Filme, Musik, Literatur, Remix: Was das Urheberrecht für den Schulunterricht gestattet
Filme und Videos
Für die Verwendung von Filmen und Videos im Unterricht gibt es heutzutage eine Vielzahl denkbarer Methoden. Videos von Plattformen wie YouTube lassen sich beispielsweise über einen Computer oder ein Mobilgerät aus dem Internet streamen und über einen Projektor auf einer Leinwand zeigen. Über BluRay oder DVD können Filme oder andere Sendungen abgespielt und vorgeführt werden. Oder die Lehrkraft teilt einen Link und die Schülerinnen und Schüler schauen das jeweilige Online-Video auf ihrem eigenen Gerät an („bring your own device“).
Die Vorführung von Filmen und Videos ist nur dann urheberrechtlich relevant, wenn sie sich an eine Öffentlichkeit richtet. Der Unterricht in einem geschlossenen Klassenverband ebenso wie in einem Kursverband wird jedoch nach der herrschenden Rechtslehre nicht als „öffentlich“ angesehen. Denn sie bestehen aus einer relativ kleinen Zahl von persönlich verbundenen Schülerinnen und Schülern und die Unterrichtsveranstaltungen sind generell nicht für Außenstehende zugänglich.
Auch werden mit der Vorführung von Filmen und Videos im Schulunterricht in aller Regel keine kommerziellen Interessen verfolgt. All dies spricht dafür, dass Vorführungen von Filmen und andere unkörperliche Wiedergaben von geschütztem Material in einer Schulklasse nicht öffentlich sind. Filme dürfen – auch vollständig – gezeigt oder gestreamt, Gedichte vorgetragen und Lieder gesungen werden.
Merke:
Die Wiedergabe (Vorführen, Vortragen, Streaming usw.) ist außerhalb der Öffentlichkeit urheberrechtsfrei. Für die Vervielfältigungen, die hierbei verwendet werden sollen, gelten die urheberrechtlichen Vorgaben. Das heißt z.B., dass eine Fernsehdokumentation direkt aus dem Internet für die Schulklasse gestreamt werden darf (nicht öffentliche Wiedergabe). Will die Lehrkraft sie jedoch vorher auf ihrem Rechner speichern, um die Sendung lokal abzuspielen, muss hierfür eine Zustimmung vorliegen oder es gilt die Unterrichtsschranke. Hiernach dürfen nur sehr kurze Filme (die nicht länger als fünf Minuten sind) vollständig kopiert werden. Längere Beiträge wie eine Fernsehdokumentation dürfen dagegen nur auszugsweise – bis zu 15 % – gespeichert werden.
Keine Schwierigkeiten bereitet das Anschauen von Online-Beiträgen per „bring your own device“. Hier führt die Lehrkraft nichts vor, sondern die Schülerinnen und Schüler schauen den Beitrag lediglich an. Dieser „Werkgenuss“ unterliegt keinen urheberrechtlichen Regeln.
Für Schülerinnen und Schüler
Filme und Videos gemeinsam anschauen oder im Unterricht zeigen: Die beschriebene Freiheit, Filme im Schulunterricht zu zeigen, gilt unabhängig davon, ob dies von den Lehrkräften oder den Schülerinnen und Schülern getan wird.
Jammen, gemeinsam musizieren, Gedichte vortragen
Auch Gedichte und Musik sind in aller Regel urheberrechtlich geschützt. Sie vorzutragen oder abzuspielen ist urheberrechtlich nur relevant, wenn sich dies an eine Öffentlichkeit richtet. Dies ist – wie bereits zum Abspielen von Videos und Filmen beschrieben (siehe oben) – in einer Schulklasse nicht der Fall. Die Kopierbeschränkungen sind, wie dort erklärt wurde, dennoch zu beachten.
Homeschooling und Distance Learning
Homeschooling über Video-Konferenzsysteme wie Zoom, den Lernraum Berlin oder BigBlueButton ist seit der Coronapandemie in aller Munde. Urheberrechtlich betrachtet macht es theoretisch einen Unterschied, ob geschütztes Material „vor Ort“ oder über das Internet genutzt wird. Die praktischen rechtlichen Unterschiede für den Schulunterricht sind aber gering.
Beim Homeschooling wird der Unterricht über Online-Technologien gestreamt. Urheberrechtlich betrachtet handelt es sich hierbei um eine Sendung. Das gilt jedenfalls für den synchron übertragenen Live-Unterricht (zu Unterrichtsaufzeichnungen, die zeitversetzt wahrgenommen werden, siehe S. 21 f. in der Broschüre). Auch für die Sendung gilt, dass sie urheberrechtlich nur bedenklich ist, wenn sie sich an eine Öffentlichkeit richtet. Schülerinnen und Schüler in einem geschlossenen Klassenverband ebenso wie in einem Kursverband stellen jedoch nach der herrschenden Rechtslehre keine Öffentlichkeit dar. Daher dürfen geschützte Inhalte per Live-Sendung gezeigt werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass der Teilnehmerkreis auf die Klasse beschränkt wird. Das ist z.B. bei der Nutzung von Videokonferenz-Software generell der Fall, da hier nur bestimmte Teilnehmende eingeladen werden.
Online-Speicherdienste
Materialien werden beim Homeschooling häufig online über Cloudspeicher (wie z.B. Dropbox) oder Lern-Management-Systeme (LMS) geteilt. Verwenden Lehrkräfte in ihren Unterrichtsmaterialien fremde Werke, z.B. Fotos, Texte (oder Ausschnitte daraus) oder Grafiken, kann das aufgrund der Unterrichtsschranke gestattet sein. Diese gilt generell auch für die Nutzung von Fremdmaterial in Präsentationen oder Referaten der Schülerinnen und Schüler.
Mixen, mashen, samplen
Vor allem digitale Inhalte und Technologien eröffnen viel Raum für die kreative Entfaltung. Die im Netz allgegenwärtige „Jedermann-Kultur“ zeigt, wie wichtig digitale Kultur und Kommunikation für ganze Generationen ist. Memes, Mashups, LipSync und Karaoke-Videos oder Remixes sind hierfür typische Formen. Solche referenzkulturellen Praktiken gehen häufig mit der „Nachnutzung“, Kombination und Veränderung urheberrechtlich geschützter Inhalte einher. Was ist in diesem Zusammenhang gesetzlich erlaubt?
Der deutsche Gesetzgeber hat im Jahr 2021 eine neue gesetzliche Nutzungserlaubnis speziell für solch kreative Auseinandersetzungen mit und Nachnutzungen von vorbestehenden Werken geschaffen. Nach § 51a UrhG sind Karikaturen, Parodien und Pastiches zulässig. Sie dürfen erstellt und über das Netz oder offline geteilt werden, also beispielsweise als Reel bei Instagram oder TikTok gepostet, bei YouTube hochgeladen, bei Facebook oder in WhatsApp-Gruppen geteilt werden. Hierbei müssen keine Quellen angegeben und das Material darf auch stark verändert werden (was für viele solche Arten kultureller Auseinandersetzung typisch ist). Ganz wichtig ist, dass nicht bloß „abgekupfert“ oder 1:1 kopiert wird, sondern wirklich eine kreative Auseinandersetzung stattfindet. Dafür müssen sich Karikaturen, Parodien oder Pastiches deutlich von den verwendeten Quellen abheben. Anders ausgedrückt: Sie müssen anders aussehen, klingen und wirken als das Quellmaterial. Mit dieser Voraussetzung will der Gesetzgeber verhindern, dass solche Nachnutzungen der wirtschaftlichen Verwertung des übernommenen Materials schaden und mit diesem in Konkurrenz treten.
Zum Pastiche
Kreative Nutzungsformen der „Jedermann-Kultur“, die gemäß § 51a UrhG zulässig sein können:
- Memes und GIFs: Kombination eines fremden Bildes mit einem eigenen Text oder mit Schlagworten. Es gibt auch Musik-Memes/GIFs und unzählige andere Formen.
- Remixes: Änderungen/Manipulationen eines einzelnen Werkes, z.B. eines Musikstücks oder Films.
- Mash-ups: Video- oder Musikcollagen, bei denen mehrere bereits vorhandene Quellen oder eine Quelle mit eigenen Inhalten kombiniert werden.
- Fan-Art oder Fan-Fiction: Eigenständige Inhalte, die z.B. urheberrechtlich geschützte Figuren oder Handlungsstränge verwenden, um neue (aber referenzielle) Geschichten, Bilder oder Ähnliches zu schaffen.
- Samples: Kleine Teile geschützter Musik/Aufnahmen, die in eigene Musikstücke kopiert werden.
Lizenz und Hintergrund dieses Textes
Lizenzhinweis: Dieser Text stammt von Till Kreutzer und Georg Fischer. Er steht unter der offenen Lizenz CC BY-SA 4.0. Das bedeutet, dass der Text unter Beachtung der Lizenzbedingungen weitergenutzt und -verbreitet werden darf.
Der Text ist der neuen Handreichung „Urheberrecht in Schulen“ entnommen (S. 16-20 unter dem Titel „Während des Unterrichts“). Gleichzeitig ist die neue Handreichung zu „Urheberrecht in der Wissenschaft“ erschienen. Beide stellt iRights.info in diesem Artikel näher vor.
Kostenloser Download der neuen Handreichungen
Beide Handreichungen sind auf dem Repositorium Zenodo veröffentlicht und zur leichteren Zitierweise mit DOI versehen. Auch bei iRights.info sind die PDFs hinterlegt.
„Urheberrecht in Schulen. Ein Überblick für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler“
- Download bei BMBF | Download bei iRights.info
- Download bei Zenodo (DOI: https://doi.org/10.5281/zenodo.8284533)
„Urheberrecht in der Wissenschaft. Ein Überblick für Forschung, Lehre und Bibliotheken“
- Download bei BMBF | Download bei iRights.info
- Download bei Zenodo (DOI: https://doi.org/10.5281/zenodo.8284551)
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DOI für diesen Text: https://doi.org/10.59350/r35gz-ssv37 · automatische DOI-Vergabe für Blogs über The Rogue Scholar
1 Kommentar
1 Petra Merkel am 19. März, 2024 um 20:06
Herzlichen Dank für die sehr gute und umfangreiche Aufklärung. Leider sind wir Lehrer teils zu unbedarft, was die Mediennutzung und auch Verteilung in der Schulklasse angeht. Daher ist diese Orientierung hier sehr wertvoll.
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