Alles rechtens? Neuer Leitfaden zu Rechtsfragen bei Live-Streaming im Kulturbereich erschienen

welcomia/Freepik, Collage: Georg Fischer
Die Krise, die das Covid19-Virus ausgelöst hat, ist weitreichend und langfristig. Sie betrifft Privatpersonen genauso wie ganze Kulturszenen und ihre Organisationen. Viele Urheber*innen und Institutionen verlagern ihre Aktivitäten ins Netz oder planen Online-Veranstaltungen.
Mit dem Übergang ins Internet stellen sich für Autor*innen und Entscheidungsträger*innen im Kulturbereich wichtige Rechtsfragen. Till Kreutzer, Anwalt bei iRights.Law, behandelt in einem neuen Leitfaden häufig gestellte Fragen zu Urheberrecht, Persönlichkeitsrechten und Datenschutz, die sich bei (Live-)Streams ergeben.
Die Handreichung umfasst insgesamt zehn FAQ’s und enthälft viele weiterführende Links. Sie ist in Zusammenarbeit mit dem kulturBdigital Lab und der Technologiestiftung Berlin entstanden. iRights.info veröffentlicht an dieser Stelle auszugsweise drei Fragen und die dazugehörigen Antworten. Der komplette Leitfaden steht unter einer Creative Commons-Lizenz als PDF zur Verfügung: „Alles rechtens? Kultur im Livestream“.
Video-Chat – bequem, aber auch sicher?
Das Videokonferenz-Tool Zoom wird derzeit von vielen Institutionen genutzt. Jedoch wurden zwischenzeitlich datenschutzrechtliche Bedenken bekannt. Änderungen an der Software werden vom Unternehmen kontinuierlich vorgenommen. Sollte man das Tool verwenden?
Ob man Zoom verwenden sollte ist eine Frage mit verschiedenen Facetten.
Datenschutzrechtlich betrachtet ist das Tool zumindest umstritten. Der Berliner Datenschutzbeauftragte bezweifelt in einer Stellungnahme vom 20.04.2020, dass Zoom datenschutzkonform eingesetzt werden kann. Ähnliche Vorbehalte hat der Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg.
Diese Einschätzungen beziehen sich nicht nur auf Zoom, sondern auch auf andere Konferenz-Tools von US-amerikanischen Anbietern (wie Microsoft Teams). Die Ansicht der Datenschutzbeauftragten ist aber rechtlich umstritten, wie so oft bei aktuellen juristischen Fragen. Insofern ist es momentan kaum möglich, die datenschutzrechtliche Zulässigkeit von Zoom und ähnlichen Tools zu beurteilen.
Gravierender erscheinen daher momentan die Sicherheitslücken bei Zoom, über die immer wieder berichtet wird (siehe zum Beispiel Heise.de). Zwar kann man mit einfachen Mitteln für zusätzliche Sicherheit sorgen. Die Informationslage darüber, welche Sicherheitsrisiken konkret bestehen, ob und wie man ihnen begegnen kann und wie gravierend sie sind, ist jedoch unübersichtlich. Will man unbedingt Zoom benutzen, sollte man zumindest stets die aktuellste Version (bei Apps) verwenden und die öffentliche Berichterstattung hierüber verfolgen.
Wenn man davon ausgehen kann, dass Zoom derzeit unsicherer ist als vergleichbare Tools, hängt die Antwort auf die Frage letztlich von einer Abwägung ab. Nutzer*innenfreundlichkeit und Funktionsumfang streiten hier gegen Sicherheitsprobleme und datenschutzrechtliche Unsicherheiten. Was wichtiger ist, hängt natürlich von der jeweiligen Situation ab.
Sicherheitsprobleme sind beim gemeinsamen Online-Kartenspiel mit Video-Übertragung sicherlich weniger wichtig als bei Vorstandskonferenzen. Die Abwägung muss letztlich jeder selbst nach seinen eigenen Präferenzen treffen. Jedenfalls gibt es eine Vielzahl von Videokonferenz-Tools. Man sollte sich zumindest einmal anschauen, ob es Alternativen gibt, die weniger kritisch als andere und trotzdem für die eigenen Belange gut geeignet sind.
Informative Übersichten gibt es bei Spiegel.de und auf Mobilsicher.de.
Geschützte Werke im Web-Vortrag
Als Bibliothek möchten wir Vorträge einer Fachkonferenz online auf Kanälen wie Facebook öffentlich streamen. Ist es erlaubt, Vorträge live zu übertragen, bei denen in der Präsentation urheberrechtlich geschützte Werke (zum Beispiel Filmszenen) zu sehen sind? Wer ist verantwortlich, der Streamanbieter oder die Vortragenden?
Soweit der oder die Vortragende für die geschützten Werke keine Nutzungsrechte eingeholt oder sie selbst erstellt hat, ist dies nur zulässig, wenn eine gesetzliche Nutzungsbefugnis (sogenannte Schrankenbestimmung) einschlägig ist. In diesem Fall kommt letztlich nur die Zitierfreiheit in Betracht.
Zwar gibt es Schrankenbestimmungen für den Unterrichtsgebrauch und wissenschaftliche Zwecke. Diese erlauben jedoch keine Nutzungen, die sich an die uneingeschränkte Öffentlichkeit richten. Nach diesen Regelungen können fremde Werke nur in geschlossenen Gruppen, etwa die Teilnehmenden einer konkreten Unterrichtsveranstaltung oder ein Forschungskreis ohne Zustimmung verwendet werden. Frei abrufbare Live-Übertragungen von Online-Konferenzen fallen nicht hierunter.
Die Zitierfreiheit erlaubt es dagegen, zitiertes Material auf jegliche Art und Weise zu verwenden. Auch sie hat eine Reihe von Anforderungen. Vor allem müssen die Zitate einen inneren Zusammenhang mit der Präsentation aufweisen (Zitatzweck). Zeigt eine der Vortragenden also ein Video, um ihre Ausführungen zum Thema zu veranschaulichen oder zu belegen, kann diese Handlung unter das Zitatrecht fallen.
Dient das Video dagegen eher der Unterhaltung oder „ästhetischen Anreicherung“ des eigenen Vortrags, wird das eher nicht der Fall sein. Typisch sind beispielsweise die allgegenwärtigen Hintergrundbilder bei Präsentationen, die oft einen nur sehr mittelbaren Zusammenhang zum Vortrag haben und meist eher der optischen Aufwertung der Folien dienen. Solche Nutzungen sind keine zulässigen Zitate im urheberrechtlichen Sinn, es bedarf dafür also in den meisten Fällen einer Zustimmung des/r Rechteinhaber*in.
Zu bedenken ist zudem, dass Zitate nur einen angemessenen Umfang haben dürfen. Was angemessen ist, hängt vom Zweck des Zitats ab (siehe oben) und damit vom Einzelfall. Reicht es im obigen Fallbeispiel zur Erläuterung der Aussagen also aus, nur einen Teil des Videos zu zeigen, darf es auch nicht vollständig gezeigt werden. Hier sind die Grenzen aber – offensichtlich – fließend und abhängig von einer individuellen Bewertung mit subjektiven Elementen (was ist angemessen?) Siehe zu weiteren Anforderungen der Zitierfreiheit auch die Frage zu „Online-Lesung“, weiter unten.
Kommt es zu einer rechtswidrigen Ausstrahlung, sind grundsätzlich sowohl der/die Vortragende als auch der/die Betreiber*in des Streams verantwortlich (hier: im Zweifel die Bibliothek). Auch Stream-Anbieter können also zumindest abgemahnt und zur Unterlassung aufgefordert werden, wenn die Teilnehmenden urheberrechtswidrige Handlungen begehen.
Durch Vereinbarungen mit den Vortragenden, in denen diese zusichern, keine Rechte Dritter zu verletzen oder die Veranstaltenden von Kosten freizuhalten, kann man sich vor der Inanspruchnahme durch einen Dritten nicht schützen. Solche betreffen nur das „Innenverhältnis“ also die rechtliche Beziehung zwischen Einrichtung und Vortragenden. Gerade bei Live-Events (die nicht zusätzlich dauerhaft zum Abruf angeboten werden) ist das Verfolgungsrisiko aber natürlich recht gering.
Online-Lesung: Was sagt der Verlagsvertrag?
Ich habe ein Kinderbuch (Print) über einen Verlag veröffentlicht. Was muss ich beachten, wenn ich das Buch nun in ein digitales Format überführen und selbstständig online auf YouTube als Video veröffentlichen oder anderen zur Nutzung bereitstellen möchte?
Die Antwort hängt von dem Vertrag ab, der mit dem Verlag geschlossen wurde. Häufig (aber nicht immer) werden durch solche Verträge exklusive Nutzungsrechte für alle möglichen Nutzungsarten übertragen. Aus dem Wortsinn ergibt sich, dass solche exklusiven Rechte nur einmal existieren können. Wurden sie dem Verlag übertragen, hat die Autorin sie nicht mehr. Nimmt sie die exklusiv lizenzierten Handlungen selbst vor, verstößt sie gegen den Vertrag und die Rechte des Verlags.
Da Rechte in verschiedener Hinsicht differenziert vergeben werden können, hängt die jeweilige Rechtslage von den konkreten Formulierungen des Vertrags ab. Um im Beispiel zu bleiben: Die Autorin hat hier vor, ihr Buch als Theaterstück aufzuführen, zu verfilmen und das Video bei YouTube hochzuladen. Ob sie das darf oder hierdurch gegen ihren Vertrag verstößt, hängt davon ab, ob sie dem Verlag auch genau diese Rechte exklusiv übertragen hat. Hat sie die Aufführungs- und Verfilmungsrechte etwa gar nicht oder nur „nicht exklusiv“ eingeräumt, entstünde kein Problem.
Vertragliche Fragen hängen immer von den konkreten Vereinbarungen ab. Einzelne Worte im Vertragstext können den entscheidenden Unterschied machen. Auch außervertragliche Vereinbarungen, Absprachen am Telefon, in Meetings oder E-Mails müssen bei der Auslegung mitunter berücksichtigt werden. Juristischer Rat kann hierzu nur im Rahmen konkreter Rechtsberatung gegeben werden, für die im Zweifel ein Rechtsanwalt konsultiert werden muss.
Die Fragen und Antworten sind Teil der Handreichung „Alles rechtens? Kultur im Livestream“, die in Kooperation mit dem kulturBdigital Lab entstanden ist.
Dieses Projekt der Technologiestiftung Berlin wird gefördert durch die Senatsverwaltung für Kultur und Europa.
Autor: Till Kreutzer. Herausgeberin: Technologiestiftung Berlin.
Lizenziert unter CC BY 4.0.
Vollständiges Inhaltsverzeichnis der Handreichung:
Datenschutz & Persönlichkeitsrechte
1 Video-Chat – bequem, aber auch sicher?
2 Immer live: Vom Stream zum Webvideo
3 User Generated Content
Grenzen des Urheberrechts
4 Recht auf Remix?
5 Geschützte Werke im Web-Vortrag
6 Fremde Video-Sequenzen im eigenen Stream
7 Hintergründiges in der Online-Ausstellung
8 Marken-Nennung im Video-Tutorial
9 Online-Lesung: Was sagt der Verlagsvertrag?
10 CD-Rom-Inhalte im Web nachnutzen
Lesetipps & weitere Hinweise
2 Kommentare
1 Gerhard Beck am 10. November, 2020 um 18:00
Der Link ist nicht mehr korrekt.
2 Georg Fischer am 11. November, 2020 um 13:25
Hallo Herr Beck, danke für den Hinweis. Links im Artikel sind aktualisiert, Sie finden das PDF auch hier.
Beste Grüße
Georg Fischer/Redaktion
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