Informationsfreiheit: Bitte nicht in meinem Garten
Das schwedische Informationsfreiheitsgesetz feierte im Dezember sein 250-jähriges Bestehen, der US-amerikanische Freedom of Information Act wurde im Sommer 50 Jahre alt. Sein deutsches Pendant, das IFG, hatte 2016 gerade einmal seinen zehnten Geburtstag. Und trotzdem scheint es schon hoffnungslos veraltet.
So liegt das deutsche Informationsfreiheitsgesetz im internationalen Vergleich abgeschlagen auf Platz 105 von 111. Das „Right To Information Rating“ der Nichtregierungsorganisationen Access Info Europe und des Centre for Law and Democracy aus Kanada vergleicht Gesetzestexte, aber nicht die Umsetzung von Informationsfreiheitsgesetzen. Während Bundesländer wie Bremen und Hamburg inzwischen viele Daten der Verwaltung aktiv im Internet veröffentlichen, antworten viele Bundesbehörden auf Informationsfreiheits-Anfragen grundsätzlich noch nicht einmal per E-Mail.
Informationsfreiheit
Gesetze zur Informationsfreiheit ermöglichen es jedem, Informationen vom Staat zu erfragen und Daten der Verwaltung zu bekommen. Auskunft geben müssen grundsätzlich alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, zum Beispiel Ministerien oder Ämter. Neben dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes gibt es dazu unterschiedliche Regelungen der Länder und in Kommunen. Mehr zum Thema.
Bietet sich da nicht eine Reform des Gesetzes an? Nein, sagt der Verwaltungsrechtler Friedrich Schoch. Der Autor des wichtigsten juristischen Kommentars zum Informationsfreiheitsgesetz plädiert dafür, das Gesetz vorerst nicht weiter zu verändern.
In dieser Konsolidierungsphase des Gesetzes solle den Behörden Zeit gegeben werden, sich weiter an die Anwendung des Gesetzes zu gewöhnen, Gerichte könnten Einzelheiten klären, so Schoch auf einer Konferenz der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit. Befasse sich die Politik erneut mit dem Gesetz, drohten statt einer Verbesserung vor allem weitere Ausnahmen, mit denen Behörden Informationen verweigern können.
Ausnahme für den Bundesrechnungshof – auch Bundestag wollte Schlupfloch
Tatsächlich hat sich die Situation der Informationsfreiheit auf Bundesebene in den letzten Jahren verschlechtert. Zwar haben Gerichte immer wieder klargemacht, dass der Zugang zu Informationen zum Beispiel auch für Organe und Einrichtungen wie den Bundestag und den Bundesrechnungshof gilt.
Aus der Politik kam das zugrundeliegende Gesetz allerdings stark unter Beschuss: Im Jahr 2013 nahm der Bundestag in einer Nacht- und Nebelaktion den Bundesrechnungshof von seinem Anwendungsbereich aus. Andernfalls wären Rechnungshofberichte zu den Parteienfinanzen öffentlich geworden.
Auch der Bundestag soll im Frühjahr informell beim Innenministerium angefragt haben, ob nicht auch er generell vom Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen werden könne. Gesucht war ein Schlupfloch, um nicht tausende Gutachten seiner wissenschaftlichen Dienste offenlegen zu müssen, wie es die Kampagne „Frag den Bundestag“ verlangte. Erst als das Ministerium abwinkte, gab der Bundestag widerwillig die Dokumente heraus.
Verschlimmbesserungen in Rheinland-Pfalz
Müsste das Gesetz dann aber nicht gerade gegen den Widerstand von Teilen der Verwaltung reformiert werden? Die Erfahrungen in Rheinland-Pfalz sprechen dagegen: Die rot-grüne Regierung unter Malu Dreyer entwickelte das Landesgesetz zur Informationsfreiheit zwar jüngst zu einem Transparenzgesetz weiter, auch unter Beteiligung der Bevölkerung.
Der Einführung von aktiven Veröffentlichungspflichten stehen aber Verschlechterungen in einigen anderen Bereichen gegenüber. So konnten unter anderem die Hochschulen durch hartnäckiges Lobbying durchsetzen, dass sie im Gegensatz zum Vorgängergesetz nicht mehr auf Anfragen von Bürgern antworten müssen.
Und auch Schleswig-Holstein schickt sich an, mit der bevorstehenden Reform seines Informationszugangsgesetzes teilweise Verschlechterungen festzuschreiben. Ausgerechnet die wissenschaftlichen Dienste des Landtags, die von den Fraktionen beauftragt werden, sollen künftig von der Auskunftspflicht befreit sein. Darin zeigt sich ein häufig aufkommendes Motiv in der Transparenzdebatte. Grundsätzlich befürworten alle Institutionen eine Öffnung der Verwaltung – nur für sich selbst fordern sie Ausnahmen. Eine klassische Nimby-Haltung: Not in my backyard.
Zivilgesellschaft hat Informationsfreiheit noch zu wenig entdeckt
Einschnitte der Informationsfreiheit im Zuge sonst eigentlich fortschrittlicher Reformen sind nur deswegen möglich, weil die Zivilgesellschaft in Deutschland das Thema der Informationsfreiheit nach wie vor stiefmütterlich behandelt. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof und die Vereinten Nationen haben den Zugang zu amtlichen Informationen längst als Grundrecht anerkannt. Bundesländer wie Niedersachsen, Sachsen, Hessen und Bayern aber bleiben weiterhin ohne eigenes Gesetz zur Informationsfreiheit.
Daran ändert bisher auch der Beitritt der Bundesrepublik zur Open Government Partnership nichts, einer weltweiten Initiative zu offenem Regierungshandeln mit 75 Mitgliedsstaaten. Während nach Berechnungen der britischen Menschenrechtler von „Article 19“ 98 Prozent der europäischen Bürger auf staatliche Informationen zugreifen können, ist das in vier deutschen Bundesländern nicht der Fall. Ohne dass die jeweiligen Landesregierungen deswegen mit lautstarker Kritik rechnen müssten.
Hamburg zeigt, dass es auch anders geht
Um das zu ändern, braucht es ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis, das sich für Informationsfreiheit auf regionaler Ebene einsetzt und darüber auch die schwachen Bundesregelungen angreift. Dafür müssen vor allem Journalisten und große Nichtregierungsorganisationen – durchaus im eigenen Interesse – ihr Recht öfter einklagen und über das Schweigen der Ämter berichten.
Dass dieser Ansatz grundsätzlich erfolgversprechend ist, hat die Bewegung für ein Transparenzgesetz in Hamburg 2012 gezeigt. Auch in Thüringen und Berlin könnten bald neue Transparenzgesetze entstehen. Sie könnten viele erhofften Reformen umsetzen, darunter eine international ohnehin übliche Gebührenfreiheit für Anfragen und aktive Veröffentlichungspflichten für die Verwaltung.
Die Bundestagswahl im kommenden Jahr bietet die Möglichkeit, auch das Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene neu zu verhandeln. Erfolg verspricht das allerdings nur dann, wenn sich die Zivilgesellschaft mit starker Stimme den reaktionären Teilen der Verwaltung entgegenstellen kann. Solange das nicht der Fall ist, drohen mit Reformen tatsächlich weitere Bereichsausnahmen für bestimmte Behörden; bestenfalls würde die derzeitige schlechte Praxis manifestiert. Insofern ist nicht ausgemacht, ob es mit der Informationsfreiheit besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, um besser zu werden.
3 Kommentare
1 Klaus Zinser am 17. Januar, 2017 um 00:06
Aktuell versucht die Kommune (Bad) Schussenried (das Bad ist eigentlich unberechtigt seit vor vielen Jahren die Kurbetriebe in die Pleite gefahren wurden) für eine IFG Anfrage 80€ über den Gerichtsvollzieher einzutreiben. Die Kommune wurde im Vorfeld bei der IFG Anfrage über Fragdenstaat.de darauf hingewiesen anfallende Kosten im Vorfeld zu benennen.
Grund der IFG Anfrage: Den Bürgern wurde eine von der Kommune beauftragte Studie über Verkehrsberuhigungsmassnahmen in einem Vorort komplett verschwiegen.
Der Hinweis auf Kosten im Vorfeld ist nicht erfolgt. Hinterher kam ein “Gebührenbescheid” auf Basis einer Gebührenordnung die Jahre vor dem IFG entstanden ist.
Nachdem in BaWue der Datenschutzbeauftragte bei Problemen mit solchen Themen befasst ist wurde dort angefragt.
Deren Mitarbeiterin sagt es wäre zulässig bis 200€ so vorzugehen. Nun liegt das alles in Form einer erweiterten Dienstaufsichtsbeschwerde beim neuen Landesschutzbeaufttragten, sozusagen beim Chef. Wenn der nichts unternimmt werden zukünftig alle IFG Anfragen in Baden-Württemberg verhindert weil der Bürger immer damit rechnen muss dass die Anfrage rückwirkend 200€ kosten wird.
Dann doch lieber wie in Bayern. Kein IFG und die Verwaltung funktioniert besser.
2 Walter Keim am 17. Januar, 2017 um 15:09
110 Staaten in der Welt haben ein IFG. 98% der Menschen in Eurasien ein nationales IFG, aber in Bayern und 3 Bindesländern fehlt das Menschenrecht des Informationszugangs. Deshalb habe ich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenredchte eine Klage eingereicht: “Durchsetzung des Menschenrechtes auf Zugang zu amtlichen Dokumenten in Bayern” http://home.broadpark.no/~wkeim/files/durchsetzung_informationszugang.html
3 Angela Utrecht am 27. Juni, 2017 um 00:45
Für mich als Verwaltungsangestellte eines Krankenhauses, ist Informationszugang auch ein großes Thema. Es gibt oft Leute, die meine Gutmütigkeit ausnutzen wollen, oft fühle ich mich aber auch schlecht, weil es uns Vorschriften untersagen, banale Infos herauszugeben. Ich kann beide Seiten verstehen, spreche mich aber dennoch für eine Reform des IFG aus. LG Angela
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