Genug gequasselt? Content-Verbände boykottieren „Zukunftsforum Urheberrecht“
Führende Verbände der Kultur- und Kreativwirtschaft haben am Dienstag ihre Teilnahme am „Zukunftsforum Urheberrecht“ abgesagt. „Wir fordern Frau Leutheusser-Schnarrenberger auf, sich endlich selbst den mit der Digitalisierung einhergehenden komplexen Fragen zum Urheberrecht zu stellen, statt immer neue Diskussionsrunden mit denselben Akteuren aufzusetzen, und ein robustes Gesamtkonzept vorzulegen (…)“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Die Kultur- und Kreativwirtschaft stehe für „Alibiveranstaltungen“ nicht zur Verfügung.
Ihre Kritik richten die Verbände speziell an die FDP. Seit 2001 habe es zahlreiche Kongresse, runde Tische, mehrjährige Dialogrunden sowie eine Reihe von konkreten Vorschlägen aller an der Diskussion Beteiligten gegeben. Und: „Mit Ausnahme der Liberalen haben alle anderen Parteien ihre Reformideen zum Urheberrecht bereits vorgestellt.“ Die Verbände erwarten nun ein Konzept, das den Urheber, seine Werke und Persönlichkeitsrechte schützt, und zugleich die „eher unpopuläre Problematik der Rechtsdurchsetzung“ angeht.
Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) und die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) hatten bereits Ende August kritisiert, Leutheusser-Schnarrenberger bringe die Diskussion über eine adäquate Reaktion auf die illegale Nutzung urheberrechtlich geschützter Angebote von Musik, Filmen oder Büchern nicht weiter. Die Ministerin hatte sich zuvor gegen Forderungen aus der Rechteindustrie gewandt, ein Warnhinweis-Modell gegen Urheberrechtsverletzungen einzuführen.
Von Notz: „Ich würde Schwarz-Gelb eine Fünf Plus geben”
Zumindest mit der grundsätzlichen Kritik, die Bundesregierung bleibe Urheberrechtsreformen schuldig, rennen die Verbände bei der Opposition offene Türen ein. „Es geschieht nichts“, kommentierte jüngst Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. „Als Schulnote würde ich Schwarz-Gelb im Bereich Urheberrecht eine Fünf Plus geben, weil ich kein bösartiger Charakter bin“, so Von Notz im Interview mit iRights.info. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte gegenüber iRights.info, „endlich dem Wahnsinn des Abmahnmissbrauchs durch einige wenige spezialisierte Anwaltskanzleien ein Ende setzen“. Ein Referentenentwurf des Justizministeriums zur Deckelung der Abmahngebühren liegt seit Frühjahr auf Eis.
Von der angekündigten Urheberrechtsreform (‚Dritter Korb‘) hat die Bundesregierung bislang nur das Leistungsschutzrecht für Presseverlage auf den Weg gebracht. Die Zustimmung des Bundestages ist aber noch unsicher. Netzpolitiker von CDU/CSU und FDP und die Junge Union üben Kritik. Der Blogger Sascha Lobbo spekuliert sogar, das Gesetz sei vom Bundesjustizministerium mit Absicht schlecht ausgearbeitet worden, damit es am Ende scheitert. Bisher habe jeder Entwurf „grobe Fehler oder Unklarheiten“ enthalten. Das könne laut Lobbyisten ein Zeichen dafür sein, „dass Kräfte in den Ministerien oder den gesetzesverfassenden Referaten das Gesetz torpedieren oder verhindern wollen – aber das nicht offiziell tun können“, so Lobbo in seinem Blog.
Das „Zukunftsforum Urheberrecht“ findet am Mittwoch in Berlin statt. Das Motto: „Was muss ein modernes Urheberrechtsgesetz leisten?“. Als Sprecher angekündigt haben sich neben Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger unter anderem Markus Beckedahl (Digitale Gesellschaft), Stephan Wernicke (DIHK), Tim Renner (Motor Entertainment) und Frank Rieger (Chaos Computer Club). Vertreter der nun absagenden Verbände sind im aktuellen Programm als Sprecher nicht vorgesehen.
Die Boykott-Erklärung unterschrieben haben der Bundesverband Musikindustrie (BVMI), der Börsenverein des Deutschen Buchhandels (BOV), die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU), der Verband unabhängiger Musikunternehmen (VUT) und die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO).
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