Lizenzgebühren für Kopien: Abhilfe für einen historischen Gesetzesverstoß oder exzellentes Geschäft?
Wer am 14. Mai 2009 die Tageszeitung La Nación aufschlug, stieß auf die überraschende Nachricht, dass die Universität von Buenos Aires (UBA) beschlossen hatte, durch die Unterzeichnung eines Lizenzvertrages über die Anfertigung von Fotokopien mit dem argentinischen Zentrum für die Verwaltung reprografischer Rechte (CADRA, Centro de Administración de Derechos Reprográficos de Argentina) „einem bestehenden historischen Gesetzesverstoß Abhilfe zu verschaffen”.* Dieses Zentrum, von dem viele von uns noch nie gehört hatten, maßte sich nicht nur die Befugnis an, einen Lizenzvertrag mit der Universität von Buenos Aires (und vielen anderen, sowohl öffentlichen als auch privaten Universitäten) zu unterzeichnen, sondern verlangte dafür auch noch eine überzogene und willkürliche Summe: 0,12 Centavos pro Student. Daraus errechnete es, dass die UBA die alles andere als bescheidene Summe von 4.000.000 argentinischen Pesos zahlen müsse. Wohl wissend um die aktuelle Haushaltskrise der UBA (deren Ende mittlerweile unabsehbar geworden ist), reduzierte CADRA die Summe „befristet” auf 300.000 Pesos, das heißt, der Betrag von 4.000.000 Pesos muss letztendlich bezahlt werden, nur in gestaffelter Form.
Nun stellt sich die Frage: Warum wurde nach mehr als zwanzig Jahren, in denen man zum Kopieren keine Erlaubnis brauchte, beschlossen, diesen Vertrag zu unterzeichnen? Worin besteht die „historische Wiedergutmachung” verletzter Rechte, wenn mindestens 80 Prozent der innerhalb der Universität fotokopierten Autoren tot sind oder Ausländer oder an der Universität Unterrichtende, die ihren Studenten erlauben, ihre Bücher und Artikel zu kopieren, indem sie sie im Fotokopierzentrum hinterlegen? Statt um eine Wiedergutmachung handelt es sich um eine vorsorgliche Maßnahme für die Zukunft. Die Verwertungsgesellschaften und insbesondere die Verlage fürchten angesichts der neuen digitalen Entwicklungen um die Zukunft des Buches. Es ist nicht die Notwendigkeit, einem historisch bestehenden Gesetzesverstoß Abhilfe zu schaffen, sondern es geht um das gute Geschäft mit einer öffentlichen Institution. Eine öffentliche Institution überdies, die nicht nur die künftigen Leser dieser Verlage ausbildet, sondern darüber hinaus in diesem Land auch die wesentliche Quelle von Subventionen für die Entwicklung technisch-wissenschaftlicher Untersuchungen ist, die anschließend an die Verlage verkauft werden.
Viel für die einen, wenig für die anderen
Wie viele Bücher könnte der Universitätsverlag der Universität Buenos Aires für 4.000.000 Pesos herausgeben? Und wie viele Bücher ließen sich für 4.000.000 Pesos kaufen? – Ohne Bücher verlieren Bibliotheken ihre Existenzberechtigung, genauso wie Bücher ohne begierige Leser und Leserinnen ihren Sinn verlieren. Die Unterzeichnung dieses Vertrages über einen Betrag, der ebenso gut für den Ankauf „legaler” Bücher hätte verwendet werden können, steht in enger Beziehung zur Logik der Einschränkung des öffentlichen Raums. Je sinn- und funktionsloser die öffentlichen Räume werden – und Bibliotheken nicht mit Büchern zu versorgen trägt dazu bei, dass sie ihre Funktion verlieren –, desto weniger möchten wir sie nutzen.
Diese Einschränkung von Räumen verfolgen die Fakultätsräte einiger Fakultäten, wo mit wirtschaftlichen Mechanismen die Studenten aus den Fakultäten vertrieben werden. So weigerte sich der Rat der Fakultät für Philosophie und Literaturwissenschaften, der Forderung der Studenten nach einem 50-prozentigen Inflationsausgleich der Lehrmittelstipendien [Für den Erwerb von Lehrmitteln oder die Anfertigung von Kopien vorgesehenes Stipendium in Höhe von 50 Pesos., Anm. d. Red.] nachzukommen und präsentierte stattdessen einen „Gegenvorschlag” der Budgetkommission, der eine nur 20-prozentige Erhöhung vorsah. Bis jetzt gibt es nur eine Handvoll Versprechen, viel Geld für Privatorganisationen und wenig Geld für Bibliotheken und Studenten.
Der Geist des Ubuntu
BiblioFyL ist nur eine von vielen kollektiven Initiativen, die für die freie Zirkulation des Wissens eintreten. Angesichts ausbleibender institutioneller Lösungen und finanzieller Engpässe, bedingt durch hohe Bücherpreise, begannen einige Studenten der Fakultät für Philosophie und Literaturwissenschaften der Universität von Buenos Aires im Jahr 2007, Texte zu digitalisieren und über das Internet auszutauschen. Es handelte sich dabei um die Pflichtlektüre der an der Fakultät gelehrten Fächer. Anfangs fand dieser Austausch über das Laufwerk „Archivos” eines Internetforums von Studenten der Fakultät statt. Die Austauschraten waren noch sehr niedrig und fanden unkoordiniert statt. Doch die wachsende Beteiligung der Studenten machte den Aufbau ausreichender Strukturen erforderlich. Im Jahr 2008 eröffnete das Forum daraufhin einen autonomen Raum, der über die Gänge der Fakultät schnell Verbreitung fand, die Beteiligung wuchs exponentiell.
In „Archivos” befand sich bald eine große Anzahl von Texten, sodass die Plattform des Forums zur Verwaltung dieser Materialien schnell obsolet wurde. Probleme mit Kategorisierungen und Metadaten, zusätzliche Arbeit mit der Einordnung und Suche nach Texten, und die ständige Wiederkehr derselben Dokumente führten zu der Idee, viele dieser Aufgaben ließen sich automatisieren. Gegen Ende 2008 eröffneten die Studenten also den neuen virtuellen Raum BiblioFyL: eine kostenlose digitale Bibliothek, in der bereits zu Beginn 5.000 Texte und Audiodateien der neun Studiengänge an der Fakultät für Philosophie und Literaturwissenschaft zur Verfügung standen.
Im September 2009 kam für diese selbstorganisierte Arbeit der Studenten das Aus. ElServer.com, der Dienstleister, der BiblioFyL beherbergte, erhielt ein juristisches Schreiben, in dem ein Ende der Aktivitäten gefordert wurde, da die Bibliothek angeblich gegen das Gesetz zum geistigen Eigentum (11.723) verstoße. Darüber hinaus, und dies ist komisch und tragisch zugleich, würden die Aktivitäten gegen das Gesetz zur „Förderung des Buches und der Lesekultur” (25.446) verstoßen. Daraufhin schlossen die Studenten das Forum. BiblioFyL wurde erst einige Monate später, im Februar 2010, wieder reaktiviert, diesmal jedoch ohne Beziehung zum Forum, das an der Fakultät weiterhin funktioniert. Bis heute hat die Bibliothek 8.000 Studienbände zusammengestellt, darunter auch Bücher, die schwierig zu beziehen, vergriffen oder unerschwinglich sind. Die Bibliothek verfügt darüber hinaus über eine enorme Anzahl von gemeinfreien Materialien, die eine unerlässliche Grundlage für das Studium der Philosophie und der Literaturwissenschaften sind.
Krise und Chance
Warum aber haben die Studenten mit den studentischen Zentren innerhalb ihrer Universitäten, wo fotokopiert und angeblich „das Buch getötet” wird, hartnäckig das Gesetz übertreten? – Die sozioökonomische Situation der Mittelklasse hat dazu geführt, dass es für Studenten zunehmend schwieriger wurde, Bücher und Studienmaterialien zu kaufen. Die Krise von 2001, die Zahlungskrise der Wirtschaft und die Abwertung des Peso haben die Preise für Bücher unerschwinglich werden lassen. Und das, obwohl auf Bücher keine Mehrwertsteuer erhoben wird und einige steuerliche Ausnahmeregelungen bestehen. Andererseits hat sich die Anzahl der zu lesenden und zu studierenden Autoren derart erweitert, dass ein Buch nicht mehr ausreichte und viele Autoren, einschließlich spezifischer Fragmente, zusammengestellt werden mussten. Außerdem waren viele der Werke praktisch unzugänglich, da sie entweder schon seit Jahren vergriffen waren, der Verlag nicht mehr existierte oder die Bücher im Ausland herausgegeben und nicht nach Argentinien importiert worden waren. Die Fotokopie ermöglichte den Zugang zu seltenen Werken, die Fragmentierung der Werke, und sie eröffnete den Studenten den Weg, ihren eigenen Interessen zu folgen, und nicht nur dem Lehrplan des jeweiligen Dozenten.
Der technologische Wandel hat sich radikal darauf ausgewirkt, wie Information abstrahiert und in Umlauf gebracht werden kann. „Information” wurde zu einem Konzept, das die Möglichkeit eröffnet, einen ungeheuren Teil des allgemeinen Kulturguts zu verarbeiten und auf einfache und effiziente Weise in Umlauf zu bringen. In weniger als zehn Jahren sind im Internet riesige Gemeinschaften zum Zwecke des Informationsaustauschs gewachsen. Daraus sind für zahlreiche kulturelle Aktivitäten reale Räume geworden: von technischen Nachfragen in allen Disziplinen bis hin zu kompletten Enzyklopädien für alle Sparten der Kunst und Wissenschaft. In sehr kurzer Zeit haben sich gemeinschaftliche und partizipative Systeme ausgebreitet, die jede mögliche Art von Information und Wissens- und Kulturaustausch beinhalten. Und plötzlich konnte man nicht nur an vormals undenkbare Mengen an Informationen gelangen, sondern auch an solche, die aufgrund ihres Ursprungslandes, des ideologischen Kontexts des Autors oder Lesers oder Parametern wie Religion, Geschlecht, Alter oder Identität nicht zugänglich waren. Dies alles zudem sehr einfach und an einem einzigen Ort.
Dieser radikale und plötzliche Wandel führte zu einer Reihe von Problemen, deren Diskussion gerade erst begonnen hat. Die Diskussion um das Copyright ist nur eine davon. Auf jeden Fall geht es hier nicht um ein Problem aufgrund von Materialmangel, hoher Kosten oder niedriger Produktivität. Die gegenwärtige Krise des Modells liegt nicht im Mangel begründet, sondern in den Auswirkungen der Massennutzung der „neuen Technologien”.
In der Tat sind im Jahr 2009 die Breitbandverbindungen in Argentinien auf 3,4 Millionen Anschlüsse angestiegen das heißt, es hat ein Wachstum von 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gegeben. Paradoxerweise (oder gar nicht so paradox) ist auch die Verlagsproduktion im selben Jahr nicht gesunken, sondern, im Gegenteil, angestiegen. Der intensive Einsatz von Fotokopien oder digitaler Netze schmälert die Verlagsproduktion also keineswegs, denn es ergäbe ja keinen Sinn, dass die Verleger weiterhin publizierten, wenn sie keinen ökonomischen Gewinn davon hätten. Das Hauptargument, das die Verlage in ihrem Beharren auf die Anwendung des Gesetzes Nr. 11.723 zum geistigen Eigentum vorbringen, nämlich die Verringerung ihrer Gewinne, ist bisher noch nicht bewiesen worden.
Das Teilen von Wissen – ein Grundprinzip der Wissenschaft
Funktion, Auftrag und Ziele der Universität haben sich im Laufe der Jahrhunderte verändert. Doch jenseits aller historischen, sozialen und politischen Unterschiede war die Universität immer ein Ort der Erkenntnis und der Zirkulation von Wissen, was sich durch und in Schriftstücken manifestierte. Texte sind für die Universität eines ihrer konstitutiven Elemente. Gegenwärtig legen die Artikel I und II des Universitätsstatuts der Universität von Buenos Aires fest, dass „die Förderung, Verbreitung und Erhaltung der Kultur” Aufgabe und Ziel der Universität sind und dass die Universität „das Wissen um die Ideen, die Errungenschaften der Wissenschaften und künstlerischen Ausdrucksformen durch die Lehre und die verschiedenen Kommunikationsmedien verbreitet”.
In diesem Sinne ist die Praxis des Teilens, Kopierens und Kommentierens von Texten innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaften keine Neuheit. Im Mittelalter waren Kopisten von grundlegender Bedeutung, um das kulturelle und historische Erbe der mittelalterlichen Universitäten zu erhalten. Dies diente nicht nur dem Schutz der Texte vor dem Zahn der Zeit, sondern oftmals auch dem Schutz vor der kirchlichen Zensur oder dem willkürlichen Zugriff der Herrschenden.
In einer von BiblioFyL am 19. Mai 2010 organisierten Veranstaltung sagte Daniel Link, Professor für Literaturwissenschaft des 20. Jahrhunderts an der Fakultät für Philosophie und Literaturwissenschaft:
„Mit dem Recht auf die Verbreitung digitalen Materials, das wir hier verteidigen, unterstützen wir das Verlangen nach Büchern, das heißt, Menschen sollen die Bücher kaufen können, die sie möchten, und nicht die, die sie kaufen sollen, weil der Professor Freund von irgendjemandem ist. Es ist kein Prinzip, das es in abstrakten Begriffen zu verteidigen gilt oder weil es sich um das absolut Gute handelt, sondern es ist ein Prinzip, das eine bestimmte Form des Lebens aufrechterhält, das gemeinschaftliche Leben. Diese Verknüpfungen, dieser elektromagnetische Widerhall sind in gewisser Weise Teil meines intellektuellen Lebens, meiner pädagogischen Praxis, und deswegen erweitern diese uneigennützigen Geschenke, die man erhält, die man anderen übermittelt, genau diese Möglichkeit der Diskussion, die auf andere Weise nur sehr schwer in Gang zu bringen wäre. Es hat mit der Art und Weise zu tun, in der meine pädagogische Praxis von anderen Instanzen abhängt und weshalb das, was ich diskursiv aufstellen kann, in gewisser Weise mit anderen Verfechtern desselben Diskurses verknüpft bleibt. Das heißt, es handelt sich sicherlich um eine Seinsform, die nur in Beziehung zu dem anderen aufrechterhalten werden kann. Dies ist ein sehr wichtiges Thema der Ethik, an dem man versuchen sollte, in Zukunft weiterzuarbeiten.”
Im Gegensatz zu dem, was die Verlage und Rechteverwertungsgesellschaften gegenwärtig über den angeblichen Streit zwischen „Autoren” und „Piraten” veröffentlichen, geht es nicht darum, dass Studenten und Dozenten (Autoren) aneinandergeraten. Will denn ein Autor tatsächlich seinen Verlegern oder den Rechteverwertungsgesellschaften die Möglichkeit eröffnen, Studenten, Dozenten und Forscher der Universität zu verfolgen? Die Antwort ist ein klares: Nein.** Der Autor ist daran interessiert, dass seine Werke Verbreitung finden, und es gibt nur sehr wenige Autoren, die von ihren Veröffentlichungen leben können. Im Allgemeinen erhalten die Autoren nur 10 Prozent; die restlichen 90 Prozent verteilen sich auf Druckkosten (in der Regel von einer nicht-verlagseigenen Druckerei durchgeführt), den Vertrieb und den Gewinn des Verlags.
Es ist notwendig, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit wieder eine ihrer ehrwürdigsten Tätigkeiten aufgreift, nämlich das Teilen, Kommentieren und Kopieren von Texten. Das gegenwärtige Modell des Copyrights stellt für diese alltägliche Praxis ein Problem dar. So wie Richard Stallman in den 1980er Jahren das GNU-Konzept entwickelte, um im Bereich der Software eine bis zum Aufkommen von patentierter Software übliche Praxis zu verteidigen, gibt es heute auch für die Veröffentlichung von Texten Alternativen zum Copyright, damit diejenigen, die digitalisiertes Material in Umlauf bringen, es verbreiten und teilen, nicht kriminalisiert werden. Copyleft und Lizenzen wie Creative Commons, aber auch die Veröffentlichungspraxen der Universitäten in Zusammenhang mit Open Access sind derartige Alternativen.
Die dringendsten Probleme der Studenten und Dozenten werden durch diese alternativen Modelle jedoch nicht gelöst. Nach wie vor gibt es viele bereits verstorbene Autoren, deren Lektüre unerlässlich ist, die jedoch noch nicht in das enorme Erbe des Public Domain eingegangen sind (nach argentinischem Gesetz 70 Jahre nach dem Tod des Autors). Das zeigt einerseits die von Daniel Link betonte Notwendigkeit, dass die Wissenschaftsgemeinde die gemeinschaftlichen Praktiken der Studenten vor den Schergen des Copyrights schützen muss. Andererseits zeigt es auch in aller Deutlichkeit, dass eine Reform des argentinischen Gesetzes zum geistigen Eigentum, das beispielsweise für das Urheberrecht keine Ausnahmen für den Bildungsbereich vorsieht, notwendig ist.
In diesem Sinne unterstützt BiblioFyL drei als grundlegend erachtete Forderungen zum Zugang zu den Materialien für Kultur und Bildung:
- Die Rückgewinnung des Geistes der Zusammenarbeit im wissenschaftlichen Kontext, die unerlässlich ist für den nicht restriktiven Zugang zu den Lehrmaterialien. Für die Studenten heißt das, dass die Möglichkeit bestehen sollte, Texte zu teilen, zu verbreiten, zu übertragen, zu verschenken und zu verleihen. Einige dieser Praktiken sind vom jetzigen Gesetz unter Strafe gestellt. Für die Dozenten bedeutet das eine aktive Verpflichtung, nicht restriktive Lizenzmodelle einzusetzen.
- Von Seiten der Universität muss es eine aktive Politik in Bezug auf das innerhalb der Universität produzierte Wissen geben. Die öffentliche Universität wird mit staatlichen Geldern unterhalten, weshalb alles Wissen, das mittels Forschungsgelder an Dozenten generiert wurde, den Universitätsverlagen zukommen müsste. Es müsste kostenlos in digitaler Form für jeden, der darauf zugreifen möchte – also nicht nur für Studierende – zur Verfügung stehen, ohne dass deswegen Strafverfolgung zu befürchten wäre. Dazu gehört, dass digitale Bibliotheken und institutionelle Archive geschaffen werden, die das gesamte Ergebnis der wissenschaftlichen Forschung bewahren: die im Public Domain befindlichen Materialien und die unter Copyright stehenden Werke, von denen die jeweiligen Nutzungsrechte über entsprechende Autorisierungen erlangt werden müssen.
- Andererseits müsste die Universität nicht nur die Verantwortung für die Digitalisierung des Bestands ihrer Bibliotheken übernehmen, sondern auch die des historischen Kulturerbes, das sich derzeit in den Thesauri der Universitäten und der angegliederten Institute befindet und das bald verloren sein oder zumindest erhebliche Schäden erleiden wird, wenn es nicht digitalisiert wird.
Ein Buch zum Preis eines Bytes
In einer noch nicht so fernen Zeit prägte ein gewisser Boris Spivacow einen Satz, der in das historische Gedächtnis derjenigen, die wir Bücher lieben, genießen und teilen, eingemeißelt ist: „Ein Buch zum Preis eines Kilos Brot”. Spivacow hat im Jahr 1957 den Universitätsverlag der Universität von Buenos Aires, EUDEBA (Editorial Universitaria de Buenos Aires), gegründet und hat viele Jahre lang im Verlagszentrum Lateinamerika CEDAL (Centro Editorial de América Latina) gearbeitet. EUDEBA und CEDAL waren Pioniere in der Veröffentlichung hochwertiger Bücher zu niedrigen Preisen. Sie führten neue Akteure an die Wissenschaft heran und vertieften die Beziehung zwischen Universität und Gesellschaft durch hervorragende Vorworte für die verschiedenen Reihen, die beispielsweise CEDAL herausgab.
Spivacow widmete seinem Traum, den Zugang zum Buch zu demokratisieren, in Zeiten, in denen es weder Fotokopierer noch Internet gab, einen guten Teil seines Lebens. Unter der Militärdiktatur wurde EUDEBA fast vollständig zerschlagen und CEDAL erlebte ein ähnliches Schicksal. Mit der Rückkehr zur Demokratie orientierte sich CEDAL politisch stark in Richtung Radikalismus, und während der 1990er Jahre blickten sowohl EUDEBA als auch CEDAL mit Trauer auf ihre vergangenen goldenen Zeiten zurück. CEDAL tat dies, bis es verschwand.
BiblioFyL ist Nachfolgerin und Erbin dieses Traums. Die Erfahrung mit dem Projekt zeigt, wie einerseits die gegenwärtige Regelung die Verbreitung des Wissens und den Zugang zur Kultur verhindert. Andererseits ist BiblioFyL auch ein weiteres Modell für erfolgreiches Netzwerken. Die Ökonomie des Schenkens ist ein Modell, in dem offensichtlich eine Person mehr erhält, als sie gibt. Praktiken der Zusammenarbeit wie BiblioFyL sind in den verschiedensten Gemeinschaften auf der ganzen Welt zu finden: freie Software, P2P, Wikis oder Foren sind nur einige dieser „Gemeinschaftsräume”, und sie sind ausschließlich an das Internet geknüpft.
Die Krise des gegenwärtigen Modells hat ihren Anfang und ihr Ende im freien Zugang zum Wissen. Dies wird nur dann aufrechtzuerhalten sein, wenn wir in der Lage sind, die von den Verwertungsgesellschaften wie CAL16 und CADRA begangenen Akte der „Bibliocastia” (Bücherzerstörung) aufzuhalten. Sie belästigen, bedrohen und verfolgen Studenten und Dozenten und schließen Websites, weil sie ganz einfach nicht akzeptieren, nicht mehr die Herren des Marktes zu sein. Wir Leser/innen, Student/innen, Dozent/innen, Liebhaber/innen, Genießer/innen und Verleiher/innen von Büchern werden dasselbe Schicksal wie CEDAL erleiden, wenn die gegenwärtigen Gesetze zum Kopiermonopol nicht in irgendeiner Weise zugunsten des Rechts auf Lesen verändert werden.
Evelin Heidel ist Studentin der Literaturwissenschaften an der Fakultät für Philosophie und Literatur an der Universität Buenos Aires. Sie arbeitet regelmäßig mit der Organisation Via Libre zusammen. Dieser Beitrag erschien im ReaderArgentina Copyleft! Neue Spielregeln für das digitale Zeitalter? Ein Blick nach Argentinien, herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung. Er steht unter der Creative-Commons-Lizenz BY-NC-SA. Übersetzung aus dem Spanischen: Lars Stubbe.
Anmerkungen
* Die Lizenz wurde vom Generalsekretär der Universität Buenos Aires, Carlos Mas Velez, unterzeichnet, ohne vorher durch den Obersten Rat (nach den Statuten der UBA ihr höchstes Organ) erörtert worden zu sein. Außerdem vertritt CADRA nicht alle Verleger und Autoren Argentiniens, sondern nur seine Mitglieder. 95 Prozent der CADRA-Autoren werden nicht innerhalb der Universität gelesen. Laut den Statuten von CADRA entfallen von den genannten 300.000 Pesos 55 Prozent auf „Verwaltungskosten”. CADRA liefert keine detaillierte Kostenabrechnungen. Studentische Zentren, die als juristische Person gelten (wie z.B. das der juristischen Fakultät), müssen für die angefertigten Fotokopien bereits einen jährlichen Beitrag an CADRA zahlen. Andererseits schützt diese Lizenz weder die UBA noch irgendeine andere der Universitäten, die mit CADRA einen Vertrag unterzeichnet haben, davor, dass andere Rechteverwertungsgesellschaften, wie die Argentinische Buchkammer oder auch persönliche Rechteinhaber wie Autoren, wegen Verstoßes gegen das Gesetz Nr. 11.723 über Geistiges Eigentum ein Verfahren gegen sie anstrengen.
** Ezequiel Adamovsky, Absolvent der Universität Buenos Aires und Verfasser mehrerer Bücher, antwortete in einer von Studenten der Fakultät für Philosophie und Literaturwissenschaft durchgeführten Umfrage in Bezug auf die Lizenz CADRA-UBA: „Ich bin vollkommen gegen diese Lizenz. Ich bin bereits seit einigen Jahren Teil der international als ‹Copyleft› bekannten Bewegung. Wann immer mir möglich, habe ich den freien Zugang zu meinen Texten gegen die Absichten der Unternehmen, diese Freiheit zu beschneiden, verteidigt. Mit großer Besorgnis sehe ich, dass wir als Autoren zunehmend weniger Möglichkeiten haben, über die üblichen Veröffentlichungskanäle – Buchverlage und spezialisierte Zeitschriften – zu publizieren, ohne dass wir diesen Absichten nachgeben müssen. Die rigiden und absurden Gewohnheiten der angelsächsischen Welt breiten sich unerbittlich in der ganzen Welt aus. Es ist heute praktisch unmöglich, in Fachzeitschriften der wichtigsten Länder zu publizieren, ohne den Verlagen die Rechte über die Verwendung unserer Texte auszuhändigen. In diesem Sinne ist die Scheinheiligkeit der Unternehmen verblüffend: den Lesern und Studenten wird unter dem Vorwand der Verteidigung der Autorenrechte die Möglichkeit genommen, Fotokopien von Texten anzufertigen. Aber die überwiegende Mehrheit der Autoren, insbesondere derjenigen, die akademische und politische Texte veröffentlichen, wünscht gar keinen derartigen „Schutz” und ist vollkommen einverstanden mit dem Kopieren ihrer Bücher zu Bildungszwecken. Ich denke, dass die UBA von CADRA den Nachweis verlangen sollte, dass die an der Universität behandelten Autoren explizit ihrem Willen zur strafrechtlichen Verfolgung der UBA oder ihrer Studenten für die Anfertigung von Fotokopien Ausdruck verliehen haben. Findet dies nicht statt, dann würde CADRA zum Inhaber eines Rechtes, das es nicht besitzt.”
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