Wikipedia: Streit um Gemälde-Fotos aus Museum landet vor Gericht
Auslöser des Streits ist ein Foto, das der Hausfotograf der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen von einem Gemälde Richard Wagners angefertigt hatte. Ein Nutzer hatte das Bild auf Wikimedia Commons hochgeladen, das unter anderem als Bildarchiv für die Wikipedia dient. Das Urheberrecht am Wagner-Porträt des 1886 gestorbenen Malers Cäsar Willich ist abgelaufen, das Museum sieht jedoch die Foto-Reproduktion als geschützt an. Wikimedia hingegen vertritt den Grundsatz, dass keine neuen Rechte entstehen, wenn gemeinfreie Werke wie Gemälde originalgetreu reproduziert werden.
Nachdem Wikimedia den Forderungen der Einrichtung nicht nachgekommen sei, habe man vergangene Woche Unterlassungsklage am Landgericht Berlin eingereicht, so eine Sprecherin des Museums. Demnach sollen 17 Bilder gelöscht werden, die gegen den Willen der Reiss-Engelhorn-Museen auf Wikimedia Commons hochgeladen worden seien. Die Klage der Museen richtet sich zum einen gegen die Wikimedia Foundation mit Sitz in San Francisco, welche die Wikipedia und ihre Schwesterprojekte betreibt. Zum anderen gegen den Förderverein Wikimedia Deutschland, der nach Ansicht der Museen ebenfalls als Störer hafte, da er einen Zugang zu den Inhalten schaffe.
Bereits im Juli wurde bekannt, dass die Mannheimer Museen mehrere Website-Betreiber abgemahnt hatten, die das Foto des Wagner-Gemäldes bei sich verwendet hatten. Das Leipziger Internetradio Detektor FM gab widerwillig eine Unterlassungserklärung ab, „um Zeit und Nerven für den Journalismus zu sparen“. Die Website „Musical & Co.“ stellte ihren Betrieb bis auf Weiteres ein und hat sich unterdessen außergerichtlich mit der Einrichtung geeinigt.
Gemeinfreiheit
Gemeinfrei sind Inhalte, die nicht oder nicht mehr urheberrechtlich geschützt sind. Jeder kann mit ihnen machen, was er will. In Deutschland endet der Schutz 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Gemeinfrei sind zum Beispiel auch Ideen, einzelne Wörter oder Töne, weil sie allein noch keine „Werke“ sind. Auch „amtliche Werke“ wie Gesetzestexte sind vom Urheberschutz ausgenommen. In Ländern wie den USA steht der Begriff „Public Domain“ für ein ähnliches Modell.
Wem gehört, was Museen ausstellen?
Sowohl die Mannheimer Einrichtung als auch die Wikipedia-Community verbinden mit dem Fall grundsätzliche Fragen. Aus der Perspektive der Reiss-Engelhorn-Museen geht es darum, „über die Frage des Ob und vor allem des Wie der öffentlichen Zugänglichmachung unserer Bestände“ mitzuentscheiden, wie es in einer Erklärung (PDF) heißt. Besonders, wenn die Inhalte kommerziell verwendet würden, sei ein Entgelt berechtigt und diene dazu, die Kosten ihrer Digitalisierung zu decken. Wie hoch die Einnahmen durch Lizenzen sind, konnte die Einrichtung bislang nicht auf Anhieb sagen. Für Bildungszwecke oder Kultureinrichtungen stelle man Abbildungen aus den Beständen aber oft günstig zur Verfügung, betonen die Reiss-Engelhorn-Museen.
Aus der Perspektive vieler Mitwirkenden der Wikipedia-Community wiederum wird Kulturgut der Allgemeinheit entzogen, wenn die Gemeinfreiheit durch Rechte an den Reproduktionen gleichsam ausgehebelt werde und die Einrichtungen zugleich über den Zutritt zu ihren Beständen wachten. Die Wikipedia-Mitwirkenden dokumentieren Kulturschätze häufig auch mit selbst erstellten Fotos. Bei den Reiss-Engelhorn-Museen blieb auch dieser Weg bislang verschlossen. Die Wikipedia-Lizenz erlaubt auch die kommerzielle Nutzung, wofür sich die Einrichtung eine Genehmigung vorbehält.
So könnte der Streit daher zum Musterfall einer Frage werden, die gerade in der Wikipedia-Community stets leidenschaftlich diskutiert wird. In einer Abstimmung votierten Wikimedia-Commons-Mitwirkende im Sommer 2008 dafür, Fotos gemeinfreier Bilder weltweit mit der Markierung „PD-Art“ (gemeinfreie Kunst) zu versehen. Zuvor sahen die Community-eigenen Regeln vor, dass Foto-Reproduktionen von der Plattform gelöscht werden müssen, wenn sie im Ursprungsland geschützt sein könnten. Fremde Reproduktions-Fotos werden auf der Plattform seitdem von einem Hinweistext auf die Position der Wikimedia Foundation und mögliche nationale Sonderregeln begleitet. Das besagte Wagner-Bild ist seit kurzem mit einem weiteren, auffälligen Warnhinweis versehen.
Lichtbild oder nicht Lichtbild?
Rechtlich lässt sich der Streit vor allem an der Frage festmachen, wie viel Einfluss ein Fotograf auf das Ergebnis hat, wenn er ein Gemälde abfotografiert. Zwar ist nicht jedes Foto gleich ein Werk mit vollem Urheberschutz, doch daneben sind auch simplere Fotos als „Lichtbild“ für 50 Jahre ab Veröffentlichung geschützt. Hintergrund: Fotos waren früher nur sehr aufwändig herzustellen, zugleich galten sie kaum als Kunst, sodass sie eigens geschützt wurden.
Heute entstehen Bilder permanent durch alle möglichen Techniken – mal mehr, mal weniger automatisiert. Juristen interpretieren die Regelung mittlerweile meist so, dass etwa bei Fotokopierern oder Flachbettscannern kein solcher Lichtbildschutz entsteht, weil die Geräte nur mechanisch vervielfältigen. Um geschützt zu sein, sei auch bei einfachen Lichtbildern ein „Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung“ erforderlich. Hat ein Fotograf Einfluss auf Belichtung, Farbwiedergabe und andere Parameter, um ein Gemälde möglichst getreu zu fotografieren, lässt sich genau über diese Untergrenze vom Lichtbild zur bloßen Vervielfältigung streiten.
Initiativen wie das EU-Forschernetzwerk Communia haben die Diskussion bereits seit längerer Zeit aufgegriffen und treten an die Politik mit der Forderung heran, dass die Gemeinfreiheit bei Reproduktionen erhalten bleiben soll. Auch im kürzlich vom EU-Parlament verabschiedeten Reda-Bericht zum Urheberrecht findet sich die Forderung, der EU-Gesetzgeber solle die Sache klarstellen. Derweil können Kultureinrichtungen ihre Digitalisate aber auch selbst frei lizenzieren oder ihre Türen für Wikipedia-Fotografen öffnen, wie Kooperationen zwischen Wikimedia und anderen Kultureinrichtungen gezeigt haben. Das Bild des Richard Wagner sorgt nun jedoch erst einmal für eine Konfrontation.
5 Kommentare
1 Schmunzelkunst am 17. September, 2015 um 19:36
Im Urteil vom 7. Dezember 2000 – I ZR 146/98 – Telefonkarte – hat der BGH seine ablehnende Haltung gegenüber dem Leistungsschutz für Reproduktionsfotografien – mehr noch als im früheren Urteil Bibelreproduktion – deutlich artikuliert:
“Unabhängig davon müsste das Bild, für das die Klägerin den Schutz des § 72 UrhG in Anspruch nimmt, mehr sein als eine bloße technische Reproduktion einer bestehenden Graphik. Denn der technische Reproduktionsvorgang allein begründet noch keinen Lichtbildschutz (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1989 – I ZR 14/88, GRUR 1990, 669, 673 – Bibelreproduktion, m.w.N.; Schricker/Vogel, Urheberrecht, 2. Aufl., Par 72 UrhG Rdn. 22). Vielmehr ist ein Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung erforderlich, die dann zu verneinen ist, wenn ein Lichtbild oder ein ähnlich hergestelltes Erzeugnis nicht mehr als die bloße technische Reproduktion einer vorhandenen Darstellung ist.”
Allein der Umstand, dass innerhalb eines Reproduktionsvorgangs an irgendeiner Stelle eine Kamera als Kopiergerät verwendet wird, rechtfertigt auch m. E. keinen 50 Jahre langen Leistungsschutz.
Auch den Einwand, das ist bei Reproduktionen von Ölgemälden anders, weil die ja wegen der Pinselstriche quasi dreidimensionale Vorlagen sind, möchte ich nicht gelten lassen. Das hieße ja, Reprofotos von Ölgemälden können den Schutz genießen, Reproduktionen von Aquarellen, Zeichnungen und anderen Fotos aber nicht. Ich glaub, das wird am Ende nicht das Ergebnis des Rechtstreits sein.
2 bgs artMedia am 31. Januar, 2016 um 17:31
Wir hatten in einem ähnlichen Fall einen Rechtsstreit vor dem BGH gegen eine bekannte Stiftung von Kulturgütern aus Berlin gewonnen. Hintergrund war der Verkauf von Kunstdrucken und Postern über das Portal http://www.kunstbilder-galerie.de, von denen sich einige der Werke auch im „Eigentum“ bzw. in den Museen der Stiftung befinden. Zwar wurde von der Stiftung generell die Gemeinfreiheit der betroffenen Werke anerkannt, dann aber über das Hausrecht versucht, eine Monopolisierung der Verwertungsrechte zu erwirken. Erfreulicherweise hat der BGH dann auch in unserem Sinne entschieden – auch wenn die juristische Grundsatzfrage damals nicht abschließend geklärt wurde. In der Urteilsbegründung wurde darauf verwiesen, dass die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass das Hausrecht verletzt wurde.
3 Thomas Tunsch am 13. Mai, 2016 um 16:33
Hier geht es nicht nur um die rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Reproduktion von Museumsobjekten, sondern um die Zugänglichkeit des kulturellen Erbes.
4 Christian am 5. Juli, 2018 um 12:16
Wow – was ein Stress nur wegen einem Gemälde. Deswegen kaufe ich auch gar nicht mehr in Museen ein oder nutze eBay oder sowas dafür, eben weil Kunstraub inzwischen ein echt brandaktuelles Thema ist und ich damit einfach nichts zutun haben möchte. Dann kann man lieber mal etwas recherchieren und von unbekannten Künstlern Unikate kaufen. Dafür gibt es ja etliche Plattformen ( https://jakira.de/kunst/bilder ) usw… Immerhin hat man dann nicht die Angst, dass man ein geklautes Bild im Wohnzimmer stehen hat.
LG
Christian
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