3D-Scans und das Recht

Dreidimensionale Scans von Kunstobjekten, hergestellt und freigegeben von Oliver Laric auf threedscans.com
Wem es nicht möglich ist, eine Skulptur vor Ort (beispielsweise im Museum) zu betrachten, kann auf sogenannte 3D-Scans ausweichen. Das sind digitale Reproduktionen von dreidimensionalen Objekten. Der österreichische Künstler Oliver Laric fertigt solche 3D-Scans an und stellt diese auf digitalen Plattformen der Öffentlichkeit frei zur Verfügung (zum Beispiel hier).
Anfang Oktober zeigte Laric auf der Konferenz Zugang gestalten!, dass gerade der Kontrollverzicht eine faszinierende Facette der rechtliche Freigabe bedeutet. Denn weil die 3D-Scans von allen frei genutzt werden dürfen, tauchen sie in Musikvideos, Magazinen, auf Social Media und an anderen Orten der Popkultur wieder auf, teils mit verblüffenden Ergebnissen.
Wie aber sieht die generelle (urheber-)rechtliche Situation bei 3D-Reproduktionen aus? Mit dieser Frage befasst sich Paul Klimpel, Anwalt bei iRights.Law und Mitglied von iRights.info, in einer ausführlichen Analyse. Ursprünglich ist der Text im Katalog von Laric’ Ausstellung Mémoire Vive erschienen. iRights.info veröffentlicht hier nun die deutsche Fassung in vollständiger Länge.

Oliver Laric, 3D-Scan der antiken Skulptur Junge mit Dorn
3D-Scans und das Recht
Die Technik ermöglicht heute, originalgetreue Kopien von Skulpturen, Bauwerken oder anderen dreidimensionalen Objekten anzufertigen. Dabei entwickelt sich die Technik ständig weiter; die dafür notwendigen Daten können inzwischen auch durch wenige Fotografien aus verschiedenen Perspektiven hochgerechnet werden. So faszinierend die technische Entwicklung ist, so unklar ist oft, welche rechtlichen Implikationen mit solchen 3D-Scans einhergehen.
1. 3D-Scans urheberrechtlich geschützter Werke
Das Urheberrecht schützt Werke der Kunst und als solche auch Skulpturen und andere dreidimensionale Objekte, sofern diese Ausdruck einer persönlichen geistigen Schöpfung sind. Dabei währt dieser urheberrechtliche Schutz bis zu dem Jahr, nach dem der Urheber 70 Jahre verstorben ist – erst danach ist ein Werk gemeinfrei. Urheberrechtlicher Schutz bewirkt, dass ein Werk nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Schöpfers oder seines Rechtsnachfolgers „genutzt“ werden kann. Unter „Nutzung“ im urheberrechtlichen Sinn versteht man beispielsweise die „Vervielfältigung“, also das Kopieren (daher der englische Begriff „copyright”), aber auch das Bearbeiten, Ausstellen, Vorführen, Verfilmen usw. Nicht vom urheberrechtlichen Schutz umfasst ist der bloße Werkgenuss.
Scannen ganz allgemein wie auch 3D-Scans im Besonderen sind im urheberrechtlichen Sinn ein „Vervielfältigen“, also ein Kopieren. Sofern dies nicht im rein privaten Rahmen geschieht und diese Kopien veröffentlicht werden, ist dies nur mit Zustimmung des Rechteinhabers erlaubt. Im Rahmen einer künstlerischen Arbeit, die sich ja an eine Öffentlichkeit wendet, bedarf es also grundsätzlich der Erlaubnis des Rechteinhabers des Originalkunstwerks.
Die Veröffentlichung von Bearbeitungen bedarf der Zustimmung des Rechteinhabers des Ursprungswerks. Doch selbst davon gibt es Ausnahmen. Zulässig sind etwa die Verfremdungen von Werken als Karikatur, Satire oder Pastiche. Zulässig wäre auch, ein neues Werk zu schaffen, das sich vom Original sehr weitgehend unterscheidet. Wenn das ursprüngliche Werk infolge der gravierenden Veränderungen hinter dem neuen Werk verblasst und kaum noch erkennbar ist, wird dies rechtlich nicht als Bearbeitung, sondern als eigenständiges, neues Werk gesehen. Diese Ausnahmefälle sollen hier jedoch nicht weiter ausgeführt werden. Denn das Besondere an 3D-Scans ist ja gerade, dass sie das Original möglichst unverändert abbilden. Solche originalgetreuen Vervielfältigungen bedürfen – genau wie Bearbeitungen – der Zustimmung des Rechteinhabers.
2. Dreidimensionale Scans von gemeinfreien Werken
Gänzlich anders ist die Situation bei dreidimensionalen Scans von gemeinfreien Werken.
Kein urheberrechtlicher Schutz
Gemeinfreie Werke dürfen frei genutzt werden. Auch das Herstellen von 3D-Scans ist urheberrechtlich zulässig, wobei ohne Bedeutung ist, welche Technik hierbei genutzt wird.
Hausrecht der Institutionen
Geht es um das Scannen gemeinfreier Werke, so ist dies jedoch auch mit ganz praktischen Schwierigkeiten verbunden. Um eine Skulptur scannen zu können, muss man Zugang zu ihr haben. Abhängig davon, welche Technik verwendet wird, muss entweder ein aufwändiger 3D-Scanner eingesetzt werden. Oder aber es müssen mindestens einige Fotos gemacht werden, die dann die Basis für eine computergestützte Hochrechnung des 3D-Modells sind.
Hier stellt sich die Frage, inwieweit das Hausrecht einer Institution, beispielsweise eines Museums oder eines Archivs, dem entgegensteht. Es ist zwar anerkannt, dass Fotoverbote in Museen rechtlich zulässig sind. In Deutschland hat dies der Bundesgerichtshof damit begründet, dass solche Fotoverbote auch andere Zwecke verfolgen können, als eine Vervielfältigung zu verhindern, beispielsweise restauratorische Zwecke oder solche der Besucherführung und des organisatorischen Ablaufs. In Europa dürfen auch öffentlich finanzierte Institutionen das Fotografieren verbieten.
In der Praxis werden solche Fotoverbote jedoch zunehmend fraglich. Mehr und mehr Kulturerbe-Einrichtungen überall auf der Welt verzichten ganz bewusst auf Fotografierverbote, fühlen sich dem Prinzip eines Offenen Zugangs verpflichtet und wollen auch die freie Nachnutzung von Werken in ihrer Obhut ermöglichen. Bahnbrechend für eine solche Position war das Rijksmuseum in Amsterdam. In vielen Ländern ist eine freie Verfügbarkeit und Nachnutzbarkeit inzwischen Bedingung für eine öffentliche Förderung von Digitalisierungsprojekten. Als typisch für diese Entwicklung mag auch die Open Access Policy der Kulturerbe-Einrichtungen des Landes Hessens gelten, die sich explizit gegen Fotografierverbote ausspricht.
Hinzu kommt, dass die PSI-Richtlinie auch staatliche oder öffentlich finanzierte Kulturerbe-Einrichtungen in Europa verpflichtet, die Nutzung ihrer Bestände zu gestatten. Mittels des Hausrechts die Nutzung von Daten über gemeinfreie Werke zu verhindern, widerspricht zwar dem Geist der PSI-Richtlinie. Ein Recht auf Zugang, insbesondere auf eine spezifische Art des Zugangs, kann daraus aber nicht abgeleitet werden.
In der Praxis gibt es zwar immer noch einige Kulturerbe-Einrichtungen, die versuchen, den Zugang auch zu gemeinfreien Beständen durch Verträge so zu gestalten, dass eine Nachnutzung eingeschränkt wird. Angesichts der klaren Wertentscheidung des europäischen Gesetzgebers für die Gemeinfreiheit ist die rechtliche Zulässigkeit solcher Bestimmungen aber zweifelhaft. Hier gibt es jedoch in Europa Unterschiede in den jeweiligen nationalen Gesetzgebungen.
Recht aus dem Sacheigentum
Grundsätzlich gilt in Europa, dass aus dem Sacheigentum an einem Kunstwerk kein Recht an einem Foto oder einer der Kopie dieses Kunstwerks folgt. Dies ist eine Frage des Urheberrechts, nicht des Sachenrechts.
Entgegen diesem Grundsatz gibt es vereinzelt Bestrebungen, dem Sacheigentümer auch die Kontrolle über Abbildungen zuzugestehen. So hat in Deutschland der Bundesgerichtshof dem Eigentümer einer Immobilie das Recht zugesprochen, gegen die Nutzung von Fotos vorzugehen, die gegen sein ausdrückliches Verbot vom Grund und Boden der Immobilie aus von einem dort ebenfalls befindlichen Bauwerk gemacht wurden (Schloss Sanssouci). Aus diesem umstrittenen Urteil lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Nutzung von Fotos für eine computergestützte Rekonstruktion eines Bauwerks ebenfalls gegen die Rechte des Eigentümers verstößt. Dies wäre eine Überdehnung der Rechte des Sacheigentümers, da mit der 3D-Rekonstruktion eines Gebäudes (oder auch einer Skulptur) auf der Grundlage von Fotos keine Beeinträchtigung des Eigentums selbst verbunden ist und auch keine Handlungen erfolgen, die gegen ein ausdrückliches und durch den Eigentümer durchsetzbares Verbot erfolgen.
Nutzung von Fotos für computergestützte Rekonstruktionen
Sofern gemeinfreie dreidimensionale Werke nicht frei zugänglich sind oder Institutionen ihr Hausrecht nutzen, um dreidimensionale Scans zu verhindern, so verbleibt gleichwohl die Möglichkeit, bereits bestehende Fotos zu nutzen, um computergestützt die dreidimensionalen Objekte hochzurechnen und zu rekonstruieren.
In aller Regel ist die Nutzung von Fotos für solche computergestützten Rekonstruktionen zulässig. Dies gilt zum einen, wenn es sich bei den Fotos um reine Lichtbilder und nicht um Lichtbildwerke handelt. Die Abgrenzung von Lichtbildern und Lichtbildwerken ist kompliziert; vereinfacht gesagt trifft bei einem Lichtbildwerk der Fotograf eigene gestalterische Entscheidungen und ist damit schöpferisch tätig. Bei einem Lichtbild hingegen kommt es zu keiner schöpferischen Entscheidung. Bilder von Skulpturen, die nach festen, vorgegebene Parameter gefertigt werden und nur der Dokumentation eines Bestandes dienen, wird man als Lichtbilder einzuordnen haben, während Fotografien, in denen ein Objekt in besonderer, kreativer Weise durch Licht und Schatten und den Aufnahmewinkel inszeniert wird, als Werke gelten.
Reine Lichtbilder gemeinfreier Werke sind urheberrechtlich nicht geschützt. Sie dürfen daher zur computergestützten Rekonstruktion genutzt werden. Doch das gilt in aller Regel auch für Fotos, die einen Werkcharakter und mithin einen urheberrechtlichen Schutz haben. Denn Art. 4 der DSM-Richtlinie sieht vor, dass zum Zwecke des „Text and Data Mining“ Vervielfältigungen auch von urheberrechtlich geschützten Werken gemacht werden dürfen, sofern dies zur automatisierten Analyse der darin enthaltenen Information notwendig ist. Die Nutzung auch urheberrechtlich geschützter Werke wäre nur dann unzulässig, wenn im konkreten Einzelfall in geeigneter Weise – und das heißt bei der Präsentation im Internet in maschinenlesbarer Weise – der Nutzung durch automatisiert Analyse ganz ausdrücklich widersprochen wurde. Dies ist bei Fotos (bisher) nur in Ausnahmefällen so.
Allerdings ist hier vieles im Fluss. Das Aufkommen von KI-erzeugten Bildern hat dazu geführt, dass die Funktionsweise solcher maschinellen Vorgänge ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt sind. Denn zumeist nutzen KI-Prozesse frei im Netz verfügbare Bilder als Trainingsdaten. Hiergegen gibt es zunehmend Vorbehalte von Künstlern. Um die Nutzung als Trainingsdaten zu verhindern, nutzen Sie die Metadaten von Bildern, um in maschinenlesbarer Form einer automatisierten Analyse zu widersprechen. Dies ist jedoch erst eine relativ neue Entwicklung und betrifft vor allem die Abbildungen von noch urheberrechtlich geschützten Kunstwerken. Künstler wollen dadurch verhindern, dass infolge von KI-Prozessen ihr Stil automatisiert nachempfunden wird.
3. Eigene Rechte am Scans
Die durch 3D-Scans entstehenden Kopien haben grundsätzlich keinen eigenen urheberrechtlichen Schutz.
Keine neuen Rechte an Reproduktionen
Reproduktionen von dreidimensionalen Objekten waren und sind in Europa grundsätzlich nicht urheberrechtlich geschützt. Dies ist in Hinblick auf den Schutz als Werk offensichtlich: Da es sich lediglich um die Reproduktion eines bereits bestehenden Werkes handelt, ist damit keine eigene persönliche, schöpferische Leistung verbunden.
Gleichwohl gab es eine lange rechtliche Auseinandersetzung um den rechtlichen Schutz von Reproduktionen gemeinfreier Werke. In Italien ging es dabei auch um Skulpturen, in Deutschland vorrangig um die Reproduktionsfotografie. Dort hatte der Bundesgerichtshof nach einem langen Rechtsstreit 2018 schließlich entschieden, dass Reproduktionsfotografien zwar nicht als Werke, wohl aber als bloße „Lichtbilder“ geschützt waren. Der Lichtbildschutz, den es zwar in einigen, nicht aber in allen Ländern der EU gibt, schützt – wie bereits oben ausgeführt – solche Fotografien, die keine Werke im Sinne einer persönlichen geistigen Schöpfung sind. Darüber hinaus könnte man auch einen Schutz der Daten eines 3D-Scans durch das Datenbankherstellerrecht denken.
Die Entwicklungen in verschiedenen europäischen Ländern, Reproduktionen gemeinfreier Werke durch verwandte Schutzrechte zu schützen, hat die EU veranlasst, im Rahmen der DSM-Richtlinie 2020 klarzustellen, dass bei der werkgetreuen Reproduktion von gemeinfreien Werke kein neuer Schutz entsteht – weder durch das Urheberrecht noch durch verwandte Schutzrechte. Dies wird durch Art. 14 der DSM-Richtlinie geregelt. Allerdings gilt dies nicht, sofern das durch die Vervielfältigung entstandene Material eine eigene geistige Schöpfung ist.
3D-Scans als eigenes Werk?
Angesichts dieser Formulierung in der DSM-Richtlinie stellt sich die Frage, unter welchen Umständen 3D-Scans als eigene Werke desjenigen gelten, der sie schafft.
Der bloße 3D-Scan als solcher ist kein eigenes Werk, sondern eine Vervielfältigung.
Im Weiteren ist zu unterscheiden. Es ist denkbar, dass die weitere Bearbeitung eines solchen Scans, oder die Wahl von Materialien und die Veränderung, die daran bei der Ausfertigung vorgenommen werden, selbst einen Werkcharakter haben. Denkbar wäre, einer gänzlich anderen Farb- und Materialgestaltung einen Werkcharakter zuzubilligen. Dann bezieht sich dieser urheberrechtliche Schutz aber weder auf das Original noch auf den 3D-Scan als solchen, sondern nur auf die spezifische Ausgestaltung und Kontextualisierung.
Aber selbst wenn man einen Werkcharakter durch die Bearbeitung verneint, ja selbst wenn auf der Grundlage des 3D-Scans eine absolut originalgetreue Kopie erstellt wird, kann der Präsentation und Kontextualisierung dieser Kopie ein Werkcharakter zukommen. Insofern sei auf das Konzept der „Ready-mades“ bzw. Objet Trouve verwiesen. Danach können auch Alltags- oder Naturgegenstände zum Kunstwerk avancieren (also „gemacht“ werden), indem der Künstler sie findet und in einen anderen Funktions- und Bedeutungszusammenhang integriert. Dies ist auch durch Scans von gemeinfreien Skulpturen denkbar, die eben infolge der nicht nur rechtlich zulässigen, sondern auch technisch jederzeit möglichen freien Nachnutzbarkeit in einen neuen Bedeutungszusammenhang gestellt werden – von einem museal ausgestellten und bewunderten Unikat zur jederzeit verfügbaren und nachnutzbaren Alltagsgegenstand.
4. Fazit
Das Urheberrecht gilt gemeinhin als Garant dafür, dass Künstlern auch eine Grundlage für die Verwertung ihre Werke gegeben wird. Dies erst schaffe die (materiellen) Voraussetzungen für künstlerische Kreativität. Im Bereich der 3D-Scans wird jedoch deutlich, dass dies keineswegs eine so zwingende und eindeutige Korrelation ist, wie oft behauptet wird.
Dies gilt zum einen, weil das Konzept des Urheberrechts, Verbreitungshandlungen (und damit auch die Wirkung) eines Werkes zu beschränken, zu kontrollieren und von der Zustimmung des Künstlers abhängig zu machen, nicht in jedem Fall im Interesse des Künstlers (und der Kunst) liegt. Dies wird durch den Zuspruch deutlich, den freie Lizenzen auch unter Künstlern haben.
Hinzu kommt, dass das Konzept des urheberrechtlichen Werkschutzes dort an seine Grenzen gerät, wo eine reine Kopie und freie Kopierbarkeit konzeptioneller Ausgangspunkt der Kunst ist. Denn dort besteht der künstlerische Schaffensakt ja in der Inszenierung und Kontextualisierung und auch in der freien Verfügbarkeit und Nutzbarkeit des Objektes. Und damit ist nicht das Objekt selbst das Werk, sondern seine Inszenierung, Nutzung und Nutzbarmachung. Von daher ist es auch kein Widerspruch, einem 3D-Scan „als solchem“ urheberrechtlichen Schutz abzusprechen und gleichwohl die spezifischen Inszenierung, ja sogar das Prinzip der freien Nachnutzbarkeit und Neukontextualisierung als künstlerischen Ausdruck zu begreifen. Es gehört zur großen und subversiven Kraft der Kunst, die Nachnutzbarkeit selbst zum konzeptionellen Prinzip zu erheben und damit die traditionelle Verhaftung des urheberrechtlichen Schutzes als eines Schutzes des Objektes vor der Kopie und Nachnutzbarkeit ad absurdum zu führen.
Vom Sockel geholt, zur Nachnutzung freigegeben
Der 3D-Scan wird so zu einer digitalen sozialen Plastik, bei welcher der durch die freie Nachnutzbarkeit vermittelte kommunikative Gehalt integraler Bestandteil ist.
Hier zeigt sich auch die besondere Kraft des Werkes von Oliver Laric. Wurde beim Ready-made ein vorbestehender, industrieller Gegenstand zum Kunstwerk erklärt und beispielsweise ein Urinal auf den musealen Sockel erhoben, so geht Laric den umgekehrten Weg: Durch die Erstellung von 3D-Scans holt er gemeinfreie Skulpturen vom Sockel der Museen herunter, befreit sie und macht sie für jede Nachnutzung zugänglich. Und durch seine eigene Nachnutzung kehrt diese Kopie des gemeinfreien Werks, angereichert durch die Besonderheiten von Larics Adaption und Inszenierung, wieder auf den Sockel des Museums zurück. Damit vollendet sich ein Kreislauf von Kreation, freier Verfügbarkeit, Adaption und Neuinterpretation, der die Grenzen urheberrechtlich vermittelter Werkkontrolle überwindet und Raum für immer Neues schafft.
Laric hebt die vorgefundenen Skulpturen durch seine 3D-Scans im dreifachen Sinne Hegels auf: Er überwindet sie, wie man eine alte Vorschrift aufhebt, da die Skulpturen aufhören, museale Unikate zu sein. Er bewahrt sie – und auch dies ist ja eine Bedeutung des Wortes „aufheben“ – indem er ihre Gestalt vervielfältigt, vor dem Vergessen bewahrt und neu kontextualisiert. Und letztlich hebt er sie dadurch auf eine neue Stufe, erhebt sie vom verstaubten musealen Unikat zur digitalen sozialen Plastik.
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DOI für diesen Text: https://doi.org/10.59350/b5cz8-kr253 · automatische DOI-Vergabe für Blogs über The Rogue Scholar
1 Kommentar
1 Bodo am 28. März, 2024 um 14:26
Ist der reine 2D Scan eines Blattes einer Zeitung aus dem Jahr 1820 irgendeinem Schutz unterlegen?
Ich frage ganz klar, da das Deutsche historische Museum solche Scans erzeugt, und auf Anfrage zur Nutzung für meine Webseite wurde mir ein Kostenvoranschlag gesendet:
Nutzungsvergütung pro Abbildung: Einmalige Einblendung auf einer Website, Bildgröße max. 1.200 x 1.200 Pixel, Bildnachweis am Bild, Motiv darf nicht einzeln downloadbar sein, Nutzungszeitraum bis 1 Jahr = 40 EUR bzw. bis 5 Jahre = 80 EUR
Auf meine Frage ob das Bild nicht Gemeinfrei wäre ist man nicht eingegangen.
Wie kommt das?
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