Fundstücke zur Kreativwirtschaft
Kopierabgaben für Festplatten ärgern Gerätehersteller
Nach der zu Jahresbeginn in Kraft getretenen Urheberrechtsnovelle hat die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ) damit begonnen, Urheberabgaben (aka “Kopierabgaben”) auf Festplatten einzufordern.
Die Logik dahinter: Die meisten Leute speichern auf ihren Festplatten fremdes, urheberrechtlich geschütztes Material als Privatkopie. Dafür sollen die Urheber durch eine entsprechende Abgabe entschädigt werden.
Das sorgt bei den Festplattenherstellern und beim Branchenverband Bitkom aber für Ärger, weiß Computer Reseller News zu berichten (16.5.2008) Der Bitkom fordert statt neuen Urheberabgaben die Ausdehnung des Einsatzes von digitalem Rechtemanagement (DRM) und einer damit möglichen, individuellen Abrechnung bei Kopieraktionen.
Ich will an dieser Stelle einmal skizzieren, was das in der Praxis bedeuten könnte.
Wer im Web surft und diverse Websites ansteuert, lädt von dort automatisch Bilder, Texte, Videos und Musik als Kopie in den Browser-Cache auf der Festplatte. Bei konsequentem DRM-Einsatz würde jede dieser Kopien eine Genehmigungsaktion auslösen und ggf. auch eine Zahlungsfunktion. Genehmigungs- und Zahlungsaktionen im Bereich von weniger als einem Cent dürften unökonomisch sein. (Ich vermute sogar, daß sich solche Aktionen erst ab 5 Cent aufwärts pro Aktion rechnen.) Veranschlagt man je ein Cent pro Bild, Text, Video, Musikstück, das von einer Website geladen wird, würde das Betrachten einer durchschnittlichen Website vielleicht 15-20 Cent kosten. In jeden Webbrowser müßte ein Taxameter eingebaut werden, der immer weiterzählt, wenn ich eine neue Website aufrufe. Am Ende eines durchschnittlichen Tages stünden so etliche Euro auf der Rechnung, die von meinem Konto abgebucht würden. Jeden Tag tickte unerbittlich das Web-Taxameter. Wenn ich nicht zahlen will oder kann, wird mir die nächste Website einfach nicht mehr angezeigt…
Von Plagiaten und Zitaten in der Grauzone
Laut Wiesbadener Tagblatt (17.5.2008) hat Staatstheater-Intendant Manfred Beilharz sich von einer fremden Inszenierung bei seiner eigenen Inszenierung “anregen” lassen. Ein Wiesbadener Jurist warf ihm daraufhin ein Plagiat vor, denn Inszenierungen seien als “geistige Schöpfung…natürlich geschützt”. Ganz so offensichtlich scheint das aber doch nicht zu sein. Jedenfalls ist Silke von Lewinsky vom Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht in ihrer Beurteilung der Angelegenheit vorsichtig und spricht von einer “rechtlichen Grauzone”. Manfred Beilharz ist ob der abweichenden Meinungen unschlüssig und bietet an, sich zu schämen.
Grund, sich zu schämen, hat womöglich auch der Medienwissenschaftlers Professor Winfred Kaminski. Kaminski hat an einem Buch über “Computerspiele(r)” mitgearbeitet, das von der Bundeszentrale für politische Bildung verlegt wurde. Dabei hat er anscheinend vergessen, Textabschnitte, die er aus dem Internet kopiert hat, ausreichend als Zitate zu kennzeichnen. So berichtet (18.5.2008) jedenfalls der Heise Newsticker unter Berufung auf die morgige Ausgabe des Spiegels.
Nachtrag vom 20.5.2008: Bei DerWesten ist ein Interview mit Kaminski erschienen. Darin äußert dieser die Vermutung, dass die Plagiatsvorwürfe nur dazu dienen sollten, den weiteren Vertrieb eines unliebsamen Buches zu verhindern.
Auf das Plagiatsproblem wird Kaminski auch direkt angesprochen:
“DerWesten: Sie haben zugegeben, dass für einen der Aufsätze Texte aus dem Internet benutzt und diese nicht sorgfältig genug deutlich gemacht wurden. Hätte man sowas nicht im Vorfeld sehen oder erkennen müssen?
Prof. Kaminski: Das muss ich mir leider anziehen und die Verantwortung übernehmen! Ich ärgere mich bodenlos, dass ich einen unfertigen Text – der allenfalls eine erste Montage, eine Art Materialsammlung war – aus der Hand gegeben habe. Da habe ich arg gepatzt.”
Urheberschutz für T-Shirts auf Zeitschriftenfotos?
Die IT-Recht-Kanzlei (München) informierte am Freitag (16.5.2008) über ein bahnbrechendes Urteil zum Urheberrechtsschutz von T-Shirts.
Tatsächlich können T-Shirts als Werke der angewandten Kunst (UrhG §2 Abs. 1 Zif. 4) geschützt sein. Ein Foto eines solchen T-Shirt-Kunstwerks landete nun auf der Titelseite einer Zeitschrift. Der T-Shirt-Künstler (“Designer”) sah dadurch seine Urhebeberrechte verletzt. Er kam, sah, klagte und…verlor. Das OLG München bestätigte das Urteil des Landgerichts München I, das entschieden hatte, daß das Foto im konkreten Fall durch eine Ausnahmebestimmung (“Schrankenregelung”) im Urheberrecht legitimiert sei. Die Gerichte zogen dazu UrhG §57 heran:
“Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind.”
Beide Instanzen waren der Auffassung, dass der Abdruck des Fotos nur Beiwerk zur gesamten Zeitschrift sei, weil der Inhalt der Zeitschrift sich nicht um T-Shirts oder Ähnliches drehte.
Digital-TV in der Schweiz: Verschlüsselt, oder nicht verschlüsselt?
Die Neue Zürcher Zeitung (16.5.2008) dokumentiert ausführlich die Diskussion um die sogenannte Grundverschlüsselung von digital gesendetem Fernsehen.
- Simonetta Sommaruga: Am Gängelband der Kabelnetzanbieter. Verschlüsselung nach Erfahrungen aus dem In- und Ausland unnötig
- Fulvio Caccia: Das Digital-TV kann ohne Verschlüsselung nicht gedeihen. Ein Aufruf zu medienpolitischer Vernunft im Streit um die Set-Top-Boxen
- Matthias Benz: Digitale Mattscheibe
Es lohnt sich auf jeden Fall, die Debatte zu verfolgen. Früher oder später, das wage ich, vorauszusagen, wird in Deutschland ganz ähnlich diskutiert werden. Gut, wenn man dann einige Argumente schon einmal gehört hat.
Nachtrag vom 21.5.: Vorerst bleibt es in der Schweiz dabei: “Keine Wahlfreiheit bei der Set-Top-Box” (NZZ, 20.5.).
Virtuelle Videorecorder und die Privatkopie
Bei OpenPR gibt es eine längere Ausführung von der IT-Recht Kanzlei (München) zu der Frage “Gilt das Recht auf Privatkopie auch bei Einsatz von „virtuellen Recordern“? Empfehlenswert!
Bei iRights.info gibt es zu dem Thema folgende Texte:
- Online-Recording: Der Videorekorder im Netz (15.5.2006)
- Weiterer Online-Videorekorder verboten (Nachricht vom 1.9.2006)
- OLG Dresden bestätigt Verbot von Online-Videorekorder (Nachricht vom 17.4.2007)
Filesharing-Verfahren in den USA
In zwei wichtigen Filesharing-Verfahren in den USA hat es in dieser Woche neue Entwicklungen gegeben.
Im Fall der von einer Jury zu 222.000 US-Dollar Schadensersatz verurteilten Jammie Thomas hat der zuständige Richter Michael Davis jetzt festgestellt, daß er selbst versehentlich gegen das Recht verstoßen hat. Der Richter hatte ein bindendes Urteil eines übergeordneten Gerichts nicht berücksichtigt und scheint die Absicht zu haben, das Verfahren neu aufzurollen (via Ars Technica). Ob das für die verurteilte Jammie Thomas von Vorteil sein wird, ist schwer zu sagen. (Zum Verfahren siehe auch den Bericht bei iRights.info.)
Im Fall der zu Unrecht von der Recording Association of America (RIAA) verklagten Tanya Andersen hat ein Gericht die Kläger von der Musikindustrie zur Zahlung der Gerichts- und Anwaltsgebühren von Andersen in Höhe von 107.834 US-Dollar verurteilt (via Ars Technica). Die RIAA hatte lediglich 30.000 US-Dollar angeboten, Andersens Anwalt 298.995 US-Dollar gefordert.
Selbstvermarktung via Internet
Bei Pressetext.at gibt es einen Artikel (16.5.2008) mit Hinweisen zu verschiedenen Portalen, über die Kreative ihre Werke direkt im Internet vermarkten können.
- Musik: DJTunes
- Musik, Filme, Bilder und Texte: CultureLoad (übrigens gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium)
Bei CultureLoad kann man sich wahlweise als Künstler oder Mitglied registrieren. Künstler werden folgendermaßen umworben:
- “Lade deine Musik, Filme, Bilder, Texte hoch”
- “Setz den Verkaufspreis & verdiene Geld”
- “Gewinne neue Fans/Zuschauer/Leser”
- “Organisiere eigene Projekte”
- “Werde für Events gebucht”
Laut der FAQ bekommen Künstler “75% vom Bruttoumsatz”, der mit ihren Werken erzielt wird. CultureLoad verwendet eine eigene Währung namens “CultureCoin” (CC), die in Euro umgerechnet wird. Erlöse werden “auf [ein] kostenloses PayPal oder Moneybookers-Konto” überwiesen. Veröffentlichte Werke stehen unter einer Creative-Commons-Lizenz.
USA: Neues Gesetz soll Problem der “verwaisten Werke” lösen
Wie das gerade für etwa 25 Millionen US-Dollar von Conde Nast übernommene (via CNET — selbst gerade für 1,8 Milliarden US-Dollar gekauft von CBS; via Mercury News, 16.5.2008) und künftig Wired beigeordnete Newsportal Ars Technica berichtet (16.5.2008), macht der Gesetzentwurf zu den in den USA “orphan works” genannten, “verwaisten Werken”, Fortschritte im Senat. Der zuständige Justizausschuß hat den Gesetzetwurf mit kleineren Änderungen verabschiedet.
“Verwaiste Werke” sind urheberrechtlich geschützte Werke, bei denen der oder die Rechteinhaber entweder nicht zu identifizieren oder nicht auffindbar sind. Jemand, der die Nutzung solcher Werke lizenzieren möchte, steht damit vor der unüberwindbaren Hürde, keinen potentiellen Lizenzgeber als Ansprechpartner zu haben.
Der in den USA in den Parlamentskammern beratene Gesetzentwurf sieht im Kern vor, daß der- oder diejenige, der ein “verwaistes Werk” nutzen möchte, zuerst nachweisen muß, daß er oder sie alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, um den Rechteinhaber ausfindig zu machen. Hat das nicht funktioniert, darf er oder sie das Werk ohne ausdrückliche Erlaubnis nutzen. Die Nutzung wird in einer Datenbank registriert. Sollte sich später ein Rechtsinhaber melden, hat dieser Anspruch auf Nachzahlung von Lizenzgebühren.
Zu den Hintergründen des Gesetzes hat die oberste Copyright-Wächterin der USA, Marybeth Peters, Mitte März 2008 einen längeren Text veröffentlicht.
Die Babelfish-Übersetzung des Textes ist leider unbrauchbar — aber amüsant. Hier zur Unterhaltung ein Auszug:
“Tatsächlich ist der auffallendste Aspekt der Waisenarbeiten, dass die Frustrationen auf eine Art durchdringend sind, dass viele copyrightprobleme nicht sind. Wenn ein Copyright-Inhaber nicht identifizierent werden kann oder das unlocatable ist, mögliche wichtige Benutzerungezwungenheit, produktive Projekte, von denen viele zu unserem nationalen Erbe vorteilhaft sein würden. Gelehrte können die wichtigen Buchstaben, die Bilder und die Manuskripte, die sie heraus in den Archiven oder in den Privateigentümern, nicht suchen anders als in der begrenzten Weise benutzen, die durch fairen Gebrauch oder die erste Verkaufslehre die Erlaubnis gehabt wird.”
Erinnert mich stark an die Bedienungsanleitungen, die heutzutage aus Asien importierten Elektrokleingeräten beiliegen :-)
Nachtrag vom 21.5.: Lawrence Lessig, Internet- und Urheberrechtsaktivist sowie Mitbegründer von Creative Commons, äußerte sich in der gestrigen Ausgabe der New York Times kritisch über den vorliegenden Gesetzentwurf:
“Der dem Kongreß vorliegende Lösungsvorschlag ist sowohl unfair als auch unklug. Das Gesetz würde Urheberrechtsverletzer vor hohen Schadensersatzforderungen schützen…”
Sex, Urheberrecht und Videos
Zu guter Letzt noch ein kreatives Anwendungsbeispiel für das Urheberrecht. Die Netzeitung berichtet unter der Überschrift “Wenn private Sexbilder plötzlich im Netz stehen” über folgendes Problem: Ein Pärchen filmt und/oder fotographiert sich selbst beim Sex und erfreut sich an den Aufnahmen. Später irgendwann tritt das Wahrscheinliche ein und das Pärchen trennt sich. Aus Rache veröffentlicht er oder sie dann kompromittierende Aufnahmen des Partners im Internet. Das ist mindestens peinlich, kann aber auch großen Schaden anrichten. (Ich überlasse es der Vorstellungskraft der Leserinnen und Leser des Blogs, sich solche Fälle im Einzelnen zu überlegen.) Verständlicherweise werden die meisten derart unfreiwillig online Entblößten die Aufnahmen aus dem Internet entfernen wollen. Und hier kommt nun endlich auch das Urheberrecht ins Spiel:
“Der Bundesverband der Informationswirtschaft (Bitkom) in Berlin rät den Opfern in solch einem Fall zu rechtlichen Schritten: «Wenn das Bildmaterial vom Opfer selbst aufgenommen wurde, hat es einen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch, den es gegen die Veröffentlichung geltend machen kann», sagt ein Sprecher des Verbandes. Es könne auch eine einstweilige Verfügung beantragt werden, damit das Material schnell aus dem Netz genommen wird. Im Übrigen gelte das allgemeine Persönlichkeitsrecht, auf dessen Grundlage eine Klage auf Unterlassung und Entfernung möglich sei.”
Ich möchte ergänzend noch auf das Kunsturhebergesetz (KunstUrhG) hinweisen, das in Paragraph 22 das Recht am eigenen Bild festschreibt:
“Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.”
Keine Regel ohne Ausnahme. Auch das Recht am eigenen Bild kennt Grenzen, die aber bei der unerlaubten Veröffentlichung von freizügigen Aufnahmen aus dem Bereich des persönlichen Sexuallebens ganz sicher nicht greifen. Ein Verstoß gegen §22 KunstUrhG wird auf Antrag des oder der Betroffenen als Straftat verfolgt.
Tip: Wenn die Polizei sich mangels Erfahrung mit solchen Fällen weigert, eine Anzeige aufzunehmen, hilft es, den zuständigen Staatsanwalt direkt anzusprechen (per Post oder Fax).
Nachtrag vom 21.5.: Beim Deutschlandfunk gibt es einen Beitrag zum Thema “Recht am eigenen Bild”. Die Sendung wurde heute um 6:25 ausgestrahlt. Wer sie nachhören will, kann sich das MP3 dazu laden.
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