Gutachten: CETA kein ACTA-Wiedergänger, dennoch kein Fortschritt
Sollte es tatsächlich demnächst verabschiedet werden, würde das kanadisch-europäische Freihandelsabkommen CETA keine Bestimmungen enthalten, die eine wesentliche Abkehr vom gegenwärtig geltenden Urheberrecht in Deutschland und der Europäischen Union zur Folge haben würden. Klauseln, die die Durchsetzung von Urheberrechten verschärft hätten, haben es bis auf wenige Ausnahmen nicht in die finale Version des Vertrages geschafft. Der bilaterale Vertrag soll nicht dazu genutzt werden, Regelungen des zuvor abgelehnten Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) durch die Hintertür doch noch in Europa einzuführen.
Zu diesem Schluss kommt mein Kurzgutachten (PDF), das das iRights.Lab im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen erstellt hat und das nun veröffentlicht worden ist (Philipp Otto und John Weitzmann haben daran mitgearbeitet). Einige besorgniserregende Aspekte finden sich jedoch auch im finalen Entwurf.
Frühere Entwürfe mit deutlich repressiven Bestimmungen
Das Vorhaben, das multilaterale Anti-Piraterieabkommen ACTA abzuschließen – was weitreichende Konsequenzen für das Urheberrecht in Deutschland und der Europäischen Union nach sich gezogen hätte – war im Juli 2012 durch das Europäische Parlament endgültig beerdigt worden. Im Zuge der Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission und der kanadischen Bundesregierung über CETA jedoch kam die Befürchtung auf, der Inhalt von ACTA könnte heimlich ins Kapitel zum geistigen Eigentum des Freihandelsabkommens übernommen werden.
Erste Versionen des Vertragstextes, die 2012 geleakt wurden, bestätigten diesen Verdacht. Deshalb wollte die Fraktion der Grünen nun geklärt wissen, inwieweit das auf die im September veröffentlichte endgültige Fassung von CETA noch zutrifft.
Formulierungen entsprechen zwar ACTA, aber auch anderen internationalen Verträgen
Der eingehende Vergleich beider Verträge sorgt für weitgehende Entwarnung. So sind zwar tatsächlich weite Passagen von CETA oft Wort für Wort aus ACTA übernommen. Zumeist geht es dabei aber um Regelungen, die inhaltlich nicht über das hinausgehen, was ohnehin schon gilt. In zahlreichen Fällen ist die Wortwahl nicht nur identisch mit ACTA-Formulierungen, sondern zugleich mit dem TRIPS-Abkommen der Welthandelsorganisation, an das sowohl die Staaten der EU als auch Kanada gebunden sind, oder mit urheberrechtlichen Richtlinien der Europäischen Union.
Die in CETA enthaltenen Vorgaben gehen also in großen Teilen trotz Übereinstimmungen in der Formulierung nicht auf ACTA zurück, sondern auf frühere völker- oder europarechtliche Vorschriften. Das ist eine gute Nachricht vor allem angesichts des ursprünglichen Vorhabens der europäischen Delegation, mittels CETA einen deutlich repressiveren Ansatz bei der Durchsetzung urheberrechtlicher Bestimmungen zu unterstützen. So sollte nicht nur der Bestand an strafrechtlichen Regelungen deutlich ausgeweitet werden. Auch eine verschärfte Haftung für Internetprovider und damit einhergehende Pflichten, deren Kunden im Internet zu überwachen, hatten sich anfangs noch auf dem Wunschzettel der EU-Kommission befunden.
Obwohl die Verhandlungen fern der Öffentlichkeit abliefen, darf wohl davon ausgegangen werden, dass es vornehmlich die kanadische Seite war, die einen solchen Ansatz letztendlich verhinderte.
Abkommen bleibt dennoch Hürde für Urheberrechts-Modernisierung
Das Gutachten zeigt allerdings auch, dass die endgültige Fassung von CETA noch genügend Anlass zur Kritik bietet. Das gilt besonders im Hinblick auf die mittlerweile auch von der Europäischen Kommission angekündigte Modernisierung des Urheberrechts. Denn was ein völkerrechtliches Abkommen verbindlich festlegt, davon kann anschließend nicht einer der Vertragspartner ohne weiteres wieder abweichen. Zwei Punkte sind es, die hier ins Augen fallen:
- So sieht das Abkommen ausdrücklich vor, dass dass das Abfilmen von Kinovorführungen künftig eigens strafrechtlich sanktioniert werden kann, was in Deutschland bislang nur über allgemeine Vorschriften verboten ist. Obwohl es sich hierbei streng genommen um keine verbindliche Vorgabe handelt, so ist dennoch davon auszugehen, dass die Bestimmung politischen Druck erzeugen wird, sie auch innerstaatlich umzusetzen.
- Schließlich bestätigt CETA den bereits geltenden rechtlichen Schutz für technische Schutzmaßnahmen (Kopierschutz), der das an sich zulässige Anfertigen von Privatkopien verbietet, wenn dazu solche Vorrichtungen umgangen werden müssten. Diese Regelung unterdrückt die Möglichkeit von Fair use und wurde deshalb schon seit Langem als reformbedürftig identifiziert. Mit dem Abschluss von CETA wäre ihre Abschaffung in weite Ferne gerückt.
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