Fremdes Material nutzen: Die Gefahren der Montage

Grafik: Libby Levi, opensource.com, CC BY-SA
Filmmaterial aus anderen Quellen in den eigenen Film einzubauen, ist ein gängiges Verfahren – und dadurch, dass inzwischen immer mehr Filme digital vorliegen auch sehr viel leichter zu bewerkstelligen. Dokumentarfilme, Musikvideos, Experimentalfilme, aber auch Spielfilme erzeugen dadurch, dass sie Archivmaterial verwenden, Atmosphäre, lassen vergangene Zeiten aufleben und erzeugen verblüffende Effekte, indem sie alt und neu gegenüberstellen.
Die Methode, bereits vorhandenes Filmmaterial zu neuen Sequenzen zu verarbeiten, wird auch als „Found Footage“ – oder auch Kompilationsfilm – bezeichnet: Archivmaterial wird zusammengetragen und in den eigenen Film hinein montiert, so dass ein neuer Bedeutungszusammenhang entsteht. Das ist natürlich kein neues Verfahren, sondern wurde auch schon mit analogem Film genutzt. Dadurch, dass heute alles mögliche Filmmaterial digital vorliegt, ist es aber ungleich einfacher geworden, Szenen aus verschiedenen Zusammenhängen neu miteinander zu kombinieren.
Auch bei Verfilmungen von Romanen oder bei Remakes von schon vorhandenen Filmen gilt es das Urheberrecht zu beachten – das bedeutet, keine Nutzung ohne Erlaubnis des Urhebers. Beim Film ist die Lage dadurch, dass an jedem Film eine ganze Reihe von Menschen mitarbeiten etwas komplizierter als etwa bei Romanen, die in der Regel von einer Person geschrieben wurden. Die wichtigsten Urheber sind dabei Regisseur, Kameramann, Drehbuchautor und Produzent. Vor allem letzterer spielt eine wichtige Rolle, da er meist die Leistungsschutzrechte der Schauspieler und sonstigen Mitarbeiter übernommen hat.
Filmzitat: Regeln
Für die Praxis gibt es eine wichtige Ausnahme, auf die sich Filmemacher berufen können, wenn sie fremdes Material übernehmen wollen: das Zitatrecht. Das gilt nämlich nicht nur für Texte, sondern auch für andere Werkgattungen.
Das Filmzitat ermöglicht es Filmemachern, einzelne Passagen aus fremden Filme zu zitieren. Allerdings müssen dabei die Regeln des Zitatrechts beachtet werden. Die wichtigste Regel ist, dass das Zitat einem bestimmten Zweck dienen muss. Man darf keine Filmausschnitte übernehmen, nur weil sie dekorativ sind und optisch gut passen würden. Das eigene Filmwerk muss sich mit dem zitierten auseinandersetzen.
Zitiert werden darf nur in selbständigen Werken, die selbst urheberrechtlich geschützt sind. Ein Film, der nur aus Zusammenschnitten anderer Filme oder sonstiger anderer Werke besteht und keinen neuen Zusammenhang begründet, rechtfertigt erst einmal keine Zitate, da es sich nicht um ein selbständiges Werk handelt. Bei Videokunst und Musikvideos, die mit „Found Footage“ – gefundenem Filmmaterial – arbeiten, ist es oft schwierig abzuschätzen, ob aus der Neu-Zusammenstellung ein eigenes Werk entsteht oder nicht.
Eine weitere Bedingung besteht darin, dass das zitierte Werk zumindest schon veröffentlicht sein muss. Zitate aus noch unveröffentlichten Filmen sind nur mit Zustimmung des Rechteinhabers zulässig.
Das Erfordernis eines Zitatzwecks gebietet es normalerweise, dass das Zitat den durch den Zweck gebotenen Umfang nicht überschreiten darf. Es wäre also unzulässig, über den benötigten Ausschnitt hinaus aus einem fremden Film zu zitieren. Es gibt in Ausnahmefällen das so genannte Großzitat, welches es erlaubt, dass ein Filmemacher ganze Werke – in unserem Beispiel einen ganzen Film – in sein eigenes Werk übernehmen darf. Das ist aber nur in einem ganz engen Rahmen erlaubt.
Ein Beispiel für ein Großzitat ist etwa, wenn ein Filmemacher in einem Dokumentarfilm über die 50er Jahre einen kurzen Werbefilm aus der Zeit vollständig in seinem Film zeigen will. Da der zitierte Film an sich schon sehr kurz ist, ist es kaum möglich, nur einen Ausschnitt davon zu zeigen. Hier setzt dann das Großzitat an. Der verwendete Werbefilm dient der Erläuterung einer Aussage aus dem neuen Film, indem er den Standpunkt des Regisseurs stützt. Der Regisseur setzt sich kritisch mit dem zitierten Werk auseinander und interpretiert es für die Zuschauer.
Bearbeitung: Literaturverfilmung, Remake, andere Werke nutzen
Aber auch wenn man einen Film vom Anfang bis zum Ende selbst dreht, ist man nicht unbedingt auf der sicheren Seite. Vor allem Spielfilme arbeiten oft mit schon vorhandenen Geschichten, etwa Kurzgeschichten und Romanen, die dann verfilmt werden. Das gilt urheberrechtlich als Bearbeitung der jeweiligen Geschichte.
Auch ein Remake eines alten Films fällt in diese Kategorie und das Urheberrecht erstreckt sich auch auf eigentümliche Charaktere. Man darf also nicht ohne Weiteres den Helden eines bereits existierenden Romans unter gleichem Namen in eigenen Werken als Protagonist „auftreten“ lassen. In all diesen Fällen muss man zuerst die Zustimmung des Urhebers (bzw. Rechteinhabers) des ursprünglichen Werkes einholen.
Zulässig ist die Übernahme fremder Werke in Filmen dagegen, wenn diese als „unwesentliches Beiwerk“ quasi zufällig oder völlig beiläufig gezeigt werden. Das Interesse der Filmemacher an einer solchen Regelung liegt auf der Hand: Wird etwa eine Einstellung in einem Gebäude gedreht, ist es häufig unumgänglich, nebenbei auch geschützte Werke zu zeigen. Das können Möbel sein, die in einem Raum stehen, Bilder, die an der Wand hängen, oder eine aufgeschlagene Zeitung, in der geschützte Texte abgedruckt sind.
Requisiten und andere Werke – zum Beispiel Musikstücke –, die gezielt zur Unterstützung der Handlung eingesetzt werden, sind kein unwesentliches Beiwerk. Sind diese urheberrechtlich geschützt, muss man vor der Verwendung im Film die Rechte beschaffen. Überhaupt wird das mit dem „Beiwerk“ sehr eng gesehen.
Freie Benutzung – Satire, Persiflage, Parodie
Um eine freie Benutzung handelt es sich, wenn man sich bei der Schaffung eines neuen Werkes von einem bestehenden Werk inspirieren lässt, ohne es in identischer oder umgestalteter Form zu verwenden. Die Unterscheidung zwischen Bearbeitung und freier Benutzung ist von Laien kaum zu leisten, da dies immer am Einzelfall entschieden wird. Gefordert wird für freie Benutzung, dass das inspirierende Werk hinter dem neuen „verblasst“, man also nicht gleich das ältere Werk wieder erkennt, selbst wenn es bekannt sein sollte.
Ein Spezialfall für freie Benutzung trotz „Durchscheinen“ der Vorlage ist die Satire, Persiflage oder Parodie. Ein Beispiel dafür sind zum Beispiel die Filmkomödien von Bully Herbig, der mit „(T)Raumschiff Surprise“ die „Raumschiff Enterprise“-Serie oder mit „Der Schuh des Manitu“ die Karl-May-Verfilmungen aufs Korn nahm.
In einer Parodie oder Persiflage wird in der Regel das Ursprungswerk auf eine „antithematische“ Art und Weise behandelt – so drückt es der Bundesgerichtshof 1973 aus („die antithematische Behandlung der Vorlage“ als wichtigstes Merkmal einer Parodie). Obwohl der Stil des Vorbildes erhalten bleibt – schließlich ist eine Parodie nur dann komisch, wenn man das Original erkennt –, wird ein neuer Inhalt dargestellt, der sich „komisch oder satirisch“ mit dem Original auseinandersetzt. Das Vorbild muss gegenüber dem neuen Werk quasi in den Hintergrund treten. Nur dann ist gestattet, dass man sich in humorvoller oder sogar „veralbernder“ Art und Weise an das Werk eines anderen anlehnt.
Ob und wann etwas eine erlaubte Parodie ist, die ohne Erlaubnis der Urheber der Vorlage veröffentlicht werden darf, ist allerdings eine Frage, über die sich die Rechtsgelehrten streiten – zahlreiche Gerichtsverfahren der letzten Jahrzehnte zeigen das.
Ein Beispiel, an dem die Problematik deutlich wird, ist die Fernsehsendung „TV Total“ von Stefan Raab bei Pro Sieben. Raab zeigt dort Szenen aus den Sendungen anderer Fernsehanstalten, die er kommentiert, neu zusammenstellt und mit eigener Wertung versieht. Trotzdem hat der Bundesgerichtshof (BGH) 2007 in einem Fall entschieden, dass TV Total nicht ungefragt einen Ausschnitt des Hessischen Rundfunks benutzen darf, in dem eine Frau bei einer Straßenumfrage gezeigt wird. „Es reicht nicht aus, dass die Zitate in einer bloß äußerlichen, zusammenhanglosen Weise eingefügt und angehängt werden; vielmehr muss eine innere Verbindung mit den eigenen Gedanken hergestellt werden,“ schrieb der BGH in seiner Begründung.
Konsequenzen für den eigenen Film
Alle aufgeführten Beispiele für freie Nutzungen – egal ob Filmzitat oder Bearbeitung, Parodie oder freie Benutzung – sind in der Praxis immer mit Vorsicht zu genießen, da eine stichhaltige Beurteilung nur am konkreten Einzelfall stattfinden kann. So beschreibt Produzent und Regisseur C. Cay Wesnigk unter dem Titel „Enteignung der Wirklichkeit“, welche urheberrechtlichen Hindernisse Dokumentarfilmer in der täglichen Arbeit überwinden müssen. Seiner Darstellung nach geht das soweit, dass es ein „Zitatrecht für Film in der Praxis nicht gibt“.
Man muss als Filmschaffende also streng darauf achten, dass die Voraussetzungen für Zitat, freie Benutzung oder Parodie tatsächlich vorliegen. Bestehen auch nur leichte Zweifel, sollte man den Rat eines spezialisierten Juristen einholen. Greift keine der vorgestellten, gibt es wohl nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder man verzichtet auf die fremden Sequenzen oder man holt die entsprechenden Genehmigungen ein.
Erster Ansprechpartner ist dabei in der Regel die Produktionsfirma oder der Verleih. Die Rechteklärung kann aber, auch wenn der Urheber beziehungsweise Rechteinhaber zustimmt, mit hohen Kosten verbunden sein – man sollte deshalb Bearbeitungsgebühren, Material- und Kopierkosten und die Lizenzgebühren in seinen Finanzplan einkalkulieren.
14 Kommentare
1 Videos im Netz: Welche Musik verwenden? « Netzfilmblog am 30. Mai, 2013 um 16:10
[…] Der Artikel auf iRights geht noch weiter ins Detail und empfiehlt sich deshalb ebenso zur Lektüre wie ein weiterer auf der Seite über das richtige Zitatrecht bei Videomontagen, Satire und Mash-ups. […]
2 Felix am 14. Juni, 2013 um 16:48
Ich habe gehört, dass man Material aus Filmen in öffentlich rechtlichen Sendern frei verwenden darf.
Stimmt das?
3 Valie Djordjevic am 14. Juni, 2013 um 17:13
Nein, das stimmt nicht. Material von öffentlichen Sendern ist genauso geschützt wie alles andere auch. Es kann natürlich sein, dass einzelne Filme/Videos, die gesendet werden, frei lizenziert sind, aber das gilt nicht grundsätzlich. Das muss man jeweils einzeln recherchieren.
4 Felix am 14. Juni, 2013 um 22:21
Danke für die schnelle Antowort! :-) LG
5 Silly am 24. Juli, 2013 um 11:01
Hallo mal eine Frage an die Wissenden.
Und zwar möchte ich von einem ActionFilm ein Haus, wo der Film abläuft, abzeichnen und jemandem schicken. Ist das denn erlaubt?
Vielen Dank!
Silly
6 Gerd Gerdo am 17. Oktober, 2013 um 19:06
Hallo ihr lieben,
ich habe eine Frage, die wahrscheinlich nicht so häufig vorkommt.
Ich war mit mehreren Freunden auf Reisen. Einige hatten Kameras dabei und haben gefilmt.
Vor der Reise wurde ich gefragt, ob ich eine Art Dokumentarfilm daraus schneiden möchte. Dafür wurde mir alles Rohmaterial zur Verfügung gestellt. Der Film war und ist nicht zur kommerziellen Verwertung gedacht. Ich habe aber keinerlei vorgaben über Inhalt bekommen, bzw. war der Schnitt meine komplette kreative Leistung.
Da wir alle ein freundschaftliches Verhältnis hatten, haben wir uns über die Rechte am Film nie Gedanken gemacht.
Jetzt meine Frage. Wem gehört der Film?
Einerseits, ist der Film an sich meine komplette Schöpfung, aber das Rohmaterial gehört mir ja nicht.
Ich vermute ja, er gehört auch allen, die Material beigesteuert haben.
Und ganz konkret: Kann jemand z.B die Aufführung des Filmes verhindern weil Bilder ihm gehören?
Kann ich die Filme unter eine C.C lizenz stellen, oder muss ich erst alle um erlaubnis bitten?
Vielen vielen dank,
Gerd
7 Content-ID Probleme: GIGA betroffen? - Seite 3 am 15. Dezember, 2013 um 21:35
[…] […]
8 Nicht immer unversöhnlich: Meme und Urheberrecht | Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft am 10. Mai, 2016 um 15:54
[…] die Nutzung eines fremden Fotos als Zitat gerechtfertigt ist, muss der Zitierende unter anderem einen Zitatzweck verfolgen. Das Fremdmaterial muss also beispielsweise erforderlich sein, um eigene Ausführungen zu belegen. […]
9 Ulu Braun | shortfilm.de am 27. Mai, 2016 um 15:02
[…] 1 https://irights.info/artikel/die-gefahren-der-montage/5027 […]
10 ulrike findeisen am 10. Januar, 2017 um 15:26
Guten Tag, Frage:
ich schreibe an einer love story. Darf ich darin Song- und Filmtitel zitieren? Nur die Titel, nicht die Lyrics im Detail.
Beispiel: Dirty Dancing, The Time of my Life.
Herzlichen Dank
Ulrike Findeisen
11 Valie Djordjevic am 11. Januar, 2017 um 15:05
@Ulrike Findeisen: Das lässt sich so schlecht beantworten, normalerweise sind tatsächlich auch Titel geschützt. Ob die Nutzung des Titels als Zitat anzusehen ist, kann man nur im Einzelfall prüfen. In der Regel müssen Sie bei den Rechteinhabern um Erlaubnis fragen.
12 Ralf am 27. Januar, 2017 um 17:53
Darf ich in einem Musikvideo kurze Sequenzen eines älteren Films einbauen und diese farblich verändern?
13 Benjamin am 28. Februar, 2017 um 15:25
Frage an die Profis:
ich habe einen dreimüntigen Clip gedreht.
Thema Lifehack.
Es handelt sich dabei um eine Puppensatire in der ich, bzw. meine Puppe einen Lifehack aus dem Internet Stern.de auf’s Korn nimmt und den den 1 minütigen Originalclip sozusagen satirisch und komödiantisch seziere.
Das Originalvideo wird in mehreren Teilen als Video-Zitate gezeigt und entsprechend von meiner Puppe satirisch kommentiert.
Stern.de gibt natürlich nicht das Recht heraus, um seine Videos auf’s Korn zu nehmen.
Wäre das Einfügen des Stern.de Clips in meinen selbstgedrehten Clip, der sich ausdrücklich mit dem Thema beschäftigt unter Satire/Videozitate gedeckt?
Danke für Eure Antwort.
14 Matthias Harre am 28. Februar, 2018 um 12:29
Noch ne Frage zum Thema:
Ich bereite gerade eine szenische Lesung zum Thema 1968 vor. Da möchte ich Politikerporträts, dokumentarisches Material(öffentl.-rechtl.Sender) von Studentenprotesten als Projektionen zu meinen Texten nutzen. Muss ich die Rechte jeder einzelnen Einspielung vorher abfragen, oder gilt hier das Zitatrecht, wonach sich mein Werk(der Text) mit dem zitierten (Bild/Film) auseinandersetzt und das Material nicht nur dekorativ benutzt?
Danke im Voraus für eure Antwort1
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