GEMA-Alternative sucht Mitglieder

Foto: Ian Burt/Flickr, CC BY
Die Cultural Commons Collecting Society (C3S) ist eine im Aufbau befindliche neue Verwertungsgesellschaft für Musik. Einen wesentlichen Anlass für ihre Gründung lieferte die GEMA, als sie Urhebern verweigerte, ihre Werke unter Creative-Commons-Lizenzen für andere freizugeben. Bei der C3S sollen Mitglieder die Wahl haben, ob sie das tun. Auch Kritik an mangelnder Transparenz und ungerechter Verteilung bei der GEMA hat der C3S-Initiative Auftrieb gegeben. Die Abrechnungen vor allem im Online-Bereich will die C3S weitgehend automatisieren. Für die Anschubfinanzierung sammelte sie 117.403 Euro per Crowdfunding.
Wolfgang Senges ist Mitgründer der C3S und leitet dort als einer der geschäftsführenden Direktoren den Bereich Geschäftsentwicklung und Partnerschaften. Zuvor war er als Berater, Redakteur, Referent und Sprecher in der Musikbranche tätig.
iRights.info: Im Herbst 2013 hat sich die Cultural Commons Collecting Society formell gegründet. Was ist seitdem passiert?
Wolfgang Senges: Wir haben die Gründungsphase durchlaufen und sind seit März als europäische Genossenschaft eingetragen. Im Juni startete ein von Nordrhein-Westfalen gefördertes Projekt, bei dem wir eine Softwareplattform entwickeln, die freiwillige Zahlungen von Konsumenten an Kreativschaffende ermöglicht und mit der sich die Nutzung einzelner Multimedia-Dateien leichter abrechnen lässt.
Beides war wichtig, damit wir jetzt das eigentliche Ziel ins Auge fassen können: Wir wollen die offizielle Zulassung beantragen, und zwar beim Deutschen Patent- und Markenamt, der Zulassungs- und Aufsichtbehörde für Verwertungsgesellschaften.
iRights.info: Welche Anforderungen gibt es, damit man als Verwertungsgesellschaft zugelassen wird?
Wolfgang Senges: Erstens müssen wir genügend Mitglieder haben, die uns beauftragen wollen, ihre Rechte wahrzunehmen. Das können wir aber erst, wenn wir die Zulassung haben – es ist ein Henne-und-Ei-Problem. Wie viele Mitglieder „genügend“ sind, sagt das Patentamt nicht. Man muss selber eine Kalkulation anstellen und hochrechnen, wie viele nötig sein werden, um auf Basis aller Vergütungsumsätze wirtschaftlich arbeiten zu können. Wir gehen davon aus, dass uns 2.500 Mitglieder, die ihre Rechte in die C3S einbringen, die geforderte Stabilität geben.
iRights.info: Sie meinen „Wahrnehmungsberechtigte“, wie sie genannt werden – also Komponisten, Texter, Songschreiber, Musiker?
Wolfgang Senges: Ja, das ist auch der kritische Punkt. Im Moment haben wir zwar schon 860 Mitglieder, doch nur 360 davon bringen Rechte ein. Hier müssen wir noch ordentlich zulegen, und dafür müssen wir unsere Strategie ändern. Statt nur einzelne Musiker anzusprechen, wollen wir mit Partnern zusammenarbeiten und größere Gruppen in einem Rutsch erreichen.
iRights.info: Welche Partner könnten das sein?

„Wenn sich unsere Modelle für Musik als praktikabel herausstellen, kann man sich auch mit anderen Inhalten beschäftigen.“ Foto: Barbara Senges
Wolfgang Senges: Wir haben bereits eine Kooperationsvereinbarung mit Safe Creative in Spanien geschlossen, einem Unternehmen zur Online-Registrierung von Werken. Daneben ist sicher auch an Lizenzierungsplattformen, Archive für GEMA-freie Musik und Organisationen zu denken, die Musiker repräsentieren. Bereits jetzt stehen wir in engem Kontakt zu Jamendo, einer Internetplattform für GEMA-freie Musik; zum Free Music Archive, einer weiteren Plattform für frei verfügbare Audio-Downloads; zur britischen Featured Artists Coalition und zur US-amerikanischen Future of Music Coalition, zwei Non-Profit-Organisationen, die sich für die Rechte professioneller Musiker einsetzen.
iRights.info: Macht das Patentamt auch technisch-organisatorische Vorgaben?
Wolfgang Senges: Wir müssen nachweisen, dass wir eine Infrastruktur haben, mit der wir unsere Mitglieder und das Repertoire verwalten können. Die dafür notwendigen Software- und Datenbank-Strukturen entwickeln wir ohnehin. Darüber hinaus verlangt das Patentamt Monitoring-Prozesse und -Werkzeuge, mit denen wir erkennen können, wenn Werke unserer Mitglieder gespielt werden, ohne dass sie bei uns einzeln lizenziert wurden. Etwa in Clubs, bei Veranstaltungen, auf Webseiten und so weiter.
iRights.info: Gibt es einen Zeitplan, wann Sie die Zulassung beim Patentamt beantragen und wann Sie richtig loslegen wollen?
Wolfgang Senges: Unser Ziel ist, die Anforderungen bis Herbst 2015 zu erfüllen und die Zulassung zu beantragen. Der Knackpunkt ist, die 2.500 wahrnehmungsberechtigten Mitglieder zu gewinnen, das wird wahrscheinlich sehr schwierig werden. Daher wollen wir uns in anderen Bereichen zeitliche Spielräume verschaffen. Beispielsweise, indem wir nicht von Beginn an alle Lizenztypen anbieten, die die GEMA im Portfolio hat – von der mechanischen Vervielfältigung über die Live-Aufführung bis zu den Online-Rechten. Stattdessen wollen mit zwei bis drei solcher Lizenztypen anfangen, die restlichen kommen später.
iRights.info: Reicht das Geld bei der C3S überhaupt bis Herbst 2015?
Das wird eine große Herausforderung. Wir haben bis zur Zulassung durch das Patentamt keine Einnahmen in unserem Kerngeschäft. Da müssen wir uns was einfallen lassen. Zum Beispiel bewerben wir Fördermöglichkeiten im Rahmen unseres Programms „Sustain“, das ist so ähnlich wie das Spendenprogramm für die Wikipedia.
iRights.info: Haben Sie solche Unterstützer schon?
Durchaus, im Herbst erhielten wir über diesen Weg etwa 600 bis 650 Euro monatlich. Manche geben fünf, andere zwanzig Euro; das ist sehr unterschiedlich, aber auch kleinste Beträge helfen.
iRights.info: Was ist mit Autoren, Fotografen oder Filmschaffenden, kann die C3S für sie als Modell dienen?
Eins nach dem anderen. Wir wollen die Verwertungsgesellschaft, ihre Infrastruktur und Dienstleistungen zunächst für Musik entwickeln und funktionsfähig machen. Wenn sich unsere Modelle für Musik als praktikabel herausstellen, kann man sich auch mit anderen Inhalten beschäftigen und sie übertragen, aber das braucht dann ebenfalls seine Zeit.
Meine persönliche Sicht ist, dass unsere Werkzeuge desto besser sind, je mehr unterschiedliche Inhalte sie abdecken können – so wie man auch bei Creative Commons dieselben Lizenzen für unterschiedliche Inhalte nutzen kann. Insofern wäre es sehr sinnvoll, das Modell auf andere Werkarten zu übertragen. Doch damit beschäftigen wir uns derzeit noch nicht.
Dieser Text erscheint in „Das Netz 2014/2015 – Jahresrückblick Netzpolitik“. Das Magazin versammelt mehr als 70 Autoren und Autorinnen, die einen Einblick geben, was 2014 im Netz passiert ist und was 2015 wichtig werden wird. Bestellen können Sie „Das Netz 2014/2015“ bei iRights.Media.
1 Kommentar
1 Schaekel am 27. Februar, 2022 um 11:37
Wie kann man Mitglied weden?
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