Die Panoramafreiheit: Wann darf man Gebäude fotografieren?
Die meisten Fotos, die heutzutage gemacht werden, sind Selbstporträts. Einer Studie des Verbands der IT-Branche bitkom aus dem Jahr 2021 zu Folge machen vor allem junge Leute zwischen 16 und 29 Jahren fast täglich Selfies und veröffentlichen diese anschließend in sozialen Medien. Urheberrechtlich wirft dieses Phänomen keine besonderen Fragen auf: Denn grundsätzlich darf jede*r die eigenen Fotos von sich selbst so verwenden, wie er oder sie möchte – Urheber*in und Modell fallen bei Selfies zusammen.
Sind auf einem Selfie Tätowierungen zu sehen, können sich ausnahmsweise urheberrechtliche Fragen stellen. Tattoos genießen in der Regel urheberrechtlichen Schutz. Allerdings ist auch dann eine Veröffentlichung in sozialen Netzwerken grundsätzlich erlaubt, wie dieser Text erläutert.
Fotografiert man andere Personen als sich selbst, geht es juristisch vor allem um das Recht am eigenen Bild und datenschutzrechtliche Vorgaben. Was das genau bedeutet und ob man immer eine Einwilligung der fotografierten Person braucht, darum geht es im zweiten Teil.
Gebäude als „Werke der Baukunst geschützt“
Welche Werkarten urheberrechtlich geschützt sind, legt Paragraf 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG) fest. Neben den klassischen Werkarten wie Musikstücke oder Texte zählen auch die „Werke der Baukunst“ sowie die Entwürfe dieser zum Schutzbereich. Allerdings ist das Urheberrecht für Architekturpläne und die fertigen Bauwerke – wie bei allen Werken – an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Es entsteht nur, wenn das Gebäude eine gewisse Schöpfungshöhe erreicht, also Ergebnis einer persönlich geistigen Schöpfung ist. Kennzeichnend dafür sind insbesondere die Merkmale der Individualität und Originalität.
Wo genau die Linie zwischen Schöpfungshöhe und Alltäglichem verläuft, ist oft nicht leicht zu sagen. Das Urheberrecht ist dabei eher großzügig und stellt keine besonders hohen Anforderungen an den kreativen und schöpferischen Umfang eines Werkes. So sind die meisten architektonischen Entwürfe und Bauten urheberrechtlich geschützt.
Auch Teile eines Bauwerks können urheberrechtlich geschützt sein, wenn sie die notwendige Schöpfungshöhe erreichen und ein vom Rest des Bauwerks eigenständiges Werk darstellen. Das könnte beispielsweise bei einem kunstvoll gestalteten Buntglasfenster oder einem individuell gestalteten Gartentor der Fall sein.
Fotos von Gebäuden: Von außen erlaubt
Besteht an einem Werk ein Urheberrecht, müssen andere den Urheber oder die Rechteinhaberin grundsätzlich um Erlaubnis fragen, wenn sie Fotos des Werkes veröffentlichen wollen. Denn den Urheber*innen stehen zunächst alle Bildrechte an ihren Werken zu.
Eine Einschränkung von diesem Grundsatz macht die sogenannte Panoramafreiheit (Paragraf 59 UrhG): Sie erlaubt es, „Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden“ ohne Genehmigung zu fotografieren oder aufzunehmen und die Aufnahmen zu veröffentlichen und zu verwerten. Voraussetzung ist, dass man die betreffenden Gebäude von öffentlichen Straßen oder Plätzen aus sieht. Die Panoramafreiheit gilt auch für Kunstwerke im öffentlichen Raum, wenn sie dort dauerhaft stehen.
Deshalb ist es beispielsweise erlaubt, die Reichstagskuppel des Architekten Sir Norman Foster zu fotografieren und die Aufnahmen auch zu veröffentlichen. Eigentlich stehen Foster als Architekt und Urheber der Kuppel alle Bildrechte an seinem Bauwerk zu. Die Panoramafreiheit schränkt dieses Urheberrecht aber ein, weil das Motiv dauerhaft von öffentlichen Wegen aus einsehbar und zugänglich ist.
Bleibend und nicht vorrübergehend
Die Panoramafreiheit wird deshalb auch „Straßenbildfreiheit“ genannt. Gäbe es die Vorschrift nicht, müsste bei jedem Foto von Städten, Häusern oder Plätzen die Einwilligung jedes Urhebers oder jeder Rechteinhaberin eingeholt werden. Das ist praktisch unmöglich umzusetzen. Bereits beim Entwurf des Gesetzes 1962 hatten die Gesetzgebenden darauf hingewiesen, dass ein Urheber mit der Errichtung des eigenen Werkes an einem öffentlichen Ort auch zustimme, dass das Werk in bestimmtem Umfang der Allgemeinheit gewidmet und von ihr genutzt werde.
Von der Panoramafreiheit erfasst werden allerdings nur Dinge, die sich bleibend an einem öffentlichen Ort befinden. Steht ein Kunstwerk nur für kurze Zeit an einem öffentlichen Ort und ist dies auch klar erkennbar, können sich Fotografierende nicht auf die Panoramafreiheit berufen. Fotos des verhüllten Reichstags des Künstlerpaares Christo und Jeanne Claude durften daher nicht ohne Genehmigung der beiden gewerblich genutzt werden.
Von innen sieht es anders aus
Die Panoramafreiheit gilt aber nur in gesetzlich eng abgesteckten Grenzen. Hauptmerkmal ist, dass ein Gebäude öffentlich frei einsehbar sein muss. Umgekehrt bedeutet dies: Fotografien, die von privatem Grund aus gemacht werden, sind nicht von ihr gedeckt und können gegen Urheberrechte verstoßen. Als Faustregel gilt: Fotografiert werden darf nur das, was von der Straße aus zu sehen ist.
Für Innenräume von Gebäuden benötigt man also stets eine Genehmigung, wenn man die Fotos anschließend veröffentlichen möchte. Das gilt auch für öffentliche Gebäude oder Bahnhöfe: Auch hier darf man sie zwar von außen ohne Erlaubnis ablichten, für Aufnahmen innerhalb der Gebäude bedarf es aber einer Genehmigung.
Nicht frei einsehbar sind auch solche Gebäude, die etwa durch eine Hecke oder Mauer vor Blicken geschützt sind. Wer über solche Sichtschutze hinweg fotografiert, kann ebenfalls eine Urheberrechtsverletzung begehen – und noch mehr: Auch eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte beziehungsweise der Privatsphäre der Bewohner*innen droht.
Solange sich Fotografierende also auf öffentlichem Grund und nicht auf einem Privatgrundstück befinden und einen normalen Kamerastandpunkt verwenden, der nicht per Leiter oder mittels anderer Hilfsmittel erreicht wurde, verletzen Außenaufnahmen von Gebäude keine Urheberrechte.
Gemeinfreiheit für Bauwerke
Außerdem gilt auch bei Gebäuden: 70 Jahre nach dem Tod des Architekten oder anderer Urheberinnen erlischt das Urheberrecht und das Bauwerk geht in die Gemeinfreiheit über.
Wenn keine Urheberrechte (mehr) an einem Werk bestehen, müssen Nachnutzende auch keine Vorgaben beachten: Von besonders alten Bauwerken dürfen daher so viele Fotos gemacht werden, wie man will – auch von Innenräumen, wenn diese zugänglich sind. Allerdings kann hier das Hausrecht eines Eigentümers oder einer Eigentümerin einen Strich durch die Rechnung machen: Sie können Fotos in Innenräumen auch weiterhin untersagen.
iRights.info informiert und erklärt rund um das Thema „Urheberrecht und Kreativität in der digitalen Welt“.
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5 Kommentare
1 Schmunzelkunst am 1. August, 2022 um 23:05
Zum Satz: “Solange sich Fotografierende also auf öffentlichem Grund und nicht auf einem Privatgrundstück befinden und einen normalen Kamerastandpunkt verwenden, der nicht per Leiter oder mittels anderer Hilfsmittel erreicht wurde, verletzen Außenaufnahmen von Gebäuden keine Urheberrechte.”
Die Gerichte bei uns legen den § 59 UrhG viel zu urheberfreundlich aus. Der Fotograf muss nicht an öffentlichem Ort stehen. Maßgeblich ist, dass sich das Werk an einem öffentlichen Ort befindet. Von welchem Ort das Werk betrachtet wird, regeln weder das dt. UrhG noch die entspr. EU-Richtlinie.
Siehe z. B. auch: https://www.rechtambild.de/2020/12/luftbilder-von-bauwerken-von-panoramafreiheit-gedeckt/
2 ladislaus am 9. August, 2022 um 16:54
Bild und Text sind hier widersprüchlich. Die im Text genannte Reichstagskuppel wird zwar durchaus abgebildet, aber eben nicht mit einem panoramafreien Bild, sondern einer Innenaufnahme, die nicht von der Panoramafreiheit gedeckt ist.
Der Gesetzgeber könnte übrigens die Panoramafreiheit auch durchaus nutzerfreundlicher ausgestalten wie etwa in Österreich, dort fallen auch öffentlich zugängliche Innenräume (Kirchen, Museen etc.) sowie die dort installierten Kunstwerke darunter. Das würde auch niemanden weiter stören, denn Geld verdienen können Urheber der Bauwerke mit solchen Fotos eh nicht, mir ist jedenfalls nicht bekannt, wo das ernsthaft eine relevante Einkommensquelle sein soll (evtl. für gierige Erben, aber die werden eh schon viel zu stark geschützt im dt. Urheberrecht).
3 gvb am 16. August, 2022 um 09:32
Zitat: “… Fotos des verhüllten Reichstags (…) durften daher nicht ohne Genehmigung der beiden gewerblich genutzt werden.”
zwei kleine Ergänzungen dazu:
1.) die Vergangenheitsform des Satze ist falsch. Es muss lauten “… dürfen daher nicht …).
Eigene Bilder vom verhüllten Reichstagsgebäude dürfen nämlich bis zum Jahre 2090 einschließlich nicht öffentlich genutzt werden (70 Jahre Urheberrechtsschutz nach dem Tod des letzt-verstorbenen Miturhebers). Ab 1. Januar 2091 sind die Werke von Christo & Jean-Claude gemeinfrei.
2.) Das UrhG verbietet nicht nur die *gewerbliche* Nutzung (die sowieso), sondern bereits die Nutzung in der Öffentlichkeit. Es geht also nicht darum, ob man mit der Nutzung des Werkes Geld verdient (= Gewinnerzielungsabsicht → Gewerbe), sondern schon das Publizieren auf einer Website ist grundsätzlich der Verstoß gegen das ausschließliche Nutzungsrecht des Urhebers.
Auf „Geld bekommen“ oder gar „Geld verdienen“ kommt es gar nicht an!
4 Waggner am 20. September, 2022 um 19:17
Mein Nachbarhaus wird im Internet zum Kauf angeboten. Äußerlich ein sehr ungepflegtes, optisch eher abstoßendes Stadthaus-Gebäude, um ca 1900 erbaut. Leere Blumenkästen, keine Pflanzen, schlechter Allgemeinzustand. Rechts und links daneben, direkt angrenzend, je ein 10 Jahre altes Stadthaus mit außen jeweils großen Rosensträuchern, Blumen in den Fenstern, schicken Haustüren, etc,etc.
Der Makler macht Fotos von der Straße aus, stellt sie ins Internet und schraubt den Kaufpreis in die Höhe nach dem Motto: “Da möchte ich auch wohnen – schicke Gegend.” Und das ist durch Panpramfreiheit gedeckt ?
5 Robert Meyen am 9. April, 2024 um 11:57
@Schmunzelkunst: Laut Wortlaut müssen sich die Werke “bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinde” – daraus lässt sich durchaus auslegen, dass sie auch von den genannten Plätzen aus fotografiert werden müssen…
Was sagen Sie dazu?