Gebühren für Anfragen: Teure Informationsfreiheit
200 Euro für einen Rahmenvertrag mit einem Anwaltsbüro, 350 Euro für Schriftverkehr des Ministeriums mit einem Lobbyisten, 120 Euro für die Liste der Geschenke an die Staatssekretäre – wer Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz an deutsche Behörden stellt, muss Auskünfte mitunter fürstlich bezahlen.
Bis zu 500 Euro können Bundesbehörden nach der Gebührenordnung des IFG pro Anfrage berechnen, um einen Teil ihres Verwaltungsaufwands zu refinanzieren. Kostendeckend sollen Gebühren dem Gesetz nach allerdings nicht sein. Und vor allem nicht abschreckend: Laut dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) soll „der Informationszugang wirksam in Anspruch genommen werden“ können. Dazu gehört auch, dass einfache Anfragen kostenfrei bleiben.
Informationsfreiheit
Gesetze zur Informationsfreiheit ermöglichen es jedem, Informationen vom Staat zu erfragen und Daten der Verwaltung zu bekommen. Auskunft geben müssen grundsätzlich alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, zum Beispiel Ministerien oder Ämter. Neben dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes gibt es dazu unterschiedliche Regelungen der Länder und in Kommunen. Mehr zum Thema.
Einkommensschwache Antragsteller benachteiligt
Obwohl die Erhebung von Gebühren also geregelt ist, bleiben Behörden große Ermessensspielräume. Ob etwa eine Aktenrecherche von einer Stunde in Rechnung gestellt wird oder wann von einem erhöhten Verwaltungsaufwand zu sprechen ist, bleibt der Beurteilung der Behörde überlassen. Viele Behörden setzen für etwas umfangreichere Anfragen gerne gleich den Gebührenhöchstsatz an – eine Praxis, die seit einer erfolgreichen Klage des Recherchebüros Correctiv hoffentlich bald der Vergangenheit angehört.
Die hohen Gebühren unterlaufen den Zweck des IFG: Statt Transparenz zu schaffen, stellt die Verwaltung oft ihre vom Steuerzahler finanzierte Arbeit erneut in Rechnung. Laut der offiziellen Statistik des Innenministeriums war das vergangenes Jahr bei einem Zehntel aller Anfragen an Bundesbehörden der Fall. Nicht berücksichtigt sind dabei aber Antragssteller, die aufgrund der Aussicht auf hohe Gebühren gar nicht erst nachfragen.
Vor allem werden all diejenigen von der Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte abgehalten, die eine Auskunft nicht mit mehreren hundert Euro bezahlen können. Wie gravierend das ist, zeigt sich immer dann, wenn zum Beispiel Jobcenter oder Schulen für die Akteneinsicht Gebühren erheben und Antragsteller ihre Anfrage zurückziehen.
IFG-Gebühren finanzieren Digitalisierung
Das Fehlen elektronischer Aktensysteme treibt automatisch die Kosten für Anfragen in die Höhe. Wenn Daten in vielen Behörden nicht digital und gesammelt vorliegen, müssen sie erst mühsam per Hand zusammengesucht werden. Wenn das dem IFG-Antragsteller in Rechnung gestellt wird, trägt er nicht nur die Kosten mit, sondern zahlt auch noch für die Digitalisierung in der Verwaltung, welche der Staat eigentlich von sich aus angehen müsste.
Auf Landesebene sieht es teilweise noch restriktiver aus: In Sachsen-Anhalt können einzelne Anfragen bis zu 2.000 Euro kosten. Thüringen und Baden-Württemberg geben gar keine Höchstsätze für Gebühren vor. Das führt dazu, dass das Landesamt für Denkmalpflege in Stuttgart einem Antragsteller, der nach einer Denkmalliste fragte, 200 Euro abnehmen wollte – wohlgemerkt für die Ablehnung des Antrags, nicht für die Zusendung der Liste. Als es in Baden-Württemberg noch kein Informationsfreiheitsgesetz gab, waren Ablehnungen zumindest noch kostenlos.
Solange Behörden Gebühren nicht einheitlich erheben, bleibt die Antragstellung nach dem IFG ungerecht. Während beispielsweise das Umweltministerium auch aufwändige Anfragen meist gebührenfrei beantwortet, weist das Auswärtige Amt in seinen Eingangsbestätigungen grundsätzlich daraufhin, dass Anfragen bis zu 500 Euro kosten können.
Medienhäuser sollten vorangehen und Gebühren zurückdrängen
Gleichzeitig wird nur selten gegen Gebührenbescheide geklagt. Das Problem dabei: Das Kostenrisiko einer verlorenen Klage vor dem Verwaltungsgericht liegt bei bis zu 2.500 Euro, die mögliche Ersparnis durch eine gewonnene Klage in der Regel höchstens bei 200 oder 300 Euro. Aus ökonomischer Sicht lohnen sich Klagen also kaum.
Aus politischer Sicht sind Klagen gegen Gebührenbescheide aber unverzichtbar. Gerade große Verlage, die das IFG nutzen, sind in der Verantwortung, ungerechtfertigte Bescheide nicht aus der Portokasse zu bezahlen, sondern gegen sie gerichtlich vorzugehen – und damit die abschreckende Gebührenpraxis vieler Behörden zurückzudrängen.
Davon würde letztlich die gesamte Öffentlichkeit profitieren. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Vorgehen ist die Klage des Journalisten Daniel Drepper, der das Bundesinnenministerium wegen Gebühren von 15.000 Euro vor Gericht brachte.
Gebührenfreiheit ist machbar
Nähme die Politik es mit der Öffnung der Verwaltung ernst, müsste sie Gebühren für IFG-Anfragen aber ohnehin ganz abschaffen, wie dies in vielen Ländern der Welt selbstverständlich ist. Das würde die Verwaltung auch nicht überfordern: Offensichtlich missbräuchliche oder zu umfangreiche Anfragen könnten weiterhin von einer Bearbeitung ausgeschlossen bleiben.
Auf der anderen Seite würde eine Abschaffung der Gebühren für IFG-Anfragen die Demokratie stärken. Das derzeitige Gebührensystem ist nicht nur diskriminierend gegenüber ärmeren Bevölkerungsgruppen und schreckt viele Antragssteller von Anfragen an Behörden ab. Es bindet außerdem weitere Ressourcen bei den Behörden, die Gebühren eintreiben.
Und schließlich rentiert es sich noch nicht einmal ökonomisch: Die Behörden des Landes Sachsen-Anhalt zum Beispiel nahmen von 2008 bis 2013 nur knapp über 8.000 Euro durch IFG-Anfragen ein. Da hätten sie sich die Gebühren auch gleich ganz sparen können.
1 Kommentar
1 Zahlmeister am 19. Januar, 2018 um 20:07
Unter Freilernern hat sich die Idee etabliert, dass Bußgelder von vielen Leuten in kleinen krummen Beträgen gemeinschaftlich beglichen werden. Auf diese Weise haben die Behörden auch ein bisschen Spaß beim Eintreiben ihrer Gebühren und verzichten in Zukunft möglicherweise schon von daher auf Gebühren.
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