Was wissen wir über „geistiges Eigentum“ im TTIP-Abkommen?

Foto: Gerhard Kemme, CC BY
Seit die Verhandlungen über das Transatlantische Freihandelsabkommen, kurz TTIP oder TAFTA begonnen haben, ist das Gespenst von ACTA nie ganz verschwunden: Sowohl die Verhandlungspartner als auch Netzaktivisten und zivilgesellschaftliche Organisationen kommen nicht umhin, Vergleiche zum gescheiterten Antipiraterie-Abkommen herzustellen – mal negativ, mal positiv. Besonders die EU-Kommission ist sichtlich bemüht, jedem Eindruck entgegenzuwirken, die beiden Abkommen seien ähnlich.
Tatsächlich ist von einem eigenen Kapitel über „geistiges Eigentum“ – wie etwa im TPP-Abkommen der Pazifik-Anrainer – nichts bekannt, jedenfalls im Moment. Die EU-Kommission hat angekündigt, dass sie einzelne Punkte wie geografische Herkunftsbezeichnungen für Produkte im Abkommen sehen will, scheint aber ansonsten reserviert. In einer FAQ zum Thema erklärt sie, dass „geistiges Eigentum“ zwar ein Element des Abkommens sei, aber von der Kommission keine „Harmonisierung“ zwischen Europa und den USA „beabsichtigt“ werde. Die Wortwahl weist auf Differenzen hin. Die US-Handelsvertretung sieht Freihandelsabkommen als Mittel, das Schutzniveau zu erhöhen, wie Amtsinhaber Michael Froman erklärt.
Auch EU-Handelskommissar Karel De Gucht als einer der maßgeblichen Beteiligten hat sich zum Thema geäußert; er wird mit den Worten zitiert:
ACTA, one of the nails in my coffin. I’m not going to reopen that discussion. Really, I mean, I am not a masochist. I’m not planning to do that. (ACTA, einer der Nägel in meinem Sarg. Ich werde diese Diskussion nicht wieder anfangen. Wirklich, ich bin doch kein Masochist. Ich habe nicht vor, das zu tun.)
Was außerdem passierte:
- Eine Koalition europäischer und US-amerikanischer Bürgerrechtsgruppen veröffentlicht im März 2013 die Erklärung „Leave IP out of TAFTA“, die sich gegen die Aufnahme von Urheber-, Patent- und Markenrechten in das geplante Abkommen richtet.
- Seit dem ebenfalls im März bekannt gewordenen Entwurf für ein Verhandlungsmandat sind auch Immaterialgüterrechte vom Mandat umfasst, allerdings keine strafrechtlichen Regelungen.
- Im Mai veröffentlicht die US-Handelsvertretung (USTR) einen „Request for comments“ zum geplanten Abkommen. Auch Kommentare zu geistigem Eigentum werden erbeten. Wenig überraschend geben die Antworten nahezu das gesamte Spektrum denkbarer Positionen dazu wieder.
- Ein von der Netz-NGO La Quadrature du Net im Juli 2013 veröffentlichtes Dokument (PDF) zählt Haftungsregeln für Serviceprovider als „potenzielles“ Feld der Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA auf. La Quadrature du Net greift zum Superlativ und spricht von „Vorbereitungen für ein Super-ACTA“.
- Ulf Pettersson, Mitarbeiter der EP-Abgeordneten Amelia Andersdotter, schreibt nach einem Besuch einer Veranstaltung mit einem Kommissions-Unterhändler im Dezember, es gebe eine Weihnachts-Wunschliste der Industrien zu Patent-, Marken- und Urheberrecht.
Die öffentliche Beschäftigung konzentriert sich derweil auf andere Baustellen und Wirkungsgebiete des Abkommens, wie den Datenschutz und das vorgesehene Schlichtungsverfahren zwischen Unternehmen und Staaten, das auf grundsätzliche Kritik stößt. Es könnte sich möglicherweise auch auf Urheberrechte auswirken, wie Glynn Moody bemerkt.
Aber nichts genaues weiß man nicht. Das „TTIP-Team“ der EU-Kommission hat zwar einen Twitter-Account, auch Gesprächsrunden und eine Konsultation zum geplanten Investitionsschutz-Verfahren gibt es nun. An der Intransparenz der Verhandlungen selbst aber hat sich kaum etwas geändert. Dass „geistiges Eigentum“ irgendeine Rolle im Abkommen spielen wird, erscheint sicher. Welche genau, lässt sich mit Sicherheit erst sagen, wenn weitere Dokumente veröffentlicht werden. Wer weitere Hinweise hat, kann sie hier gerne ergänzen.
2 Kommentare
1 A. Rebentisch am 28. Februar, 2014 um 10:09
Hier ist mein Lieblingszitat:
“Given the efficiency of their respective systems, the intention is not to strive towards harmonisation, but to identify a number of specific issues where divergences will be addressed”
deutsch:
“In Anbetracht der Effizienz ihrer jeweiligen Systeme wird hier keine Harmonisierung angestrebt, vielmehr ist beabsichtigt, einige spezifische Bereiche herauszugreifen, in denen Divergenzen abgebaut werden sollen.”
http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-13-564_de.htm
Mit anderen Worten, die Kommission macht wieder einmal den Fehler unehrlich zu sein. Das bringt sie in eine schlechte Ausgangslage, sofern der parlamentarische Gesetzgeber wachsam ist.
Der entscheidende Pferdefuß ist, dass TTIP eine Struktur schafft als “living agreement”. Die Kommission kann also kontroverse Themen zunächst heraus halten und die Strukturen für ihre zügige Durchsetzung schaffen. Worüber hat sie schließlich im transatlantischen TEC Dialog in den letzten 5 Jahren geredet?
2 Paul am 19. September, 2014 um 17:04
Und ich verstehe nicht warum…
Ich bin Mitglied im BVMW und Herr Ohoven hatte dazu bereits seine Meinung geäußert:
http://www.ohoven.info/aktuell/video-beitraege/mittelstand-jetzt-gefahren-des-ttip/
Ich denke ich sehe das ähnlich und bin damit nicht alleine. Man beachte alleine die Vielzahl an Petitionen etc.
Was sagen Sie dazu?