Diskussion um Urheberrechtsausnahmen im Bildungsbereich nimmt an Fahrt auf
In die seit Jahren andauernde Debatte um sogenannte Schrankenregelungen im Urheberrecht zugunsten von Wissenschaft und Bildung kommt offenbar neue Bewegung. Dazu trägt auch die Ende März veröffentlichte Untersuchung von Katharina de la Durantaye bei (iRights.info berichtete). De la Durantaye, Juniorprofessorin für Bürgerliches Recht an der Humboldt-Universität zu Berlin, entwirft darin das Modell einer „allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke mit Regelbeispielen“.
Während einer eintägigen Konferenz an der Humboldt-Universität (Programm als PDF) kommende Woche diskutieren Vertreter aus Politik und Rechtswissenschaft als auch des Bibliotheks- und Archivwesens darüber, ob und wie die Vorschläge umgesetzt werden könnten. Zu den Referentinnen und Rednern zählen Frithjof Maennel, als Ministerialrat beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zuständig für Bildungs- und forschungspolitische Grundsatzfragen, sowie Irene Pakuscher, Leiterin des Referats Urheber- und Verlagsrecht beim Bundesministerium der Justiz (BMJ).
Desweiteren sprechen Silke von Lewinski vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb; Thomas Pflüger, als Vertreter der Kultusministerkonferenz; Christian Sprang vom Börsenverein des deutschen Buchhandels; Robert Staats von der VG Wort; Rainer Kuhlen vom Aktionsbündnis „Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft“ sowie Eric Steinhauer von der Universitätsbibliothek Hagen. Den Abschluss des Programms bildet eine Diskussion mit Referenten und Publikum.
De la Durantayes schlägt vor, die im Urheberrecht verstreuten Befugnisse zukünftig in einer „Generalklausel“ zusammenzufassen, die durch „Regelungsbeispiele“ ergänzt würde. Urheberrechtlich geschützte Werke dürften dann unter anderem „zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts“, „für Prüfungen“ oder „zur automatisierten Analyse des Informationsgehalts“ (Data Mining) kopiert und öffentlich zugänglich gemacht werden – und dies könnte, abweichend zu bestehenden Regelungen, nicht nur für Auszüge, sondern für ganze Werke gelten.
„Das Recht auf elektronisches Lesen verteidigen“
Am Konzept einer Schrankenregelung für Bildung und Wissenschaft orientiert sich auch die Forderung des Verbands EBLIDA, dem unabhängigen, europäischen Dachverband des Bibliotheks-, Archiv- und Dokumentationswesens. Er spricht eigenen Angaben zufolge für rund 65.000 Bibliotheken und 100 Millionen Nutzer und Nutzerinnen in Europa.
Mit einer breit angelegten Kampagne, zu der auch eine Online-Petition gehört, setzt sich EBLIDA dafür ein, „ein präzises, aktualisiertes Urheberrecht zu entwickeln, das Bibliotheken ermöglicht, ihre Kernaufgaben auch im 21. Jahrhundert zu erfüllen: allen Bürgerinnen und Bürgern der EU Zugang zum Reichtum an menschlichem Wissen zu bieten, egal ob in der Bibliothek, außerhalb oder online“.
Für die Umsetzung dieser Forderung wäre ein punktuell erneuerter europäischer Urheberrechtsrahmen erforderlich, der es den Bibliotheken explizit erlaube, „E-Books zu fairen Preisen und angemessenen Konditionen erwerben, zu verleihen und dafür den Autorinnen/Autoren und Rechteinhaberinnen/Rechteinhabern eine angemessene Vergütung zu erstatten.“ Aus Sicht des Verbandes geht es um nicht weniger als darum, „das Recht auf elektronisches Lesen“ zu verteidigen. Dafür will EBLIDA per Online-Petition mindesten 7.500 Unterstützer gewinnen, bisher sind etwa 5.700 zusammengekommen (Stand: 30.4., 14 Uhr).
Deutscher Bibliotheksverband verlangt Gleichstellung von Print- und E-Books
Erst vergangene Woche, anlässlich des Welttags des Buches und des Urheberrechts am 23. April, bekräftigte auch der Deutsche Bibliotheksverband (DBV) seine Forderung nach „rechtlicher Gleichstellung von E-Books und gedruckten Büchern“. Den Bibliotheken geht es dabei um „eine Ausweitung des Erschöpfungsgrundsatzes und des Verbreitungsrechtes im Urheberecht, auf die entsprechende Ausweitung der Bibliothekstantieme auf elektronische Medien und die Anpassung des Mehrwertsteuersatzes von E-Books an die reduzierte Mehrwertsteuer für gedruckte Bücher.“ In einer Mitteilung der Kulturstaatsministerin Monika Grütters hieß es im Januar, dass die Bundesregierung sich darauf verständigt habe, sich bei der EU für einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für E-Books einzusetzen.
1 Kommentar
1 nad am 6. Mai, 2014 um 09:45
Das Kopieren ganzer Werke stellt ja wohl eine erheblich stärkere Verwertung dar, als auszugsweises Kopieren. Es stellt auch (vorallem pro Zeit gesehen) eine erheblich grössere Verwertung dar, als das Ausleihen von einzelnen Exemplaren in Bibliotheken. Für die Verlage/Autoren war bisher der Verkauf von Kopien (z.B. von Lehrbüchern an Klassen, Schulen, Eltern, Mehrfachkopien an Bibliotheken) ein Mechanismus um ein (auch finanzielles) Feedback für die größere Verwertung ihres Produktes zu bekommen. Soll dieser Feedbackmeachnismus wegfallen oder ersetzt werden (zb. durch elektronisches Zählen der elektronischen Kopien)?
Was sieht das Modell einer „allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke mit Regelbeispielen“ hier vor?
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