Streit um Zweitveröffentlichungen: Verlage nehmen Researchgate ins Visier

Screenshot: Die Startseite von Researchgate
Was Facebook für viele Internetnutzer, sind Academia.edu oder Researchgate für viele Forscher: Nicht nur aktuelle Fachartikel finden sich auf den Plattformen, auch zur Vernetzung und zum Austausch unter Wissenschaftlern haben sie sich verbreitet. Researchgate zählt nach eigenen Angaben rund 13 Millionen Nutzer. Zu den Investoren des Unternehmens mit Sitz in Berlin und Boston zählen Bill Gates und Goldman Sachs. Geld verdient es durch Werbung und einen Stellenmarkt.
Doch die auf Researchgate von Forschern hochgeladenen Publikationen könnten noch größeres Konfliktpotenzial bergen. Die STM Association, eine internationale Branchenvereinigung wissenschaftlicher Fachverlage, hält den Umgang mit Urheberrechten auf der Plattform für zu nachlässig. In einem Schreiben an Researchgate vom 15. September fordern Anwälte der Vereinigung das Unternehmen auf, einer Einigung zuzustimmen, die Verlagen mehr Kontrolle über die hochgeladenen Artikel geben würde.
Upload-Filter und mehr Prüfungen gefordert
Die STM Association fordert von Researchgate, mit den „freiwilligen Prinzipien zum Teilen von Artikeln“ der Vereinigung konform zu gehen. Dazu hätten die Mitgliedsverlage für Researchgate „eine Lösung ausgearbeitet“, heißt es in dem Schreiben.
Demnach stehe ein System „zur Implementierung durch die STM-Mitglieder bereit“, das die hochgeladenen Inhalte automatisiert durchforsten soll. Das System soll erkennen, ob die hochgeladenen Beiträge öffentlich oder nur geschlossenen Forschergruppen zugänglich gemacht werden können. Bereits vorhandene Publikationen sollen gesondert überprüft werden. Zudem fordert die Vereinigung von Researchgate, keine Metadaten oder sonstigen Inhalte mehr aus anderen Quellen zu extrahieren und in eigenen Datenbanken zu speichern.
Bislang setzt Researchgate auf die Zusicherung seiner Nutzer, über alle nötigen Rechte zu verfügen, wenn sie eigene Artikel hochladen. Wer seine Rechte verletzt sieht, kann die Betreiber darauf hinweisen. Wenn diese trotz Kenntnis nichts unternehmen, haften sie.
Verlage an Researchgate: Kooperation oder Klage
In dem Schreiben an Researchgate formulieren die STM-Anwälte vieles durch die Blume: So legen sie nahe, dass auf Researchgate in großem Umfang Urheberrechte missachtet werden. Wenn das Unternehmen nicht binnen einer Woche auf die Vorschläge eingehe, stehe es den STM-Mitgliedern frei, nach eigenem Ermessen „einzeln oder in Gruppen“ auf Researchgate zurückzukommen. Das lässt sich als Ankündigung von Einzel- oder Sammelklagen verstehen.
Ob auf der Plattform tatsächlich in größerem Umfang Urheberrechte verletzt werden, lässt sich schwer nachprüfen. iRights.info hat Researchgate um eine Stellungnahme angefragt; folgt eine Antwort, wird sie in diesem Artikel ergänzt.
Für viele Forscher dürfte zumindest nicht leicht zu überschauen sein, wann sie eigene Artikel veröffentlichen dürfen, die sie in Fachzeitschriften publiziert haben. Neben den gesetzlichen Regelungen – etwa zum Zweitveröffentlichungsrecht in Deutschland – gibt es unterschiedliche Hausregeln der Verlage, oft unterschieden nach Manuskript- und Verlagsfassung. Auch individuelle Abmachungen etwa in Verlagsverträgen sind möglich.
Plattformen in der Wissenschaft
Für die Verlage in der STM Association dürfte es in der Auseinandersetzung auch darum gehen, auf welchen Plattformen sich Wissenschaftler in Zukunft tummeln. Dort fallen Daten an, die zur Basis weiterer Dienste werden können. So hat etwa Researchgate eine eigene Kennzahl entwickelt, die ähnlich wie der Impact-Faktor den Einfluss eines Forschers messen soll.
Zu den STM-Mitgliedern wiederum gehört etwa Elsevier, das mit Mendeley einen konkurrierenden Dienst erworben hat. Elsevier setzt darauf, seine Angebote zu einem „Betriebssystem der Wissenschaft“ zu verbinden. Ob das gelingt, ist offen. Netzwerk- und Skaleneffekte könnten jedenfalls auch in der Wissenschaft die Herausbildung zentraler Plattformen unterstützen.
„Dark Sharing“ als Lückenfüller
Unter Forschern sind die akademischen Social Networks nicht unumstritten. So hatten auch Wissenschaftler kritisiert, Researchgate locke Nutzer mit automatisiert erstellten Profilen und scheinbaren Einladungen von Kollegen auf die Plattform. Andere bezweifeln eher allgemein die Tauglichkeit gewinnorientierter Plattformen für die Wissenschaft.
Dennoch scheinen die Dienste für viele Forscher attraktiver als etwa ein Repositorium ihrer Einrichtung, auf dem ebenfalls Publikationen hinterlegt werden können. Jon Tennant, Mitarbeiter der Plattform Scienceopen, hält es für „kein großes Geheimnis”, dass viele Artikel ohne entsprechende Befugnis auf den Plattformen hochgeladen würden. Wo Verlagsverträge Forscher daran hinderten, ihre Ergebnisse zu teilen, verbreite sich ein „Dark Sharing“.
Das Vorgehen der STM-Vereinigung könnte nun dafür sorgen, die Karten unter den Wissenschafts-Plattformen neu zu verteilen. Für ein Kräftemessen laufen sich die Wissenschaftsverlage jedenfalls schon einmal warm.
1 Kommentar
1 Prof. Dr. Hermann Otto am 18. Oktober, 2017 um 13:35
Die Hauptarbeit an Publikationen haben unbestritten die Forscher, und oft genug machen es sich die Verlage sehr bequem, auch das Editieren den Forschern zu überlassen. Dafür verlangen die Verlage dann üppige Nutzungsgebühren.
Für mich als aktivem Wissenschaftler im Ruhestand ist Researchgate ein wahrer Segen, erspart es doch oft genug das mühsame Aufsuchen von Universitätsbibliotheken. Dort hätte ich ja sonst auch den Zugriff auf Publikationen.
Ich sehe gerade für ältere Wissenschaftler einen Multiplikationseffekt der Forschung.
Man sollte besser den Verlagen auf die Finger sehen.
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