Lammert unter Druck: Plagiatsvorwurf wegen Doktorarbeit
Als Norbert Lammert 1974 seine Dissertation mit dem Titel „Lokale Organisationsstrukturen innerparteilicher Willensbildung – Fallstudie am Beispiel eines CDU-Kreisverbandes im Ruhrgebiet“ abgegeben hatte, ahnte er wohl nicht, dass diese ihm viele Jahre später unruhige Tage bescheren würde. Als Präsident des Deutschen Bundestages ist der CDU-Politiker Lammert nach dem Bundespräsidenten die Nummer Zwei in Deutschlands politischem System. Nun werden Vorwürfe laut, Lammert sei damals nicht nur unsauber bei der Erstellung gewesen, sondern er habe möglicherweise auch zu Teilen ein Plagiat abgeliefert.
Heftige Vorwürfe, mit denen sehr vorsichtig umgegangen werden muss. Ein pseudonymer Blogger macht auf das mögliche Fehlverhalten aufmerksam. „Robert Schmidt“ legt auf der Website lammertplag zur „Dokumentation wissenschaftlichen Fehlverhaltens in der Dissertation von Prof. Dr. Norbert Lammert“ seine Erkentnisse folgendermaßen dar:
(…) auf den rot hervorgehobenen 42 Seiten finden sich Passagen aus 21 Quellen, bei denen ich Unregelmäßigkeiten festgestellt habe. Hierbei handelt es sich vorwiegend, aber nicht ausschließlich um Plagiate. Ergiebigste Gesamtquelle für regelwidrige Übernahmen scheint ein Sammelband des Politologen Wolfgang Jäger zur Parteienforschung zu sein. Insgesamt gibt der Verfasser vor, eine Literaturrezeption geleistet zu haben, die er in diesem Umfang nicht selbst erbracht hat. Einen erheblichen Teil der als verwendet angegebenen Literatur hat er ganz offenbar nicht gelesen; dies wird insbesondere anhand der Übernahme zahlreicher charakteristischer Fehler aus der Sekundärliteratur deutlich. Genuine Fehler des Verfassers – also solche, die nicht mit Übernahmen aus Sekundärquellen im Zusammenhang stehen – habe ich in der Regel nicht erfasst. Die Arbeit enthält einen Hauptteil von 116 Seiten, auf denen ein wissenschaftlicher Diskurs stattfindet. Inhaltsverzeichnis, Vorwort des Herausgebers, Vorbemerkung, Dokumentation, Literaturverzeichnis und Sachregister habe ich nicht gesondert untersucht. Der 91 Seiten umfassende Dokumentationsteil, dessen einzelne Punkte und Unterpunkte nicht in der Gliederung aufgeführt sind, besteht lediglich aus der Reproduktion von Satzungen, Anträgen, Geschäftsberichten, Rundschreiben etc. pp.
Norbert Lammert, Foto: Deutscher Bundestag / Melde, Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany (CC BY-SA 3.0 DE)
Die Überprüfung der Arbeit hat „Robert Schmidt“ nach eigenen Angaben nach circa einem Drittel vorläufig gestoppt, da der Zeitaufwand zu groß geworden sei. Zu den bemerkenswerten Fundstellen zählen laut der Untersuchung bislang beispielsweise
Seite 3 und Seite 4 übernimmt der Verfasser zum größten Teil aus einem Aufsatz von Hans-Otto Mühleisen.
oder
Auf Seite 37 verweist der Verfasser auf ein Buch, das nicht existiert und dessen bibliografische Daten er von Jäger übernimmt.
Lammert reagierte nach Bekanntwerden der Vorwürfe umgehend und bat die Ruhr-Universität Bochum, an deren sozialwissenschaftlicher Fakultät die Doktorarbeit damals abgenommen wurde, eine abermalige Prüfung durchzuführen. Die Universität hat nun mit dem Prüfungsverfahren begonnen. Zudem ist Lammert in die Offensive gegangen und hat seine Doktorarbeit (PDF-Dokument) für alle einsehbar ins Internet gestellt. In den einleitenden Worten, die dem Dokument vorangestellt sind, heißt es:
(…) er habe seine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen verfasst und sei von ihrer wissenschaftlichen Qualität überzeugt.
Im Gegensatz zu anderen bekannten Plagiaten wie in den Fällen zu Guttenberg oder Koch-Mehrin wählt Lammert den Weg der Transparenz und schnellen Aufklärung. Wichtig ist an dieser Stelle festzustellen, dass die Unschuldsvermutung gilt und Lammert aktuell einem Verdacht – aber keiner Vorverurteilung – ausgesetzt sein sollte. Die genaue Überpüfung sollte nun abgewartet werden.
iRights.info berichtet seit vielen Jahren über die schwierige Frage, wann überhaupt ein Plagiat vorliegt. Das ist nicht trivial zu beantworten und bedarf eines genauen Blickes. In unserem Text “Meine Worte, deine Worte” widmen wir uns zunächst dem Zitat. Um die Dimension eines Plagiats zu verstehen, sind diese Informationen als Grundlage wichtig. Wann die nächste Stufe erreicht wird, erklärt der Text “Plagiate – Abschreiben verboten”. Im Zuge des letzten größeren prominenten Plagiatsfalles der ehemaligen Bundesministerin für Bildung und Forschung Anette Schavan, hat iRights.info ein Interview mit der “Plagiatsjägerin” Debora Weber-Wulff geführt. Als Ursache von Plagiaten sieht sie nicht nur systematische Fahlanreize an Universitäten als wichtigen Punkt, sondern erläutert auch die Motivation von Menschen wie „Robert Schmidt“, echtes oder zunächst vermeintliches wissenschaftliches Fehlverhalten zu verfolgen.
2 Kommentare
1 Géza Székely am 30. Juli, 2013 um 21:23
„Robert Schmidt“ Website lammertplag ist ein Beweis, dass Norbert Lammert sein Dr Titel “unsauber ” erworben hat.
2 Martin Wisemann am 31. Juli, 2013 um 19:55
Egal – ob Plagiat oder nicht …
Es ist schon sehr bedenklich was in sehr vielen angeblich “wissenschaftlichen” Fachbereichen
so als Themen für eine Dissertation vergeben werden.
Doktor ist nicht Doktor, eher mehr ein dubioses “pseudoakademisches” Geschenk.
In den vielen Pseudowissenschaften (- damit ist auch Jura gemeint -) sollte man nur noch ein Diplom, Bachelor oder Mastergrad vergeben dürfen. Alles andere wirkt – zunehmend albern.
Was sagen Sie dazu?