Europäischer Gerichtshof: Verlinkung bleibt urheberrechtsfrei, wenn Inhalte frei zugänglich sind
Verlinkungen auf frei zugängliche Quellen im Netz sind keine urheberrechtlich relevante Nutzung – wer verlinkt, braucht dafür weder eine Genehmigung noch muss er zahlen. Dieser Teil des Urteils, das der Europäische Gerichtshof heute im Fall „Svensson“ gefällt hat, kommt wenig überraschend. In Deutschland hatte der Bundesgerichtshof im Fall „Paperboy“ schon 2003 vergleichbar entschieden.
Was evident erscheint, sorgt juristisch jedoch bis heute für Streit. Im jetzt vom Europäischen Gerichtshof ausgelegten Fall aus Schweden klagten vier Journalisten gegen den Monitoringdienst „Retriever“. Der Dienst sammelt neue Artikel zu einem Thema und weist angemeldete Nutzer auf die Fundstelle hin.
Dafür forderten die Journalisten – darunter der namensgebende Nils Svensson – eine Vergütung; sie hatten Artikel in der Zeitung „Göteborgs-Posten“ im Print und frei online veröffentlicht. Retriever-Nutzern sei nicht klar, dass sie auf die Nachrichtensite weitergeleitet würden. Retriever entgegnete, dass die jeweiligen Artikel lediglich verlinkt werden. In erster Instanz gewann Retriever, das Berufungsgericht rief dann den EuGH zu Hilfe.
Verlinkung schafft kein „neues Publikum“ bei frei zugänglichen Inhalten
Der EuGH hat jetzt entschieden: Zwar kann auch eine Verlinkung eine „öffentliche Wiedergabe“ im urheberrechtlichen Sinn sein. Dann müssten Rechteinhaber sie genehmigen. Wenn die verlinkte Seite aber frei zugänglich ist, wird damit keine neue Öffentlichkeit geschaffen – und die Verlinkung bleibt erlaubt. Anders wäre es, wenn die verlinkten Inhalte vom Websitebetreiber geschützt werden, weil dann ein neues, größeres Publikum als vorher angesprochen werde. Auch das erinnert an eine weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Verlinkung („Session-ID“).
Der konkrete Streit brachte weitere Fragen des schwedischen Berufungsgerichts mit sich. So hat der Gerichtshof entschieden:
- Welchen Eindruck die verlinkte Seite beim Nutzer hervorruft, spielt keine Rolle. Auch wenn Nutzer den Eindruck haben, dass der verlinkte Inhalt auf der Ausgangsseite erscheint, ändert das nichts an der Sache. Dieser Punkt ist für den Streit um Embeds wichtig, wenn also ein fremder Inhalt auf anderen Seiten eingebettet angezeigt wird.
- Strengere Regelungen der EU-Länder, als die Urheberrechtsrichtlinie der Europäischen Union vorsieht, sind bei der „öffentlichen Wiedergabe“ nicht erlaubt. Die EU-Länder dürfen also Hyperlinks nur soweit für rechtlich relevant erklären, wie es die EU-Vorgaben hergeben.
Für Video-Embeds könnte Ähnliches gelten
Mit dem Urteil ist nun auch der Weg frei für eine weitere Entscheidung des EuGH über das Einbetten von Videos (von Gerichten etwas missverständlich auch als „Framing“ bezeichnet, was allerdings in den frühen Jahren des Internet eher das kaum auffallende “Umrahmen” ganzer Webseiten meinte). Der Bundesgerichtshof hat einen Streit über Youtube-Embeds ebenfalls an den EuGH verwiesen. Hier streitet ein Händler von Wasserfiltern mit einem konkurrierenden Hersteller, dessen Werbevideo der Händler einbettete. Das Urteil darüber wurde bis zur Svensson-Entscheidung in die Warteschleife geschickt.
Das Urteil heute legt nahe, dass auch Embeds ebenso behandelt werden wie Verlinkungen, solange mit einem Video-Embed kein „neues Publikum“ erreicht wird – Nutzer können eingebettete Videos schließlich auch anderswo sehen. Der Bundesgerichtshof fragt allerdings, ob beim Einbetten ein neues, „unbenanntes“ Verwertungsrecht ins Spiel kommen könnte. Dazu sagt der Europäische Gerichtshof im Svensson-Urteil nichts.
Kernfunktionalität des Internets
Im Vorfeld der Entscheidung hatte sich unter anderem die European Copyright Society, ein unabhängiger akademischer Zusammenschluss von Urheberrechtlern, mit einer Stellungnahme eingebracht. Das Verlinken gehöre zu den Kernfunktionen des Internets und sei unmittelbar mit der Meinungs-, Informations- und Gewerbefreiheit verbunden. Links als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne des Urheberrechts zu betrachten und lizenzpflichtig zu machen, sei ein „absurdes Vorhaben“.
Diesem Grundsatz hat sich der EuGH nur teilweise angeschlossen. Er hält es nicht prinzipiell für abwegig, dass Verlinkungen in die Verwertungsrechte von Urhebern eingreifen. Einige Rechteinhaber-Verbände vertreten die Position, dass bestimmte Verlinkungen Urheberrechte verletzen können, etwa bei illegalen Quellen oder beim Embedding – so die Position der Autorenvereinigung ALAI oder der niederländischen Verwertungsgesellschaft BUMA. Die österreichische AKM und die GEMA haben das auch in der derzeit laufenden EU-Konsultation zum Urheberrecht vertreten.
11 Kommentare
1 Schmunzelkunst am 13. Februar, 2014 um 20:24
Eine Frage, die auch nach der Entscheidung über die Einbettung von Videos, vermutlich offen bleiben wird: Dürfen auch fremde Kartendienste (Web Map Services oder kurz WMS, deren Internetadresse bekannt ist, in eigene Homepages eingebettet werden? WMS könnten im Gegensatz zu narrativen Texten, Bildern und Videos Datenbanken sein. Dann sieht die Sache anders aus.
MfG
Johannes
2 Bernhard am 14. Februar, 2014 um 11:13
Grundsätzlich stimme ich ja auch zu, dass die Vorderungen der GEMA bzgl. der Einbettungen von Videos ungerechtfertigt sind. Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier versucht wird, eine Vergütung auf dem Rücken von Bloggern zu erreichen, da man bei den Verhandlungen mit YouTube nicht auf sein Wunschziel kommt.
Aber ich sehe es nicht so, dass eine Verlinkung gleichbedeutend mit einem Link ist. Denn bei einer Verlinkung mache ich mir ja nicht den verlinkten Text zu eigen (ich zeige ihn also nicht in Kopie auf der eigenen Seite an). Daher wäre für mich auch nur eine Verlinkung auf ein Video gleichwertig zu betrachten. Die Einbindung eines Videos (oder eines Bildes oder Textes), greift wohl stark in das Verwertungsrecht des Urhebers ein. Und hier würde ich auch sagen, dass es dem Urheber freistehen sollte, wer sein Werk weiterverbreiten darf. Denn nur aus der Tatsache, dass es an anderer Stelle schon frei verfügbar ist, kann kein Recht zur Weiterverbreitung abgeleitet werden.
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