EuGH bringt mehr Licht in den EU-Ministerrat

Was sagt der Ministerrat? Im politischen System Europas ist diese Frage zentral: Was an Gesetzen durch Kommission und Parlament wandert, das muss auch durch den Rat, der die Interessen der Mitgliedsstaaten vertritt. Doch der Rat gilt als verschlossen: Bis in die Nullerjahre hinein tagte er unter Ausschluss der Öffentlichkeit, nur langsam haben sich seine Türen seitdem geöffnet. Was dort in Arbeitsgruppen formuliert wird, mit welchen Entwürfen er in Verhandlungen geht, das erfährt die Öffentlichkeit meist erst am Schluss: Wenn er bereits entschieden hat.
Wer Einblick in die Arbeit des Rates haben will, kann sein Glück über die Informationsfreiheit versuchen. Die ist in den Verträgen, der Grundrechtecharta und einer eigenen Verordnung für EU-Einrichtungen verankert. 4858 Dokumente gab der Rat im vergangenen Jahr im ersten Anlauf frei. In gut einem Fünftel der Fälle allerdings nicht vollständig, wie die Statistik des Rats (PDF) festhält.
Access Info vs. Ministerrat
Die NGO Access Info Europe stört das schon lange. Sie hatte 2008 ein Ratsdokument angefragt, das selbst wiederum die Informationsfreiheit betrifft: Die „Dokumentenzugangsverordnung” sollte überarbeitet werden, ein siebenseitiges Dokument mit der Drucksachennummer 16338/08 (PDF) hielt fest, was die Mitgliedsstaaten daran noch ändern wollten. Nur eine Sache fehlte im Dokument, das der Rat freigab: Die Namen der Mitgliedsstaaten wurden entfernt.
Seine Praxis, die Namen zu entfernen, begründet der Rat so: Würden die Mitgliedsstaaten konkret genannt, würde der Verhandlungsspielraum der Delegationen eingeschränkt, die Entscheidungsfindung erschwert, letzten Endes die „Effizienz” seiner Arbeit unterminiert. Weil das Dokument nur interne Vorgänge behandle, gelte eine Ausnahme der Verordnung.
Schon vor dem Gericht der EU scheiterte der Rat damit allerdings auf ganzer Linie. Das Gericht entschied 2011: Der Rat müsse auch die Namen der Mitgliedsstaaten herausrücken, das öffentliche Interesse am Zugang überwiege.
EuGH bestätigt Zugang
Weil der Rat das Urteil vorm Europäischen Gerichtshof (EuGH) wieder aufheben wollte, musste dieser nun erneut darüber befinden. Gleich mehrere Regierungen und das EU-Parlament traten als Streithelfer auf: Spanien, Frankreich und die Tschechische Republik auf der Seite des Rats, das Parlament auf der Seite von Access Info Europe.
Heute nun hat der EuGH entschieden, das Rechtsmittel zurückzuweisen. So habe das Gericht der EU korrekt entschieden, dass der Rat konkret aufzeigen müsse, worin die Gefahr besteht, wenn die Namen der Mitgliedsstaaten im Dokument genannt werden. Eine solche Gefahr für den Verhandlungsprozess nur „rein hypothetisch“ zu behaupten, reiche nicht. Auch in den anderen Punkten stellte sich der EuGH gegen die Auffassungen des Rats.
Effizienz vs. Demokratie
Der Stein des Anstoßes, das Dokument Nummer 16338/08, ist übrigens schon seit fünf Jahren öffentlich – kurz nach der Sitzung des Rats wurde es auf statewatch.org geleakt (PDF). Das Bemerkenswerte am Streit: Im Kern geht es um die Frage: Wiegt die „Effizienz” der Verfahren stärker als ihr demokratischer Charakter, der ihnen erst Legitimität verschafft? Generalanwalt Cruz Villalón hatte das schon in seinem Schlussantrag festgehalten:
So nachteilig die Transparenz im Rahmen der Gesetzgebung auch sein kann, ist doch festzuhalten, dass nie behauptet wurde, dass die Gesetzgebung durch die Demokratie „einfacher“ würde, wenn man unter „einfach“ „der Öffentlichkeit entzogen“ versteht, da die von der Öffentlichkeit ausgeübte Kontrolle die Protagonisten der Gesetzgebung gravierend einschränkt.
Er hatte gefolgert: Wer der Öffentlichkeit die Urheber von Änderungsvorschlägen vorenthält, beraubt sie auch des Mittels, ihr demokratisches Recht wahrzunehmen. Im Gefüge der EU-Institutionen ist das nur ein Baustein unter vielen. Immerhin: An diesem Punkt hat der EuGH für mehr Informationsfreiheit entschieden.
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