Papieraufkommen zum EU-Urheberrecht steigt
Das Blog „The IP Kat“ hat am Montag auf einen Entwurf für ein Weißbuch (PDF) der Europäischen Kommission zur Urheberrechtsreform hingewiesen, der als Dropbox-Datei im Netz zugänglich ist. In offizieller Fassung wird die Veröffentlichung in den kommenden Wochen erwartet. Ein Weißbuch fasst zusammen, was die Europäische Kommission auf einem Gebiet zu tun erwägt; in der Farbenlehre der Kommission folgt es oftmals einem früheren, eher explorativen Grünbuch. Vor diesem Hintergrund bleibt der Entwurf, dessen Echtheit noch nicht bestätigt wurde, allerdings weithin im Ungefähren.
Kommissions-Entwurf: Lizenzen sollen es richten
Im Großen und Ganzen belässt es der 20-seitige Entwurf beim Status quo der EU-Urheberrechtsarchitektur und stellt einzelne Stellschrauben in den Mittelpunkt, an denen die Kommission drehen könnte. So erwägt die Kommission unter anderem, einzelne Verwertungsrechte wie die „öffentliche Zugänglichmachung“, also das Anbieten im Netz EU-weit einheitlich zu definieren, was grenzüberschreitende Angebote erleichtern soll. Unterschiede bei den urheberrechtlichen Ausnahmeregelungen in den EU-Ländern macht die Kommission als weiteres Problemfeld aus, beim jetzigen System optionaler Schranken in der Urheberrechts-Richtlinie soll es grundsätzlich aber bleiben.
Die Kommission sieht auch in weiteren Bereichen Probleme mit bestehenden Regelungen, die Lösung erblickt sie dem Entwurf nach vor allem in Lizenzen, also der individuellen Rechtevergabe. Diese Lizenzvergabe soll reibungsloser und möglichst EU-weit vonstatten gehen. Dazu gab es bereits 2013 einen institutionalisierten Dialog mit Interessensvertretern, genannt „Licenses for Europe“, den einige Gruppen nach anfänglicher Beteiligung frustriert verließen, nicht ohne zuvor noch einen offenen Brief an die Kommission zu veröffentlichen.
Neuen gesetzlichen und allgemein gültigen Schrankenregelungen, wie etwa der Forderung nach einem „Recht auf Remix“, erteilt der jetzt bekannt gewordene Kommissions-Entwurf mit dem Fokus auf Lizenzen indirekt eine Absage. Die Kommission hofft hier auf sogenannte Mikro-Lizenzen und Rechte-Datenbanken. Es sei nicht belegt, dass die geltenden Regelungen nutzergenerierte Inhalte ausbremsten, heißt es. „Überhaupt stellt sich nach Lektüre des Entwurfs die Frage, ob die EU-Kommission an ernsthafter Modernisierung des Urheberrechts interessiert ist“, kommentiert Leonhard Dobusch den Entwurf bei netzpolitik.org.
Kommissions-Studie skeptisch zu neuen Ausnahmeregeln
Ebenfalls am Montag veröffentlichte die EU-Kommission eine neue Studie über Ausnahmeregelungen im Urheberrecht. Sie trägt den vollen Titel: „Abschätzung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Anpassung bestimmter Ausnahmen und Schranken des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte in der EU – Analyse spezifischer regulatorischer Optionen“ (PDF). Sie bildet den zweiten Teil einer Untersuchung im Auftrag von Binnenmarktkommissar Michel Barnier und fügt sich auch in eine ganze Studienreihe aus dessen Generaldirektion, darunter zur EU-Urheberrechts-Richtlinie allgemein (PDF) und zu den Regelungen im Bereich Text- und Data Mining (PDF).
Die neue Studie untersucht die Handlungsoptionen in vier Bereichen, in denen es spezifische urheberrechtliche Ausnahmeregelungen gibt: bei Archiven und Bildungseinrichtungen, beim elektronischen Buchverleih in Bibliotheken, beim Text- und Data Mining und bei der Privatkopie. Insgesamt macht die Studie deutlich zurückhaltende Vorschläge. Archive und Bildungseinrichtungen etwa benötigten zwar einige Klärungen beim Vervielfältigungsrecht. Ein Recht, die Inhalte auch im Internet zugänglich zu machen, führe jedoch zu verminderten „Schaffensanreizen“ für Rechteinhaber. „Daher befürworten wir derzeit den Status quo“, heißt es.
Unter bestimmten Voraussetzungen plädiert die Studie dafür, Text- und Data Mining für nichtkommerzielle Forschungszwecke allgemein zu erlauben. Beim elektronischen Verleih durch Bibliotheken ist sie unentschieden; bei der Privatkopie-Vergütung zeigt die Studie die Tendenz, bestimmte Nutzungen wie Streaming davon auszunehmen und es bei individuellen „Nutzungslizenzen“ zu belassen. Wie weit eine neue Kommission auf die gesammelten Werke aus dem Hause Michel Barniers zurückgreifen wird, muss sich noch erweisen.
Europäischer Verlegerrat: Rechtesprachen und EU-weiter Snippet-Schutz
Passend zum anstehenden Weißbuch hat der Europäische Verlegerrat (EPC) ein neues Positionspapier zum Urheberrecht vorgestellt. In dem 81-seitigen Dokument „From Vision to Reality – Copyright enabled on the network“ (PDF) wirbt der Dachverband insbesondere um weitere politische Unterstützung für sein Projekt „Linked Content Coalition“, das an einer maschinenlesbaren Rechte- und Lizenzierungssprache arbeitet. Im Rahmen des Projekts „Rights Data Integration“ fördert die Kommission seit 2013 eine Referenz-Implementierung des Modells.
Beim Urheberrecht stellen die im EPC zusammengeschlossenen Verleger – darunter Axel Springer, Burda, Holtzbrinck, Reed Elsevier, Ringier und Thomson Reuters – weitere Forderungen auf. So sollen Links auf „offensichtlich rechtswidrige“ Inhalte als eigene Urheberrechtsverletzung eingestuft werden, wofür das Papier Anknüpfungspunkte im Svensson-Urteil des Europäischen Gerichtshofs sieht.
Nach dem Vorbild des deutschen Presse-Leistungsschutzrechts fordert der EPC nun einen „äquivalenten Rechtsschutz“ auch in anderen Ländern. Der Erschöpfungsgrundsatz und damit das Recht, digitale Inhalte weiterzuverkaufen, soll auf Software beschränkt bleiben, „Fair use“ nach US-Vorbild lehnen die Verlage ab. Daneben wiederholt das Papier bereits bekannte Forderungen (PDF) zur Rechtsdurchsetzung.
1 Kommentar
1 Leonhard Dobusch am 24. Juni, 2014 um 11:47
Danke für die Zusammenstellung und das Zitat. Zu der Copyright-Vision des EPC gibt es inzwischen bereits eine Antwort des Bibliotheksverbands LIBER in Form eines offenen Briefs( PDF).
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