Wann verletzen Links Urheberrechte? Es bleibt kompliziert
Ganz so frei, wie man als Website-Betreiber denken könnte, ist auch der Link nicht: In einer Reihe von Entscheidungen hat sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den letzten Jahren mit der Frage befasst, ob Verlinkungen Urheberrechte verletzen können. Der von einigen Rechtsgelehrten vertretenen Position, nach der die Verlinkung und mögliche Eingriffe in Urheberrechte streng zu trennen seien, hat sich der EuGH am Ende nicht angeschlossen.
Stattdessen hat er einen anderen Weg beschritten: Ob Links Urheberrechte verletzen können, hängt demnach von der jeweiligen Konstellation ab, in der der Link gesetzt wird. Eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Hamburg sorgt seit ein paar Tagen für Aufregung. Mit ihr sei „das Web in Europa endgültig kaputt“ – so oder ähnlich heißt es vielerorts.
Landgericht Hamburg: Linksetzer verletzt Urheberrechte
Worum ging es? Das Landgericht entschied in einer einstweiligen Verfügung, dass ein Website-Betreiber für eine Urheberrechtsverletzung auf einer verlinkten Website haftet, auch wenn er keine Kenntnis davon habe. Der Betreiber hatte auf eine externe Seite verlinkt, auf der ein Foto ohne Erlaubnis verwendet wurde.
Das verlinkte Bild war gegen die Bestimmungen einer Creative-Commons-Lizenz genutzt worden, sodass die Lizenz entfiel und die Veröffentlichung Urheberrechte verletzte. Der Website-Betreiber hätte aber auch beim bloßen Verlinken nachforschen müssen, ob auf der Zielseite Urheberrechte verletzt werden, so das Landgericht Hamburg in dem Beschluss.
Im Streitfall müsse er daher die Vermutung widerlegen, er habe Kenntnis von der Rechtsverletzung gehabt. Diese Anforderung gelte, weil der Website-Betreiber mit „Gewinnerzielungsabsicht“ handele und daraus ein „strengerer Verschuldensmaßstab“ als in anderen Fällen folge (Aktenzeichen 310 O 402/16, Verfügung vom 18.11.2016).
„Musterverfahren“ nur einstweilige Verfügung
Die Kanzlei Spirit Legal, die den Fotografen gegen den Website-Betreiber vertrat, spricht von einem „Musterverfahren“. Das ist zumindest mit Vorsicht zu genießen. Da der Website-Betreiber eine einstweilige Verfügung, die zur schnellen Abhilfe bei einer Rechtsverletzung gedacht ist, als abschließende Entscheidung akzeptiert hat, gab es keine weitere Anhörung oder mündliche Verhandlung.
Diese hätte der Website-Betreiber nutzen können, um sich weiter zu verteidigen – etwa dazu, die Vermutung konkret zu widerlegen, er habe seine Pflichten missachtet. Der Website-Betreiber berief sich laut dem Beschluss nur darauf, er kenne die Rechtsprechung, sehe für Prüfungen aber keinen Anlass, da er sie für „grundgesetzwidrig und für mit der EU-Grundrechtecharta unvereinbar“ halte.
Weitere Instanzen können sich nun aber gerade nicht mehr mit dem Streit beschäftigen. Es lässt sich nur spekulieren, ob sie ebenso entschieden hätten. Wie dem auch sei: Da es im Streit nicht weiter um die Frage ging, wie der Website-Betreiber die „widerlegliche Vermutung“ zur Linkhaftung entkräften kann, lassen sich nur schwerlich allgemeine Verhaltensregeln daraus ableiten.
Neues zur „Gewinnerzielungsabsicht“ bei Websites
Dennoch folgt das Landgericht Hamburg in der Entscheidung Grundsätzen, die bereits der Europäische Gerichtshof (EuGH) aufgestellt hatte. Demnach kann bei einer „Gewinnerzielungsabsicht“ im Zweifel vermutet werden, dass Website-Betreiber Kenntnis von etwaigen Urheberrechtsverletzungen auf verlinkten Seiten haben – oder zumindest haben müssten.
Dann können auch bloße Links Urheberrechte verletzen, so das Urteil vom September 2016 im Fall „GS Media“, das mehrfache Links eines Blogs auf unerlaubte Fotoveröffentlichungen bei Filehostern zum Anlass hatte. Zumindest solche, an Gewinn orientierten Website-Betreiber müssen dem EuGH-Urteil zufolge Nachforschungen beim Verlinken anstellen.
Darauf berief sich auch das Landgericht. Ein Detail fügte es hinzu: Bei der „Gewinnerzielungsabsicht“ komme es auf die Website als ganze an – nicht etwa auf die Absicht, mit dem konkreten Link Gewinne zu erzielen.
Der Link ist frei – oder auch nicht
In seinem Urteil im Fall „Svensson“ hatte der EuGH 2014 zunächst die Linkfreiheit gestärkt: Ein Link auf frei zugängliche Inhalte schaffe für diese kein „neues Publikum“. Er greife daher nicht in das Recht der „öffentlichen Wiedergabe“ ein. In einer weiteren Entscheidung beschäftigte sich der Gerichtshof mit dem Embedding, das dem Verlinken gleichgestellt ist.
Im Urteil „GS Media“ ging es dann speziell um verlinkte Werke, die ohne Zustimmung des Urhebers veröffentlicht wurden. Neben das Kriterium des „neuen Publikums“ trat für den EuGH die Frage, wann von einem Website-Betreiber erwartet werden kann, er müsse von Rechtsverletzungen auf fremden Seiten wissen, wenn er sie verlinkt.
Denkt man die Entscheidungen des EuGH zusammen, ergeben sich mehrere Prüfschritte, um zu entscheiden, ob ein Link Urheberrechte verletzen kann. Nicht eindeutig geklärt bleibt jedoch unter anderem, ob Links auf urberrechtsverletzende Inhalte unproblematisch sind, sobald die Inhalte auch anderswo im Netz legal online stehen. Das würde das Risiko beim Verlinken in vielen Fällen entschärfen. Die Argumentation des EuGH legt zwar nahe, dass Links dann kein „neues Publikum“ mehr eröffnen können und somit nicht in Verwertungsrechte eingreifen. Eindeutig festgestellt wird das aber nicht.
Je eher eine Website gewinnorientiert arbeitet, desto eher sollen Gerichte jedenfalls verlangen können, Links zu prüfen. Was das konkret bedeuten kann, bleibt aber auch mit der Hamburger Entscheidung weitgehend offen.
Problematische Tendenz, aber kein Untergang
Bei Website-Betreibern sorgt die Entscheidung im besten Fall für Kopfschütteln – verständlicherweise. Bemerkenswert ist vor allem die Annahme, es ließe sich ohne weiteres nachprüfen, ob Inhalte auf einer verlinkten Seite Urheberrechte verletzen – selbst wenn es nur „gewerbliche“ Websites betrifft. Sicher sein könnten Website-Betreiber erst, wenn sie zum Beispiel Einsicht in fremde Lizenzverträge mit Autoren oder Bildagenturen hätten. Ihr Bemühen demonstrieren könnten sie theoretisch, indem sie bei Website-Betreibern vor dem Verlinken anfragen. Ob Gerichte hier praxistaugliche Kriterien finden werden, muss sich noch zeigen.
Wird der von den Gerichten eingeschlagene Weg in weiteren Urteilen fortgeführt, dürften sich viele Website-Betreiber beim Verlinken eher zurückhalten, was die Meinungs- und Informationsfreiheit – den Beteuerungen des EuGH zum Trotz – schwächen würde. Möglich ist aber auch, dass Website-Betreiber in anderen Fällen leicht die Vermutung widerlegen können, sie hätten Nachforschungspflichten verletzt. Bis dahin lässt sich die Entscheidung als einstweiliger Nadelstich für Website-Betreiber ansehen. Ein Sargnagel des Webs wird daraus aber nicht.
12 Kommentare
1 Wolfgang Michal am 13. Dezember, 2016 um 11:46
Eine Frage: Ein Link (eine URL-Adresse) führt ja selten zu einer Website im Allgemeinen, sondern meistens zu einem konkreten Text-Beitrag, einem Bild, einer Graphik etc.. Wenn nun die Urheberrechtsverletzung auf der angesteuerten Seite Bilder, Texte oder Graphiken betrifft, die von der Verlinkung gar nicht aufgerufen werden, wie kann es sich dann um eine Urheberrechtsverletzung durch Zugänglichmachung handeln? Die Urheberrechtsverletzung gerät doch dann gar nicht ins Blickfeld von Leuten, die nur auf diesen konkreten Link klicken. Eigentlich kann eine Verlinkung nur dann Urheberrechte verletzen, wenn der Link ganz konkret zu einem Foto, einem Text, einer Graphik etc. führt, an dem der Webseitenbetreiber keine Nutzungsrechte hat. Oder?
2 David Pachali am 13. Dezember, 2016 um 12:36
Der EuGH würde das wohl so begründen, dass über Links ein Zugang (und damit potenziell ein „neues Publikum“) geschaffen wird, egal, ob diese Möglichkeit genutzt wird (Svensson, Rn. 19). Man kann es mit guten Gründen anders sehen.
In dem Hamburger Fall hat der Link direkt auf die Seite mit der Rechtsverletzung geführt, wenn ich das richtig lese; bei „GS Media“ nur mittelbar über eine Zwischenseite.
3 Heinrich von Schimmer am 13. Dezember, 2016 um 13:02
Mir scheint nachvollziehbar zu sein, dass Link-Aggregatoren zu Filehostern (von Piratebay bis kino.to) per se Rechtsverstöße darstellen, genauso wie der Einzelfall des Verlinkens auf ein beliebiges Werk, das anderswo ohne Urhebernachweis veröffentlicht wurde.
Bedenklich wird es durch die Generalisierung: wenn ich auf tagesschau.de oder Spiegel Online verlinke und die mal wieder mit ihrer oft grenzwertigen Materialbeschaffung (“Quelle: Internet”) auf die Nase fallen, dann begebe ich mich damit auf dünnes Eis. Von Links auf facebook oder gar tumblr, 9gag etc., deren Inhalt zu 99% aus urheberrechtlich Fragwürdigem besteht, erst mal gar nicht zu reden.
4 Eduard am 13. Dezember, 2016 um 14:02
@Wolfgang Michal: Der “gesunde Menschenverstand” würde hier sagen, dass es nur um die Inhalte des direkten Linkziels (also der verlinkten URL, also Seite, Bild, Dokument o.ä.) gehen kann und nicht um etwas, was man erst durch “Weiterklicken” vom Linkziel aus erreicht (also andere Inhalte der verlinkten Domain).
5 Vitus Hoffmann am 15. Dezember, 2016 um 05:16
Was ist wenn die zielseite erst nach der linksetzung einen rechtsverstoß begeht? Wer will,das nachweisen?
6 Hermann am 15. Dezember, 2016 um 13:52
Es geht in der Begründung des LG Hamburg vor allem auch darum, ob der Linksetzende von dem Rechtsverstoß gewusst hat und diesen trotzdem nicht entfernt hat.
Er hat sich ja geweigert den Link zu entfernen, auch nachdem ihn der Urheber darauf hingewiesen hat.
7 Schmunzelkunst am 15. Dezember, 2016 um 20:11
Gibt es schon eine Entscheidung oder fundierte Meinung, ob auch die bloße Textwiedergabe einer Internetadresse auf einer Textseite im Internet eine Urheberrechtsverletzung sein kann? Also das was hier zwischen den Gänsefüßchen steht: <!–Link auf meine Lieblingsseite–>
8 Schmunzelkunst am 15. Dezember, 2016 um 20:19
Das Auskommentieren hat offenbar nicht geklappt. Zwischen den Gänsefüßchen steht https://irights.info/. Aber der Link sollte nicht aktiv sein. Wie sollen denn da Juristen das Internet verstehen ;-)?
9 David Pachali am 16. Dezember, 2016 um 12:03
Ich kenne keine solche Entscheidung. Nach meinem Verständnis geht es immer um Links und nicht um die Textwiedergabe einer URL.
10 Schmunzelkunst am 16. Dezember, 2016 um 19:15
Besten Dank für die Antwort.
Im erstem Moment hatte ich das genauso gesehen. Bedenken kommen mir aber, weil ja beim Lesen einer Textseite in einem Internetbrowser das Kopieren und Einfügen (copy and paste) einer URL fast genauso schnell und leicht zum Ziel führt wie das Anklicken eines Links.
Es könnte ja Add-Ons für Browers geben, die alle Urls in Links verwandeln. Die Benutzer solcher Add-Ons können m. E. nicht die Bösewichter sein.
Der Fehler liegt entweder in der EuGH-Entscheidung oder in deren Interpretation.
Das Setzen eines Links, auf eine URL, die auf der nunmehr linkbehafteten Internetseite noch in voller Länge lesbar bleibt, ist m. E. keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechts.
MfG
Johannes
11 David Pachali am 17. Dezember, 2016 um 17:05
Zeigt das nicht eher das grundlegende Problem an der Begründung, mit der Verlinkung zur Nutzungshandlung erklärt wird? Es fehlte nur noch, die Nennung des Namens einer Website als urheberrechtlich relevant anzusehen, weil das Vorhandensein von Information den Zugang erleichtert.
12 Birgit Barth am 27. Februar, 2017 um 16:26
Jeden Link mit Sternchen * versehen und unter den Beitrag schreiben *”Wir verstehen den Link als einfache Quellangabe. Bitte folgen Sie dem Link nicht. Falls Sie es dennoch tun, folgen Sie dem Link auf eigene Gefahr. Es wäre möglich, dass auf der verlinkten Website Urheberrechtsverletzungen begangen werden, die uns bei unserer Durchsicht entgangen sind.” Das wäre es doch, oder? Dann möchte ich aber auch bei Werbung im TV und überall anders auch, den Textzusatz: “Dies ist eine Werbung. Nehmen Sie sie nicht ernst und kaufen Sie dieses Produkt auf keinen Fall. Möglicherweise werden Sie mit dieser Werbung einfach nur verarscht. Wenn Sie sich dennoch von dieser Werbung beeinflussen lassen, handeln Sie auf eigene Gefahr.” :))
Was sagen Sie dazu?