Fünf unfassbare Dinge, die Lehrende nach geltendem Urheberrecht nicht tun dürfen
Finnland: Keine bewegten Bilder im Klassenraum
In Finnland wurde das Urheberrecht in den Neunzigerjahren dahingehend geändert, dass eine Schule Aufführungsrechte für einen kommerziellen Film erwerben muss, um ihn im Klassenzimmer zeigen zu dürfen.
Leider ist der Gesetzestext mehrdeutig und umfasst alle „Bewegtbilder“. Auch dann, wenn andere Lehrer oder Schüler eine Erklär-Animation oder ein kurzes Lehrvideo produziert haben, würde die Lehrkraft die explizite Erlaubnis des Rechteinhabers einholen müssen, um sie zu zeigen. Doch während Lehrer bei kommerziellen Filmen über ein einfaches Web-Interface Rechte einholen können, gibt es hier keine andere Möglichkeit als den Rechteinhaber direkt zu kontaktieren, um Rechte für einen Clip im Netz oder einen Indie-Film zu klären.
In der Praxis bedeutet das, dass Lehrer entweder das Gesetz brechen oder viel Zeit damit verbringen müssen, Rechteinhaber ausfindig zu machen, um eine Erlaubnis einzuholen.
Österreich und Litauen: Keine Zitate per E-Mail
Die meisten nationalen Rechtsordnungen in der EU sehen für das Zitieren aus urheberrechtlich geschützten Werken eine Ausnahmeregelung (Schranke) vor. Es handelt es sich um eine wichtige Ausnahme des Urheberrechts, um Forschung und die kritische Auseinandersetzung mit urheberrechtlich geschützten Werken zu ermöglichen, aber auch für viele Nutzungen im Bildungsbereich und darüber hinaus.
In Österreich und Litauen dürfen Lehrer zwar ein Zitat auf ein Blatt Papier oder auf die Tafel schreiben, aber sie dürfen diese Zitate nicht online nutzen. Das bedeutet, dass ein Lehrer in Österreich oder Litauen seinen Schülern nicht auf legalem Wege eine Aufgabenstellung mit Zitat per E-Mail schicken kann.
Sollen die Schüler einen bestimmten Abschnitt eines urheberrechtlich geschützten Buches im Literaturunterricht besprechen, müsste er besagten Paragraphen sprachlich umschreiben, etwa „dritter Abschnitt auf Seite 70 in der 2001 erschienenen Auflage“. In den restlichen EU-Mitgliedstaaten dagegen dürfen Zitate für Unterrichtszwecke online genutzt werden.
Italien und Bulgarien: keine grenzüberschreitenden Übersetzungsaufgaben
Wenn man in Italien eine Fremdsprache unterrichtet, macht das Urheberrecht einem das Leben schwerer, als es ohnehin schon ist. Eine Lehrkraft in Italien kann ihre Schüler nicht auf legalem Wege dazu auffordern, ein ganzes Gedicht eines ausländischen Autors ins Italienische zu übersetzen, weil der italienische Gesetzgeber Übersetzungen nicht in die abschließende Liste der Urheberrechtsschranken für Unterrichtszwecke aufgenommen hat.
Wenn der Lehrer dagegen in Bulgarien unterrichten würde, würde er rechtlich befugt sein, solche Aufgabenstellungen zu erteilen, weil das bulgarische Urheberrecht die erlaubten Nutzungen nicht abschließend aufzählt. Solange die Übersetzung für Bildungszwecke angefertigt wird, ist sie in Bulgarien erlaubt.
Nun stellen Sie sich vor, ein Schüler aus Italien möchte an einem Fernlehrgang teilnehmen, der von einer bulgarischen Bildungsinstitution angeboten wird: Könnte er eine Übersetzungsaufgabe lösen, die ihm oder ihr von einem bulgarischen Lehrer aufgeben wurde, ohne italienisches Urheberrecht zu verletzen? Nein.
Finnland: Keine Bearbeitungen erlaubt
Das finnische Urheberrecht kennt keine Ausnahmeregelung für die Erstellung abgeleiteter Werke zu Bildungszwecken. So ist zum Beispiel das Übersetzen ausländischer Nachrichtenseiten gängige Praxis, aber nicht erlaubt. Rechteinhaber und Verwertungsgesellschaften finden das unproblematisch – wahrscheinlich, weil sie sich der Regelungslücke nicht bewußt sind.
Das finnische Urheberrecht ist mit seinen vielschichtigen Ausnahmen sehr schwer zu durchdringen. Deshalb ist es nahezu unmöglich, Lehrkräften zu sagen, was sie legal tun dürfen und was nicht. Sie müssen also alles ganz alleine herausfinden – eine unglaubliche Zeitverschwendung ist, die eigentlich der Unterrichtsvorbereitung zu Gute kommen sollte.
Das automatisch erstellte Bild unter diesem Abschnitt zeigt die Verweisungen innerhalb des finnischen Urheberrechts. Es gibt wahrscheinlich nur etwa zwei Menschen auf dieser Welt, die das finnische Urheberrecht in seiner Gesamtheit verstehen – diejenigen, die das Gesetz geschrieben und es während der letzten fünfzig Jahre angepasst haben.
Polen: Nutzen Sie gern die Inhalte, aber bitte nur offline
Im Gegensatz zu anderen EU-Ländern hat Polen relativ stark ausgeprägte Urheberrechtsschranken für Bildungszwecke. Inhalte können zur Veranschaulichung des Unterrichts im Klassenzimmer genutzt werden. Kompliziert wird es, sobald Lehrer und Schüler online gehen, Inhalte online veröffentlichen wollen und ihre Schüler animieren, dasselbe zu tun, weil ihnen gesagt wird, dass digital kompetente Bürger schöpferisch-kreativ sind und ihre Inhalte teilen.
Leider sehen Polens Gesetze keine Freiheiten für Nutzungen zu Bildungszwecken im Onlinebereich vor. Lehrer, die urheberrechtlich geschütze Werke in Lernszenarien oder Präsentationen nutzen, die sie mit Kursteilnehmern erstellt haben, würden das Urheberrechtsgesetz verletzen. Es gibt einen berühmt-berüchtigten polnischen Urheberrechts-Troll: einen Fotografen, der Schulen und Bibliotheken verklagt, sobald sie das Bild eines berühmten polnischen Dichters online stellen, an dem er Rechte hält. Polnisches Urheberrecht funktioniert gut, solange man im Klassenraum bleibt, aber es ist ein Jammer, dass es moderne Unterrichtsmethoden, die sowohl online als auch offline stattfinden, nicht besser regelt.
Dies sind nur einige Beispiele, weshalb und an welchen Punkten das Urheberrecht in Europa nicht für modernen Unterricht geeignet ist.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Englisch bei Medium. Das Communia-Netzwerk hat auch ein Positionspapier über Urheberrechtsschranken im Bildungswesen veröffentlicht. Beispiele in diesem Beitrag von Teresa Nobre, Tarmo Toikkannen und Alek Tarkowski, viele basieren auf Teresa Nobre: Educational Resources Development: Mapping Copyright Exceptions and Limitations in Europe, Working Paper, Juli 2014 (PDF). Deutsche Übersetzung für iRights.info von Sylvia Jakob. Lizenz: CC BY.
1 Kommentar
1 Oggi am 20. Januar, 2016 um 00:03
[Wie VG Wort Professoren quält und studieren erschwert](http://techniktagebuch.tumblr.com/post/132524640967/3112015)
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