Wann man für fremde Inhalte haftet – und wie man es verhindern kann
Zuerst einmal ist zu sagen: Ja, man kann grundsätzlich auch für fremde Inhalte haften, auch für solche, die man nicht selbst erstellt hat, sondern die von Nutzern der eigenen Webseite verfasst oder hochgeladen wurden. Allerdings haftet man nicht auf die gleiche Art wie für selbst erstellte Inhalte. Der Begriff dafür ist die Störerhaftung: Man haftet, weil man zwar nicht selber der Täter ist, aber dabei mitgewirkt hat, dass eine Rechtsverletzung begangen werden konnte.
Beispiel: Jemand betreibt ein Weblog, in dem die Leser die Beiträge kommentieren können. Ein Nutzer schreibt dort einen Kommentar, in dem er jemanden beleidigt. Der Nutzer, der den Kommentar verfasst hat, haftet für die Beleidigung; gegen ihn kann der Beleidigte vorgehen und zum Beispiel von ihm auch Schadensersatz fordern. Der Betreiber des Weblogs haftet dagegen nur, wenn er mögliche Pflichten zur Prüfung der Inhalte verletzt – und auch nur unter bestimmten Bedingungen. Er haftet, wenn er von einem konkreten Rechtsverstoß wie einem beleidigenden Kommentar Kenntnis hat und trotzdem nichts unternimmt. Gleiches gilt auch, wenn urheberrechtlich geschützte Filme oder Bilder von anderen Nutzern auf der eigenen Seite veröffentlicht werden oder Inhalte gegen den Jugendschutz verstoßen.
Wichtig ist dabei der Begriff des Diensteanbieters. Diensteanbieter ist zum Beispiel jeder, der eine Website betreibt, sei es ein Weblog, ein Diskussionsforum, ein Online-Magazin oder anderes. Was Diensteanbieter tun dürfen und lassen müssen, ist im Telemediengesetz geregelt. Dort heißt es in Paragraf 10 (Speicherung von Informationen):
Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern
- sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder
- sie unverzüglich tätig geworden sind, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald sie diese Kenntnis erlangt haben.
Wann ist ein Inhalt „fremd“?
Hier lauern viele Fallen. Wenn es heißt, dass Diensteanbieter für „fremde Informationen“ nicht verantwortlich sind, stellt sich die Frage, was genau „fremd“ bedeutet. Eindeutig ist, dass jeder Inhalt wie zum Beispiel ein Text, den der Betreiber einer Webseite selber veröffentlicht, nicht fremd sein kann – selbst wenn er den Text nicht geschrieben hat. Denn fremd sind Informationen nur dann, wenn Nutzer der Webseite sie veröffentlichen, nicht die Betreiber selbst. Das gilt zum Beispiel für Kommentare, Beiträge und Fotos in Foren und andere Inhalte.
Doch auch solche Inhalte können zu eigenen Inhalten werden, wenn man sie sich „zu eigen macht“. Das bedeutet, dass – rechtlich gesehen – aus einem fremden Inhalt ein eigener Inhalt wird, für den man voll haftet. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Nutzer auf einer fremden Facebook-Seite einen beleidigenden Text schreibt und der Seiteninhaber dazu den Kommentar schreibt: „Das sehe ich auch so!“.
Doch so eindeutig ist es nicht immer – was es schwierig macht, eine allgemein gültige Regel aufzustellen. So wurden bei der Seite Chefkoch.de, auf der Nutzer Rezepte einstellen können, die von Nutzern hoch geladenen Bilder nach Angaben des Betreibers „sorgfältig gesichtet und auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft“. Nachdem ein Nutzer ein urheberrechtlich geschütztes Bild ohne Erlaubnis des Fotografen hochgeladen hatte, wurde Chefkoch.de verklagt und auch verurteilt. Gerade weil der Betreiber die von Nutzern hochgeladenen Bilder überprüft und sich auch die Rechte daran hatte übertragen lassen, um sie dann zur Illustration der Rezepte zu verwenden, ging der Bundesgerichtshof davon aus, dass er sie sich zu eigen gemacht hatte.
Ein weiteres Beispiel sind eingebundene RSS-Feeds, also Inhalte, die automatisch von einem anderen Anbieter, etwa einem Nachrichtenangebot, übernommen werden. Hier hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Webseiten-Betreiber, der einen RSS-Feed einbindet, sich die Inhalte nicht zu eigen macht. Das gilt jedoch nur, so lange erkennbar ist, dass es keine eigenen Inhalte sind. In dem Urteil heißt es: „Die auf der Website der Beklagten dargestellten Inhalte sind auch als fremd gekennzeichnet worden, indem sich direkt unter der Überschrift der Verweis auf die Ursprungs- bzw. Zielseite – hier: ‚Bild.de’ – befindet. Dadurch wird dem Leser hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei dem Artikel nicht um eine eigene Berichterstattung der Beklagten, sondern um eine fremde Nachricht […] handelt.” Auch müsse der Betreiber nicht prüfen, ob die erkennbar fremden Nachrichten Rechte verletzen, so der BGH. Allerdings muss der Betreiber unter Umständen dafür sorgen, dass ein Beitrag, der Rechte verletzt, auch in Zukunft nicht wieder im Feed auftaucht.
Auf andere Angebote übertragen würde das bedeuten, dass man sich beispielsweise auch Twitter-Nachrichten nicht zu eigen macht, die man per Plugin in die eigene Webseite einbindet, indem man Tweets zu einem bestimmten Suchbegriff anzeigen lässt.
Wann muss man handeln?
Ist eindeutig, dass es sich bei umstrittenen Inhalten einer Webseite um fremde Inhalte handelt, die also auch nicht als „zu eigen gemacht“ angesehen werden können, gilt das Prinzip „nach Hinweis entfernen“, das in Deutschland häufig auch mit dem englischen Begriff „Notice and Takedown“ bezeichnet wird. Das bedeutet: Sobald der Betreiber Kenntnis von einer Rechtsverletzung hat, zum Beispiel ihn jemand per E-Mail darauf hinweist, muss er handeln. Ab diesem Zeitpunkt muss er entscheiden, ob er den Inhalt beseitigt oder nicht. Tut er es, ist die Sache erledigt. Tut er es nicht, kann er in Störerhaftung genommen werden – wenn tatsächlich eine Rechtsverletzung vorliegt.
Wann hat man Kenntnis?
Doch auch dann sind längst nicht alle Unklarheiten beseitigt. Denn nun geht es darum, wann der Betreiber eines Forums, Blogs oder Ähnlichem tatsächlich Kenntnis von einem Inhalt hat, der Rechte verletzt – oder nach Ansicht der Gerichte Kenntnis haben müsste.
Zwar gilt, dass der Betreiber die Inhalte nicht aktiv überwachen muss. Eigentlich klar, möchte man meinen. Doch kann Kenntnis auf ganz verschiedene Arten entstehen. So muss man nicht unbedingt ausdrücklich auf eine Rechtsverletzung hingewiesen werden. Es kann auch sein, dass man die Rechtsverletzung selbst entdeckt, oder ein Kollege. Wenn zum Beispiel ein Nutzer einen Kommentar im Blog oder Forum hinterlässt und dieser Kommentar wiederum von einem der Betreiber – oder auch einem Mitarbeiter – kommentiert wird, würde in der Regel davon ausgegangen, dass Kenntnis bestand.
Ähnliches kann gelten, wenn Kommentare, Forenbeiträge und Ähnliches vor der Veröffentlichung geprüft werden, etwa durch eine Vorabmoderation. Je eher ein Dritter den Eindruck bekommt, dass man Kenntnis von den fremden Inhalten auf seiner Seite hat, desto eher haftet man auch dafür.
Wann muss man selbst prüfen?
Abweichend vom Grundsatz, dass ein Betreiber die von Nutzern erstellten Inhalte nicht prüfen muss, wird eine Prüfung dann erwartet, wenn ein so genannter „kerngleicher“ Verstoß zu erwarten ist. Das ist etwa der Fall, wenn jemand ohne Erlaubnis ein urheberrechtlich geschütztes Bild hochlädt, dieses Bild nach Aufforderung durch den Rechteinhaber gelöscht wird, und später dieses Bild erneut hochgeladen wird.
Gleiches gilt, wenn eine Person, die bereits einmal in einem Forum beleidigt wurde, wieder beleidigt wird. Hier muss der Betreiber alles Zumutbare unternehmen, um derartige „kerngleiche“ Verstößen zu verhindern. Die Anforderungen dafür werden von verschiedenen Gerichten unterschiedlich hoch angesetzt; in der Regel kann man aber zumindest davon ausgehen, dass sie bei nicht-gewerblichen Webseiten wie etwa einem Blog niedriger sind als bei kommerziellen Anbietern. Hierbei kommt es allerdings immer auf den jeweiligen Einzelfall an – im Zweifel entscheidet ein Gericht.
Weiterhin kann eine aufgeheizte Stimmung unter den Kommentatoren als Anzeichen dafür gewertet werden, dass Rechtsverstöße drohen. Dann müssen nach Ansicht mancher Gerichte fremde Inhalte sogar überwacht werden. Dass die Anforderungen geradezu absurd hoch sein können, zeigt der Fall des Journalisten und Bloggers Stefan Niggemeier. In seinem Blog war in der Nacht von Samstag auf Sonntag um 3:37 Uhr morgens ein beleidigender Kommentar hinterlassen worden. Niggemeier löschte ihn um kurz nach 11 Uhr morgens. Diese Reaktionszeit hielt das Landgericht Hamburg für zu lang, da Niggemeier in seinem Artikel ein Unternehmen scharf kritisiert hatte. Das hätte nach Ansicht des Gerichts Grund genug sein müssen anzunehmen, dass es zu rechtsverletzenden Kommentaren kommen würde. Niggemeier hätte diese dann vor Veröffentlichung prüfen müssen. Viele Experten haben diese Entscheidung allerdings kritisiert und gehen davon aus, dass sie vor höheren Instanzen keinen Bestand gehabt hätte.
Wie schnell muss man handeln?
Liegt keiner dieser speziellen Fälle vor, muss man einen rechtswidrigen Inhalt „unverzüglich“ entfernen, sobald man Kenntnis von ihm hat. Wie schnell „unverzüglich“ ist, hängt von den konkreten Umständen ab. Nur in sehr außergewöhnlichen Fällen kann „unverzüglich“ bedeuten, dass Beiträge innerhalb weniger Stunden oder Minuten gelöscht werden müssen. Wie im oben beschriebenen „Fall Niggemeier“ kann das so sein, wenn der eigene Beitrag geradezu zu Rechtsverstößen einlädt.
Im Normalfall muss man mit so etwas aber nicht rechnen. Die Reaktionsdauer muss einerseits in einem angemessenen Verhältnis dazu stehen, wie kontrovers der eigene Beitrag ist. Andererseits muss die Reaktionszeit dem Betreiber zumutbar sein. Bei einem privaten Weblog mit wenigen Beiträgen wird „unverzüglich“ in der Regel später sein dürfen als bei einem kommerziell betriebenen Diskussionsforum.
Wann werden überhaupt Rechte verletzt?
Eine nicht zu unterschätzende Schwierigkeit liegt darin, zu beurteilen, wann eine Rechtsverletzung vorliegt. Typische Beispiele sind Beleidigungen, üble Nachrede, Verleumdung, Aufrufe zu Straftaten und Urheberrechtsverletzungen. Doch oft ist es für Laien gar nicht einfach zu erkennen, ob es sich tatsächlich um eine Beleidigung handelt, ob jemand besonders empfindlich ist, oder eine Meinungsäußerung vorliegt, die rechtlich nicht zu beanstanden ist. Daher gilt in der Regel: Sobald ein fremder Inhalt beanstandet wird, sollte er von der Seite genommen werden, um in Ruhe zu prüfen, ob er tatsächlich rechtswidrig ist. Das wird in vielen – wenn nicht den meisten – Fällen nur mit Unterstützung eines spezialisierten Rechtsanwalts zuverlässig möglich sein.
Rechtsfragen im Netz
Dieser Text ist im Rahmen der Themenreihe „Rechtsfragen im Netz“ in Zusammenarbeit mit Klicksafe entstanden. Klicksafe ist eine Initiative im Rahmen des „Safer Internet Programme“ der Europäischen Union, getragen von der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz und der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen.
Der Text steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung – Keine Bearbeitung 2.0 Deutschland (CC BY-ND 2.0 DE).
Was sagen Sie dazu?