EU-Rat und -Kommission sollen Umsetzung des WIPO-Blindenvertrags verzögern
Obwohl der EU-Rat bereits am 30. April vergangenen Jahres den WIPO „Treaty of the Blind“ unterzeichnete, scheint er nun zusammen mit der Europäischen Kommission dessen Umsetzung zu verzögern. Darauf weist das internationale Verbraucherforum „Transatlantic Consumer Dialogue“ (TACD) in einem Blog-Beitrag hin.
Erst mit einer offiziellen Anerkennung (auch: Ratifizierung) durch die EU und die einzelnen Mitgliedsstaaten träten die Vereinbarungen des WIPO-Vertrages in Kraft.
WIPO-Blindenvertrag
Das internationale Abkommen über Urheberrechtsausnahmen für Blinde und sehbehinderte Menschen kam im Juni 2013 nach zähem Ringen bei einer Konferenz der Welturheberrechtsorganisation (WIPO) in Marrakesch zustande. Es soll Bibliotheken und Verbänden eine rechtliche Grundlage geben, um urheberrechtlich geschützte Werken in Formate zu bringen, die für Sehbehinderte und Blinde zugänglich sind, ohne dass Rechteinhaber vorher zustimmen müssen. Es ist der erste internationale Vertrag im Urheberrecht, der sich ausdrücklich mit Beschränkungen des Urheberrechts befasst.
Doch die nach der Unterzeichnung des Vertrages versprochene „zügige Umsetzung“ suche eine Arbeitsgruppe zum Urheberrecht des Rates nun zu verzögern, so die Autoren des Beitrags, in dem es weiter heißt:
Die EU-Kommission wird nun zunächst prüfen, welche Ausnahmen für Sehbehinderte im Zuge der Harmonisierung des EU-Urheberrechts möglich sind, bevor sie über die Umsetzung des Marrakesch-Vertrages entscheidet. … Doch damit geht sie in der Debatte wieder zurück auf den Anfang. (Übersetzung iRights.info)
(The European Commission now will consider possible changes to first harmonize EU law on exceptions to copyright for the visually-impaired before considering ratification of the Marrakech Treaty. It has been decided that the Commission will prepere a “non-paper” to test the waters and open, yet again, a new debate on how to proceed. Back to square one!)
Damit würde die EU-Kommission eine Zusage brechen, die der 2014 zuständige Kommissar Michel Barnier den europäischen Blindenorganisationen gegeben hätte. Beobachter wie Kaya Köklü vom Max-Planck-Institut für Immaterialgüterrecht hatten Verzögerungen bereits erwartet.
Stattdessen soll die Umsetzung des Vertrages in der EU nun offenbar auf die geplante EU-Urheberrechtsreform warten, die auch Ausnahmeregeln vereinheitlichen könnte. Der Reformprozess könne noch drei bis fünf Jahre dauern, so die Einschätzung des TACD.
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