Welche Regeln gelten für das Samplen von Musik?

Man könnte meinen, Samplen sei keine große Sache – es machen ja alle. Und jeder Künstler bezieht sich schließlich immer auf die, die vor ihm da waren. Viele Kulturwissenschaftler gehen sogar davon aus, dass künstlerische Leistungen nie vollkommen originell sind, und dass jeder Künstler mehr oder weniger von den Vorhergehenden „klaut“.
Diese Debatten haben allerdings kaum Auswirkungen auf die Praxis, denn mehr denn je wird heutzutage jede kleine Urheberrechtsverletzung geahndet. Hier lautet die Regel: Ohne Erlaubnis des Originalautors ist es in sehr vielen Fällen verboten, etwas aus einem fremden Musikwerk zu übernehmen. Aber auch hier gibt es Ausnahmen unter bestimmten Voraussetzungen – dazu später.
Schöpfungshöhe – was heißt das?
Urheberrechte im engeren Sinn kommen beim Sampling immer dann ins Spiel, wenn der genutzte Ausschnitt für sich genommen eine gewisse Schöpfungshöhe erreicht. Das bedeutet, dass der Ausschnitt „individuell“ in dem Sinne sein muss, dass sich hieraus die Individualität des Komponisten erkennen lässt. Das ist erstmal wenig konkret. Also genauer: Bei Musik hat die Frage, ob ein kleiner Teil bereits die Schöpfungshöhe erreicht, meist (unter anderem) etwas mit der Länge des Ausschnitts zu tun.
Genaue Grenzwerte gibt es dabei nicht. Die weit verbreitete Annahme, dass man zum Beispiel bis zu drei Sekunden ohne Probleme samplen kann, ohne nachzufragen, ist genau das – nur eine Annahme. Bei der Frage nach der Schöpfungshöhe spielen noch andere Faktoren eine Rolle. Zum Beispiel, ob der übernommene Teil – wenn auch sehr kurz – besonders charakteristisch für das Musikstück oder den Künstler war. Das trifft regelmäßig auf das musikalische Thema und das musikalische Motiv eines Stücks zu.
Eine einfache, allgemeingültige und praktikable Erklärung, was ein schutzfähiger Teil eines Musikstückes ist und was nicht, gibt es leider nicht. Auch Urheberrechtsspezialisten tun sich mit der Beurteilung zumeist äußerst schwer. Möglich ist nur, einige Grundregeln darzustellen: Einzelne Töne sind nicht schutzfähig. Gleiches gilt für Tonfolgen, die nur aus wenigen Tönen bestehen – etwa einen kürzeren Drumloop – und einzelne Akkorde.
Individualität? Gar nicht so schwer!
Alles was darüber hinausgeht, ist im Zweifel urheberrechtlich geschützt, denn die Anforderungen an die Individualität von Musikstücken und Teilen davon sind sehr gering. Man spricht vom „Schutz der kleinen Münze“. Wenn der übernommene Ausschnitt mehr oder weniger eindeutig dem anderen Musiker oder Komponisten zugeordnet werden kann, kann man meist davon ausgehen, dass man für sein Sample eine Lizenz braucht.
Urheberrecht und Leistungsschutzrecht bei Musikstücken
Wenn ein gesampleter Ausschnitt geschützt ist, es also darum geht, Lizenzen zu erwerben, kommt man um die Unterscheidung von Urheber- und Leistungsschutzrechten nicht herum. Die verschiedenen Rechte, die an einem Musikstück bestehen, können unterschiedlichen Personen zustehen.
Die Komponisten und Textdichter haben die Urheberrechte an Komposition und Text. Die Interpreten haben Rechte an ihren Darbietungen, und die Tonträgerhersteller an der Aufnahme – die sogenannten Leistungsschutzrechte. Damit das Sample verwendet werden darf, müssen in der Regel alle betroffenen Rechte erworben werden. Dieser Prozess nennt sich Sample-Clearing.
Wenn ich also zum Beispiel einen Teil von „Yellow Submarine“ von den Beatles samplen will, muss ich mich zunächst an denjenigen wenden, der die Autorenrechte von Lennon/McCartney hält, weil die beiden den Titel geschrieben haben. Diese Rechte hat meistens ein Musikverlag.
Damit aber darf ich immer noch nicht die eigentliche Einspielung der Beatles verwenden. Die ist einerseits durch das Leistungsschutzrecht der Interpreten geschützt, in dem Fall der Beatles also John Lennon, Paul McCartney, Ringo Starr und George Harrison. Dieses Recht liegt in der Regel, wenn die Songs veröffentlicht sind, bei der Plattenfirma.
Daneben hat der Tonträgerhersteller, also in der Regel die Plattenfirma selbst, die Rechte an der Aufnahme. In der Praxis hängen Musikverlag und Plattenfirma meist zusammen, so dass man alle Rechte an einem Ort erwerben kann. Es kann aber durchaus vorkommen, dass man verschiedene Ansprechpartner hat. Die wirtschaftliche Dynamik in der Musikindustrie kann beispielsweise auch dafür sorgen, dass Rechte mehrfach ihren Besitzer wechseln oder unklar ist, wer sie eigentlich hält. Entsprechend komplex und langwierig kann eine Rechteklärung unter Umständen selbst für Profis werden.
Fallstricke beachten
Eine Lizenz zum Samplen zu erhalten, kostet Geld. Je nachdem, wie berühmt der zu sampelnde Künstler ist, wie prominent das Sample in dem Stück verwendet wird und wie hoch die eigene Auflage sein soll, kann es teuer werden. Wenn man sich mit dem Rechteinhaber geeinigt hat, sollte man sich das schriftlich geben lassen und darauf achten, dass im Vertrag auch die Erlaubnis für weitere Nutzungsarten enthalten ist.
Es ist schon vorgekommen, dass Musiker ein Sample für ihren Song lizenziert, aber dann die Filmrechte vergessen haben. Wenn sie den Song dann für einen Film weiter verkaufen, können sie großen Ärger mit den Rechteinhabern des Samples bekommen.
Nun könnte sich eine Band denken: „Das ist uns alles zu kompliziert, das bekommt eh keiner mit“ – und einfach fröhlich weiter an ihrer Musik stricken. Andere Bands gehen aus Prinzip so vor, wie zum Beispiel die amerikanische Band „Negativland“. Für sie ist es ein politisches Statement, sich für „Fair use“ einzusetzen, ein im amerikanischen Rechtsraum benutzter Begriff, unter den zum Beispiel auch Zitate fallen. Andere kümmern sich aus Unwissenheit nicht um Sample-Lizenzen.
Das kann schief gehen: Es gibt einige – extreme – Fälle, in denen Bands von dem Geld, das sie mit einem Hit verdient hätten, nichts gesehen haben, weil die Einnahmen komplett an die Rechteinhaber der Samples gingen. Aber auch in weniger extremen Fällen kann es zu empfindlichen finanziellen Einbußen kommen, da man im Nachhinein in einer schlechten Position ist, um einen guten Preis auszuhandeln.
Freie Benutzung und Kunstfreiheit: Manchmal geht’s auch ohne Lizenz
Für sampelnde Musiker gibt es jedoch noch eine gute Nachricht: Nach vielen Jahren Rechtsstreit hat das Bundesverfassungsgericht im Mai 2016 entschieden, dass Samples unter bestimmten Bedingungen auch ohne Lizenz erlaubt sein können. In dem Streit zwischen der Band Kraftwerk und dem Produzenten Moses Pelham ging es um eine zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus dem Stück „Metall auf Metall“, die Pelham verwendete.
Er berief sich dabei auf die Regelung zur „freien Benutzung“ im Urheberrecht. Nach dieser Regel kann man, vereinfacht gesagt, fremde Werke auch ohne Erlaubnis verwenden, wenn daraus etwas völlig Neues entsteht und das ursprüngliche Werk im neuen Stück „verblasst“.
Bislang hatten die Gerichte gesagt: Das mag zwar sein, doch Musiker müssen die Ausschnitte selbst einspielen, um trotz „freier Benutzung“ keine Leistungsschutzrechte am Tonträger zu verletzen. Das Verfassungsgericht entschied aber, dass die Kunstfreiheit einen Eingriff in die Verwertungsinteressen der Rechteinhaber überwiegen kann. Wenn das der Fall ist, braucht man für das Sampling keine Lizenz.
Das Urteil erlaubt also nicht jedes Sampling auch ohne Lizenz. Vielmehr muss jeder Einzelfall betrachtet werden: Handelt es sich um Kunst? Steht das neue Stück in Konkurrenz zum alten? Die Kriterien dafür sind laut dem Urteil, wie viel aus einem Werk entnommen wird, wie bekannt es ist, wie unterschiedlich altes und neues Werk sind und wie stark das Sampling dem ursprünglichen Urheber wirtschaftlich schaden würde.
Musik ohne Lizenzen und mit alternativen Lizenzen
Was ist mit Musik, die rechtefrei ist, weil ihr Schöpfer vor mehr als 70 Jahren gestorben ist? Solche – meist „klassische“ – Musikstücke kann man zunächst ohne Erlaubnis verwenden. Doch Vorsicht: Auch hier können Leistungsschutzrechte an aktuellen Aufnahmen bestehen. Die Fristen an diesen beginnen in der Regel zu laufen, wenn der Tonträger erscheint, auf dem sich die Einspielung befindet. Von diesem Zeitpunkt an bestehen die Leistungsschutzrechte 70 Jahre lang. Erst danach werden auch die jeweiligen Aufnahmen gemeinfrei und können ohne weiteres benutzt werden.
Daneben gibt es auch zahlreiche Musiker, die ihre Arbeiten unter alternativen Lizenzen veröffentlichen, am weitesten verbreitet sind diejenigen von Creative Commons. Es gibt verschiedene Bausteine der Lizenzen, mit denen Urheber unterschiedliche Bedingungen festlegen, unter denen andere ihre Stücke verwenden dürfen oder nicht. Wer mehr darüber wissen will, wie sie im Detail funktionieren und wo man freie Musik oder gemeinfreie Stücke findet, wird in diesem Artikel auf iRights.info fündig.
Dieser Artikel erschien zuerst am 1.2.2005. Wir haben ihn im August 2016 aktualisiert. Vor allem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Fall „Metall auf Metall“ hat die rechtliche Lage in Deutschland verändert.
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