: Proceedings of the Fourth Asia Pacific Conference on Educational Integrity (4APCEI) 28–30 September 2009 University of Wollongong NSW Australia.
Die Hinweise auf “Gänsefüsschen” reichen aber nicht, denn es gibt gerade in der Wissenschaft viele andere Situationen, in denen ein Verweis nötig ist.
“You need to reference when you:
* use facts, figures or specific details you pick from somewhere to support a point you’re making – you report
* use a framework or model another author has devised – you acknowledge
* use the exact words of your source – you quote
* restate in your own words a specific point, finding [or] argument an author has made – you paraphrase
* sum up in a phrase or a few sentences a whole article or chapter, a key finding/conclusion, or a section – you summarize.
You don’t need to reference if you:
* believe that what you are writing is widely known and accepted by all as ‘fact’ or common knowledge in your subject.
* can honestly say, ‘I didn’t have to research anything to know that!’
But if finding it out did take effort, show the reader the research you did by referencing it.”
Kate Williams & Jude Carroll, Referencing & Understanding Plagiarism, Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2009, p. 27
Kate Williams & Mary Davis, Referencing & Understanding Plagiarism, 2nd edition, Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2017, p. 37
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