EU-Urheberrecht und Leistungsschutz: Ratspräsidentschaft zögert noch
Im Ringen um eine Reform des Urheberrechts haben die europäischen Staaten noch keine gemeinsame Linie gefunden. Das geht aus einem Kompromiss-Entwurf der estnischen Ratspräsidentschaft zum „Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ hervor, den die Plattform Statewatch heute veröffentlicht hat.
Presse-Leistungsschutzrecht oder Vermutungsregel
Über den Rat bringen sich die EU-Staaten in die anstehenden Verhandlungen mit der Kommission und dem Parlament ein. Die Ratspräsidentschaft wiederum vertritt den Rat gegenüber den anderen EU-Organen.
Die Ratspräsidentschaft zögert unter anderem, ob sie die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger in ganz Europa unterstützen soll. Das neue Recht zielt vor allem auf Textschnipsel bei Suchmaschinen und soll digitale Nutzungen von Presseinhalten weitgehend lizenzpflichtig machen. Der Entwurf listet dazu zwei Optionen auf:
- Der Rat könnte den Richtlinienentwurf der EU-Kommission beim Presse-Leistungsschutzrecht unterstützen und nur Detailänderungen anstreben.
- Statt für ein neues Schutzrecht könnte sich der Rat für eine „Vermutungsregel“ stark machen. Die Regel soll es Presseverlegern ermöglichen, auch ohne Vorab-Rechtenachweis gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen. Einen ähnlichen Vorschlag hatte bereits die zwischenzeitliche Berichterstatterin des EU-Parlaments, Therese Comodini Cachia (Europäische Volkspartei) eingebracht.
Auch Rat für mehr Kontrolle durch Webdienste
Im Grundsatz einig scheinen sich die europäischen Staaten dagegen beim Plan, die Pflichten für Internetdienste zu verschärfen, auf denen Nutzer Inhalte hochladen. Die EU-Kommission will, dass die Dienste mehr Lizenzvereinbarungen schließen und Inhalte stärker kontrollieren, etwa durch Upload-Filter. Der Entwurf der Ratspräsidentschaft unterstützt das Vorhaben und listet dazu zwei Optionen auf, die den Kreis der betroffenen Dienste nur mehr oder weniger weit ziehen.
Überwiegend kritisch beäugt wird der Entwurf auf der Seite Copybuzz. Die Wahl liege „zwischen schlecht und schlechter“, schreibt Caroline de Cock von „Copyright for Creativity“, einer von der IT-Wirtschaft, Bildungsverbänden und zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützten Lobbyplattform. Ähnlich äußert sich die EU-Abgeordnete Julia Reda (Piraten, Fraktion Grüne). Ermutigend sei aber, dass die Pläne für ein neues Presse-Leistungsschutzrecht „noch vereitelt werden könnten“, so Reda.
Update, 5.9.2017: Ein weiteres, am heutigen Dienstag auf Statewatch veröffentlichtes Dokument zeigt, dass mehrere EU-Staaten bei den geplanten Verschärfungen der Prüfplichten für Onlinedienste mögliche Konflikte mit den Grundrechten und bestehenden Haftungsregeln sehen. Vertreter der Regierungen in Belgien, Finnland, Irland, den Niederlanden, Tschechien und Ungarn wandten sich mit entsprechenden Fragen (PDF) an den juristischen Dienst des Rats.
Konkret fragen sie unter anderem nach der Vereinbarkeit von Filterpflichten mit der Informations- und Meinungsäußerungsfreiheit, der unternehmerischen Freiheit, der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und dem Haftungsregime der E-Commerce-Richtlinie. Das Dokument ist auf den 25. Juli 2017 datiert und wurde demnach bereits vor dem Kompromissentwurf der estnischen Ratspräsidentschaft verfasst. Antworten des juristischen Dienstes sind darin nicht enthalten.
1 Kommentar
1 anonim am 30. September, 2017 um 14:26
Zählen eigentlich für die EU noch irgendwelche Interessen ausser denen der Rechteverwerter und Copyrightmaximalisten?
Vom Konzept des Interessenausgleichs oder gar der Förderung von Kreativität scheint man sich in Brüssel jedenfalls verabschiedet zu haben.
Was sagen Sie dazu?