Post vom Anwalt, was tun?
Abmahnungen sind Schreiben von Anwälten, die behaupten, dass man eine Rechtsverletzung begangen hat. Sie dienen eigentlich einem sinnvollen und legitimen Zweck: dazu, eine gerichtliche Auseinandersetzung zu verhindern. Statt sofort vor Gericht zu ziehen, soll derjenige, dessen Rechte verletzt wurden, den Verletzer zunächst anschreiben und ihm Gelegenheit geben, die Sache außergerichtlich aus der Welt zu schaffen. Das Prinzip der Abmahnung ist ein vorwiegend deutsches Phänomen, das es in den meisten anderen Ländern so nicht gibt.
Leider werden Abmahnungen häufig missbraucht, um Menschen einzuschüchtern und sie dazu zu bringen, Erklärungen abzugeben oder Zahlungen zu leisten, auf die eigentlich gar kein Anspruch besteht. Außerdem werden so viele davon verschickt, oft selbst für kleinste Verstöße, dass Abmahnungen sich zu einem großen Ärgernis für die Bürger entwickelt haben, wenn nicht zu einer Plage. Oft wird inzwischen daher von einem „Abmahnunwesen“ gesprochen.
Wofür kann man sich eine Abmahnung einhandeln?
Man kann für alle möglichen Arten von Rechtsverletzungen abgemahnt werden. Das können Beleidigungen sein oder Verletzungen des Persönlichkeits- oder Markenrechts. In sehr vielen Fällen lautet der Vorwurf, über Filesharing-Dienste das Urheberrecht verletzt zu haben. Häufig sind auch Abmahnungen für die Verletzung von Urheberrechten an Bildern im Netz.
Welche Handlungen führen am häufigsten zu Abmahnungen?
Abmahnungen können an vielen verbreiteten Aktivitäten im Netz ansetzen, vor allem, wenn dabei Urheberrechte verletzt werden: Beim Betreiben und Erstellen von Webseiten, beim Bloggen oder Posten von Bildern, beim Austausch von Dateien. All diese Handlungen spielen sich meist in der Öffentlichkeit ab, nämlich in einem weltweit für jedermann zugänglichen Datennetz. Die Annahme, im Internet sei man sicher, weil anonym, ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Jeder Nutzer hinterlässt Datenspuren. Mithilfe dieser Datenspuren können in sehr vielen Fällen Nutzer – oder zumindest die Inhaber von Internet-Anschlüssen – identifiziert werden.
So sind in Filesharing-Systemen beispielsweise die IP-Adressen der Online-Anschlüsse sichtbar, von denen aus Musik, Filme oder Games getauscht werden. Eine IP-Adresse kann wiederum zum Anschlussinhaber zurückverfolgt werden. Das führt dazu, dass Rechteinhaber vor allem aus der Musik-, Film- und Gamesindustrie die Filesharing-Netze wie Bittorrent oder Edonkey2000 systematisch danach durchsuchen, ob ihre Inhalte dort angeboten werden. Wenn ja, wird die jeweilige IP-Adresse gespeichert, die zu dem Rechner desjenigen Nutzers führt, der die jeweilige Datei gerade teilt.
Zwar kann der Rechteinhaber damit noch nichts anfangen, denn die IP-Adresse selbst gibt keinen direkten Aufschluss über den Nutzer. Das Urheberrechtsgesetz gibt ihm jedoch die Möglichkeit, vom Internet-Provider Auskunft darüber zu bekommen, welcher Anschlussinhaber hinter der IP-Adresse steckt. Wenn ein Gericht dem zustimmt, werden Name und Adresse des Anschlussinhabers offengelegt. Mit diesen Informationen kann dann der Anwalt des Rechteinhabers die Abmahnung verschicken.
Nicht alle Rechtsverletzungen können auf diese Weise aufgedeckt werden. Und nicht in allen Fällen werden Urheberrechtsverletzungen so rigoros verfolgt wie bei Filesharing-Diensten (Tauschbörsen und Torrents). Nutzer von Youtube oder Filehostern werden, soweit bekannt, kaum wegen Urheberrechtsverletzungen verfolgt. Das kann verschiedene Gründe haben. Zum einen werden hier keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten unmittelbar sichtbar.
Video-Portale und Filehoster sind also schwerer zu kontrollieren und können nicht ohne weiteres automatisiert nach Informationen über die Nutzer durchkämmt werden. Zum anderen haben sie einen klaren Betreiber. Filesharing-Netze dagegen bestehen häufig nur aus den teilnehmenden Nutzern, ohne dass auf einem zentralen Server Inhalte gespeichert werden. Ist dagegen – wie bei Video-Portalen, Filehostern und ähnlichen Diensten – ein Anbieter vorhanden, ist es für die Rechteinhaber oft effektiver, gegen diesen vorzugehen als gegen jeden einzelnen Nutzer.
Am leichtesten können die Rechtsverletzungen mit Abmahnungen geahndet werden, die unmittelbar zum Nutzer zurückverfolgt werden können. Das gilt vor allem für Webangebote, bei denen Nutzer reale Daten angeben müssen, etwa bei Ebay. Wer ein Produktfoto in seine Auktion einstellt, das er nicht selbst gemacht hat oder ein aus dem Urlaub mitgebrachtes, jedoch gefälschtes Ed-Hardy-T-Shirt verkaufen will, kann leicht abgemahnt werden. Das gleiche gilt für fremde Fotos auf öffentlich einsehbaren Facebook-Seiten, für deren Verwendung man keine Erlaubnis hat. Auch die Inhalte auf Webseiten können oft ohne weiteres zu einer bestimmten Person zurückverfolgt werden. Ebenso lassen sich weite Teile des Internets mit geringem Aufwand automatisiert daraufhin durchsuchen, ob ein bestimmter Inhalt – etwa ein bestimmtes Bild – darin vorkommt.
Kann man sich vor Abmahnungen schützen?
Am besten kann man sich vor Abmahnungen schützen, indem man nicht gegen Gesetze verstößt – vor allem nicht im Internet. So einfach, wie das klingt, ist es aber nicht. Zum einen ist vielen Menschen häufig gar nicht klar, dass sie gegen Gesetze verstoßen, weil sie sie nicht kennen und nicht wissen, was erlaubt und was nicht erlaubt ist. Zum anderen bekommen gerade bei Internet-Rechtsverletzungen in vielen Fällen gar nicht diejenigen die Abmahnung, die Gesetze verletzt haben, sondern andere, die mit der Rechtsverletzung in irgendeiner mittelbaren Beziehung stehen.
Die Rechtsprechung lässt eine Haftung von Dritten in vielen Fällen zu, wenn diese etwas zur Rechtsverletzung beigetragen haben. Solche Dritten nennt man juristisch „Störer“, das Prinzip, nach dem sie zur Verantwortung gezogen werden können, Störerhaftung. Es liegt auf der Hand, dass es schwerer ist, sich in solchen Fällen vor Abmahnungen zu schützen, weil man dafür andere davon abhalten müsste, Gesetze zu brechen. Darauf hat man jedoch häufig gar keinen Einfluss. Allerdings haftet ein Störer nur eingeschränkt. Er muss zum Beispiel keinen Schadensersatz bezahlen, sondern „nur“ Anwaltskosten.
Filesharing: Wann haften Eltern?
Als Störer können zum Beispiel Eltern haften, wenn ihre Kinder im Internet gegen Rechte verstoßen haben. Der Standardfall ist auch hier das Anbieten von Dateien über Filesharing-Dienste. Eine Plattenfirma kann nur herausfinden, über wessen Anschluss die Rechtsverletzung begangen wurde. Häufig benutzen mehrere Personen denselben Internet-Anschluss, man denke etwa an häusliche Computer einer Familie mit jüngeren Kindern oder einen Anschluss, über den alle Bewohner einer Sechser-WG ins Netz gehen. Wer eine Datei verbotenerweise vom Computer anderen zugänglich gemacht hat, kann meist nicht geklärt werden. Also wird der Anschlussinhaber zur Verantwortung gezogen.
Ob der Anschlussinhaber tatsächlich haftet und zahlen muss, hängt wiederum von der konkreten Situation ab. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) haften Eltern grundsätzlich nicht für Urheberrechtsverletzungen im Fall von Filesharing durch ein „normal entwickeltes“ 13-jähriges Kind. Voraussetzung ist, dass sie mit ihrem Sprössling gesprochen und diesem verboten haben, Filesharing-Dienste für den illegalen Dateitausch zu benutzen.
Solange keine Anhaltspunkte bestehen, dass sich das Kind an solche Verbote nicht hält, müssen die Eltern weder Abmahnkosten noch Schadensersatz bezahlen. Sie sind auch nicht verpflichtet, Unterlassungserklärungen abzugeben, die sich auf die Handlungen der Kinder beziehen. Generell sind Eltern solcher Kinder nicht verpflichtet, ständig zu überwachen, was diese am Computer machen. Ebenso wenig sind Eltern im Fall eines Rechtsstreits verpflichtet, gegen ihre Kinder auszusagen. Wenn sie jedoch erklärtermaßen wissen, welches Kind die Rechtsverletzung begangen hat, es aber nicht sagen wollen, müssen sie für den Schaden aufkommen, so der Bundesgerichtshof in weiteren Urteilen. Können die Eltern jedoch – etwa weil mehrere Kinder Internet-Zugang haben und sich weigern, den „Schuldigen“ zu nennen – nicht herausfinden, wer die Rechtsverletzung begangen hat, dürfte wiederum keine Haftungspflicht der Eltern bestehen.
Auch wenn es sich befremdlich anfühlt: Es empfiehlt sich, irgendwie zu dokumentieren, dass das Kind aufgeklärt und ihm die Nutzung von Tauschbörsen für Urheberrechtsverletzungen verboten wurde. Denn in einem etwaigen Abmahnverfahren oder gar vor Gericht müssen die Eltern die Belehrung glaubhaft darlegen. Wann und unter welchen Umständen das geschehen ist, sollte man wissen, damit die Aussage glaubwürdig ist. Eine Art schriftliches „Familien-Protokoll“ erleichtert das Erinnern und man kann es sogar vorlegen, wenn man danach gefragt wird. Zumindest sollte man das Datum und den Inhalt des Gesprächs im Kalender festhalten.
Dokumentiert man die Aufklärung nicht in irgendeiner Form, kann es einem ergehen, wie den Eltern in einem weiteren, vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall. Hier hatte die 14-jährige Tochter eines abgemahnten Anschlussinhabers bei ihrer Vernehmung angegeben, von Verboten beim Filesharing nichts gewusst zu haben. Die Eltern widersprachen dem, konnten aber nicht darlegen, dass eine Belehrung stattgefunden hatte.
Wann haften Kinder?
Wenn die Eltern nicht haften (zum Beispiel weil sie das Kind aufgeklärt haben), kommt eine Haftung der Kinder in Betracht. Das hängt – abgesehen von der Frage, ob ein Kind überhaupt zahlungsfähig ist – von zwei Faktoren ab: dem Alter und der individuellen Einsichtsfähigkeit des Kindes. Bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres haften Kinder nicht für die Schäden, die sie verursacht haben. Zwischen dem siebten und dem achtzehnten Lebensjahr sind Kinder „beschränkt deliktsfähig“. Das bedeutet, dass sie haften, wenn sie nach ihrer individuellen Einsichtsfähigkeit erkennen können, dass ihre Handlung nicht erlaubt ist. Kinder unter achtzehn Jahren haften also nur, wenn sie die intellektuelle Fähigkeit haben, die Tragweite und Gefährlichkeit ihres Handelns einzuschätzen. Ob das so ist, hängt vom Einzelfall ab.
Allerdings vermutet das Gesetz, dass Kinder im Alter zwischen 7 und 17 entsprechend einsichtsfähig sind. Kommt es zu einem Rechtsstreit, müssen das Kind beziehungsweise die Eltern dies widerlegen. Zudem muss man prüfen, ob das Kind die Urheber- oder sonstige Rechtsverletzung schuldhaft begangen hat, denn für Urheber- und Persönlichkeitsrechtsverletzungen haftet nur, wer sie zumindest leicht fahrlässig begangen hat. Das Kind musste also zumindest wissen, dass seine Handlung rechtswidrig war. Ob das der Fall ist, hängt von einer objektivierten Betrachtung im Einzelfall ab, also etwa davon, ob man davon ausgehen kann, dass ein durchschnittlich entwickeltes 14-jähriges Kind weiß, dass es untersagt ist, Musik per Filesharing zum Download anzubieten.
Eltern von besonders aufsässigen Kindern oder solchen, die schon früher Rechtsverletzungen im Internet begangen haben, müssen also unter Umständen weitere Maßnahmen ergreifen. Welche das genau sein können, hat der BGH bislang nicht konkret beantwortet. Unter Umständen müssen die Eltern solcher Kinder sogar technisch verhindern, dass sie Filesharing-Dienste installieren können oder Ähnliches.
Haftung in anderen Fällen
Geringere Anforderungen als für Kinder gelten für erwachsene Gäste oder volljährige Mitbewohner in Wohngemeinschaften. Anschlussinhaber müssen sie ohne konkreten Anlass nicht belehren oder gar ihre Internet-Nutzung überwachen, entschied der BGH in weiteren Fällen.
Während die Haftung bei Filesharing-Fällen von Gerichten in vielen Fällen behandelt wurde, gibt es viele weitere Bereiche, in denen es denkbar ist, dass Nutzer für Urheberrechtsverletzungen abgemahnt werden. Doch allgemeine Handlungsanweisungen, wie man sich gegen Abmahnungen schützen kann, gibt es nicht. Möglich und sinnvoll ist es, sich selbst, so gut es eben geht, mit der Rechtslage vertraut zu machen (dazu gibt es Angebote wie iRights.info oder klicksafe). Haben Kinder oder Jugendliche Zugriff auf einen Computer, ist es sinnvoll, mit ihnen darüber zu sprechen, dass Rechtsverletzungen und daraus folgende Abmahnungen sehr teuer werden können. Soweit es die eigenen Kenntnisse zulassen, sollten sie auch über rechtliche Risiken aufgeklärt werden.
Gängige Rechtsschutzversicherungen decken derartige Risiken nicht ab. Noch weniger Sinn haben in diesem Zusammenhang die auf Webseiten üblichen, jedoch generell wirkungslosen Disclaimer (etwa: „Nach einem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12.05.1998 muss man sich von fremden, rechtsverletzenden Inhalten ausdrücklich distanzieren. Ich distanziere mich hiermit ausdrücklich von allen hier verlinkten, rechtswidrigen Inhalten.“). Sie schützen in keiner Weise davor, für Rechtsverletzungen belangt zu werden.
Wie sieht eine Abmahnung aus?
Abmahnungen sind leicht zu erkennen. Sie werden in aller Regel von Anwaltskanzleien verschickt und bestehen üblicherweise aus Standardformulierungen. Natürlich hängt der Inhalt der Abmahnung vor allem davon ab, was für eine Rechtsverletzung beanstandet wird. Diese wird in einem solchen Schreiben meist erläutert. Das passiert mal mehr, mal weniger detailliert. Je weniger, desto eher kann es sich um einen Abzockversuch handeln. Vom Abgemahnten wird dann gefordert, dass er
- eine Erklärung abgibt, diese oder vergleichbare Rechtsverstöße nicht wieder zu begehen (so genannte Unterlassungserklärung bzw. Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung) und
- sich zu verpflichten, die Anwaltskosten und/oder Schadensersatz zu bezahlen. Weitere Forderungen kommen mitunter hinzu.
Zudem werden ein oder mehrere Fristen dafür gesetzt, die geforderten Handlungen zu erfüllen.
Kann man Abzocke und Betrug erkennen?
Nicht alle Abmahnungen sind wirklich gerechtfertigt. Auch Betrüger bedienen sich dieser Methode oder es werden – aus juristischer Sicht – zwar im Prinzip legitime, konkret aber weit überzogene Forderungen gestellt. Vor allem letzteres als Laie zu erkennen, ist sehr schwierig. Bei Abmahnungen per E-Mail voller Rechtschreibfehler und absurder Formulierungen, die offensichtlich mit einem Übersetzungsprogramm erstellt wurden, kann man aber davon ausgehen, dass es sich um Betrüger handelt – schon allein, weil eine echte Abmahnung in der Regel in Papierform per Post zugestellt wird. Eine erste Internet-Suche führt meist schnell auf gängige Betrugsmaschen. In den meisten Fällen stammen die Abmahnungen aber tatsächlich von Abmahnkanzleien.
Wie reagiert man auf eine Abmahnung?
In aller Regel ist man gut beraten, sich nicht auf sein Urteil zu verlassen und eine Abmahnung als vermeintlich unberechtigte Abzocke einfach zu ignorieren. Auch wenn es absurd erscheint: Selbst Forderungen, die einem durchschnittlichen Nutzer wahnwitzig erscheinen, sind mitunter rechtmäßig und können durchgesetzt werden. Ob das tatsächlich der Fall ist, kann letztlich nur ein Rechtsanwalt beurteilen. Daher sollte man grundsätzlich einen Anwalt einschalten, der sich mit dem jeweiligen Rechtsgebiet, zum Beispiel Urheberrecht, auch wirklich auskennt. Das muss keineswegs die Welt kosten und ein Anruf mit der Frage, ob der jeweilige Rechtsanwalt einen solchen Fall übernehmen kann und will und was eine Beratung kosten würde, kostet zunächst einmal gar nichts.
Nur ein Jurist kann im Einzelnen beurteilen, ob der Anspruch, der geltend gemacht wird, überhaupt gegeben ist. Das ist häufig eine schwierige Frage, an der natürlich die ganze Angelegenheit hängt. Ist der Anspruch berechtigt, kann man gegen die Abmahnung im Grunde nichts machen, sondern lediglich über deren Einzelheiten diskutieren, etwa die Höhe der Anwaltsgebühren, des Schadensersatzes und die Formulierung der Unterlassungserklärung. Ist er dagegen nicht gegeben, muss man der Abmahnung natürlich auch nicht Folge leisten. Hier gibt es sogar unter Umständen Gegenansprüche, die mit Gegenabmahnungen oder „negativen Feststellungsklagen“ geltend gemacht werden können.
Unterlassungserklärungen prüfen
Ein Fachmann kann darüber hinaus beurteilen, was in der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung stehen darf. Der Abmahnende kann zum Beispiel hierin nicht fordern, dass der Abgemahnte sich verpflichtet, die Anwaltskosten zu tragen oder Schadensersatz zu zahlen. Die Unterlassungserklärung dient lediglich dazu, verbindlich zu versichern, diese oder ähnliche Rechtsverletzungen nicht wieder vorzunehmen. Eine Verpflichtung, Zahlungen anzuerkennen, hat hierin nichts zu suchen. Finden sich solche Sätze in den von den Abmahnanwälten vorformulierten Erklärungen, welche die Abgemahnten unterschreiben und zurückschicken sollen, können und sollten sie generell aus der Erklärung gestrichen werden.
Auch die Reichweite der Unterlassungserklärung ist sehr variabel. Die Erklärung dient dazu, den „Unterlassungsanspruch“ erlöschen zu lassen, der durch die Abmahnung verfolgt wird. Wird eine ordnungsgemäße, formal von den Gerichten anerkannte Unterlassungserklärung abgegeben, kann der Anspruch also nicht vor Gericht weiterverfolgt werden, und die Sache ist aus der Welt. Ist die Unterlassungserklärung jedoch falsch – also insbesondere nicht weitgehend genug – formuliert, kann es sein, dass der Anspruch nicht erlischt und der Rechteinhaber trotzdem vor Gericht geht.
Umgekehrt kann es sein, dass die Erklärung zu weit formuliert ist und der eingeschüchterte und uninformierte Empfänger sich zu Dingen verpflichtet, die er im besten Fall nicht zusagen muss und im schlimmsten Fall gar nicht versprechen kann. Auch solche Details kann ein Laie nicht beurteilen; im Übrigen auch kein Anwalt, der sich mit dem jeweiligen Rechtsgebiet nicht wirklich auskennt. Kurzum: Der Umgang mit Abmahnungen gehört in fachkundige Hände. Wer eine Abmahnung erhält, sollte sich beraten lassen. Ist man sich unsicher, an welchen Anwalt man sich wenden sollte, kann man im Internet Informationen über Anwaltssuchmaschinen finden oder – noch besser – sich an die Verbraucherzentralen wenden, die solche Informationen in der Regel haben, wenn sie in der Sache auch meist nicht selbst tätig werden können.
Welche Kosten können bei einer Abmahnung entstehen?
Beauftragt jemand einen Rechtsanwalt damit, einen Rechtsverletzer abzumahnen, entstehen Kosten in Form von Rechtsanwaltsgebühren. Diese Gebühren werden als Anwaltskosten bezeichnet. Der Rechtsverletzer muss die Kosten einer Abmahnung tragen, wenn sie berechtigt ist. Ob die Abmahnung als solche berechtigt ist, ist eine andere Frage als die, ob man für den Gesetzesverstoß etwas konnte oder auch nur davon wusste.
Wie hoch die Kosten einer Abmahnung sind, hängt immer von der Sache ab. Sie werden auf Grundlage des sogenannten Gegenstandswerts berechnet. Auf Basis dieses Werts wird nach den Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) eine festgelegte, anteilige Anwaltsgebühr errechnet. Der Gegenstandswert soll abbilden, welchen Geldwert die Angelegenheit für den Verletzten hat. Wenn jemand in ein anderes Auto fährt und dabei 1.000 Euro Schaden entsteht, beträgt der Gegenstandswert 1.000 Euro.
Bei Urheberrechtsverletzungen errechnet sich der Gegenstandswert zum Beispiel auf Grund der Frage, was es für den Verletzten wert ist, dass fünf Musikstücke von einem privaten Computer in Zukunft nicht mehr zum Download zur Verfügung gestellt werden. Geht es wie in diesem Beispiel darum, dass eine bestimmte Rechtsverletzung nicht wieder geschieht, so spricht man von einem Unterlassungsanspruch. Der Gegenstandswert kann dabei oft nur vage geschätzt werden.
Unabhängig vom Unterlassungsanspruch kann zudem ein Anspruch auf Schadensersatz bestehen. Dann fallen weitere Kosten an, welche in den der Abmahnung zugrunde gelegten Gegenstandswert mit einfließen. Schadensersatz muss grundsätzlich nur leisten, wer Täter oder Teilnehmer einer Rechtsverletzung ist (oder, wie beschrieben, für einen Schaden bei Minderjährigen aufkommen muss).
Die in einer Abmahnung geforderten Kosten können vor Gericht überprüft werden. Diesen Weg kann man gehen, indem man zwar die Unterlassungserklärung – soweit erforderlich – abgibt, sich aber weigert, die Anwaltskosten zu tragen. Dadurch riskiert man aber, dass der Abmahnende vor Gericht geht, um seine Anwaltskosten einzuklagen, da er sie sonst selbst tragen muss. Ohne konkrete Kenntnisse über Gebührenrecht sollte man ein solches Risiko nicht eingehen. Spezialisierte Anwälte können hier auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Sie wissen meist, welche Werte die Gerichte für bestimmte Arten von Fällen akzeptiert haben oder was nicht gezahlt werden muss. Ein Laie kann kaum beurteilen, ob die in einer Abmahnung geforderten Kosten überzogen sind oder nicht.
Sonderregelung für Bagatell-Urheberrechtsverletzungen
Im Urheberrecht gibt es seit Ende 2013 eine Sonderregelung für Abmahngebühren bei Bagatell-Urheberrechtsverletzungen. Seitdem gilt Folgendes: Wird ein privater Nutzer erstmals von einem bestimmten Rechteinhaber wegen einer Urheberrechtsverletzung abgemahnt, ist der Gegenstandswert auf 1.000 Euro begrenzt. Daraus ergeben sich, wie beschrieben, 147,56 Euro für die Kosten der Abmahnung. Die Regel soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch für eine Urheberrechtsverletzung über Filesharing-Dienste gelten. Allerdings: Etwaige Schadensersatzzahlungen sind hiervon nicht betroffen und können zusätzlich hinzukommen. Insgesamt kann die geforderte Summe daher höher liegen.
Die Begrenzung gilt zudem nicht, wenn es „nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig“ wäre. Erste Auswertungen deuten darauf hin, dass Abmahnkanzleien sich seit Einführung der Regelung häufig auf diese Ausnahme berufen. Teils werden geringere Anwaltskosten auch durch höhere Schadensersatzforderungen ausgeglichen. Demnach scheint es die Regelung bislang nicht zu verhindern, dass viele Nutzer weiterhin hohe Kosten für Abmahnungen begleichen müssen.
Achtung Fristen!
Die Fristen, in denen die Abgemahnten tun müssen, was von ihnen verlangt wird, werden vom Abmahnenden vorgegeben. Sie sind meist empfindlich kurz, häufig zu kurz – auch aus rechtlicher Sicht. Dennoch ist es wenig empfehlenswert, sie einfach verstreichen zu lassen und nicht in der geforderten Zeit zu reagieren, weil man Gefahr läuft, dass der Abmahner nach Ablauf direkt vor Gericht zieht. Ist die Frist tatsächlich nicht einzuhalten, sollte man zumindest in der Abmahnkanzlei anrufen, begründen, warum das so ist und um eine Verlängerung bitten. Idealerweise sollte man sich rechtzeitig vorher – also so schnell wie möglich nach Erhalt der Abmahnung – einen Anwalt gesucht haben, der die Fristverlängerung fordern kann.
In aussichtsloser Situation verhandeln
Auch wenn es in der Sache aussichtslos ist, sich gegen eine Abmahnung zu wehren, lohnt es sich oft, über Kosten und andere Details zu verhandeln und möglichst eine Einigung zu erzielen. Hier können erfahrene Anwälte im Zweifel mehr herausholen, als die Abgemahnten selbst, weil sie sich mit Vergleichsverhandlungen auskennen und wissen, was in solchen Fällen zu tun ist.
Dass am Ende ein Vergleich geschlossen wird, ist selbst in Fällen, bei denen die Rechtsverletzung und der Anspruch auf Anwaltsgebühren, Schadensersatz und Unterlassungserklärungen eindeutig gegeben sind, keineswegs aussichtslos. Verhandlungen können dazu führen, dass weniger gezahlt werden muss, oder die Unterlassungserklärung weniger weitgehend formuliert wird.
Der Abmahnende selbst hat in der Regel kein Interesse, ein langwieriges Gerichtsverfahren zu führen. Auch er wird die Sache meist schnell aus der Welt schaffen wollen und im Gegenzug bereit sein, bei seinen Ansprüchen Zugeständnisse zu machen. Man wird zwar in der Regel nicht umhinkommen, die Unterlassungserklärung abzugeben, weil sie der Kern der Abmahnung bei Urheber-, Marken- oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist. Aber Anwaltskosten und Schadensersatz sind meist in einem mehr oder weniger breiten Rahmen verhandelbar. Das gilt natürlich vor allem in den Fällen, in denen die Kosten, die in der Abmahnung geltend gemacht wurden, ohnehin überzogen waren.
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Der Text ist im Rahmen der Themenreihe „Rechtsfragen im Netz“ in Zusammenarbeit mit Klicksafe entstanden. Klicksafe ist eine Initiative im Rahmen des „Safer Internet Programme“ der Europäischen Union, getragen von der Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz und der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen.
Er wurde zuerst am 16.7.2010 veröffentlicht und im Juni 2017 überarbeitet. Die Aktualisierung berücksichtigt neuere Entwicklungen, Rechtsprechung und Gesetzgebung. Kommentare können sich auf eine alte Version des Beitrags beziehen.
7 Kommentare
1 Schmunzelkunst am 10. März, 2014 um 18:19
Nach dem Rundfunkstaatsvertrag müssen lt. § 55 auch auch private Homepage-Betreiber im sogenannten Impressum ihrer Hompape mindestens Namen und Anschrift angeben, soweit ihr Angebot nicht “ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken” dient. Viele halten sich aus verständlichen Gründen nicht daran.
Warum gibt es da keine Abmahnungen? Wer ist überhaupt berechtigt abzumahnen?
Die Behörden, die theoretisch Bußgelder verhängen könnten, machen offenbar von sich aus keine Jagd auf Homepage-Betreiber mit fehlerhaftem Impressum.
MfG
Johannes
2 Schmunzelkunst am 8. April, 2014 um 19:15
Inzwischen habe ich in “Rockstroh, Sebastian: Impressumspflicht auf Facebook-Seiten, MMR 10/2013” einen interessanten Hinweis gefunden. Danach dürften, wenn sich die Kennzeichnungspflicht nicht aus § 5 TMG , sondern nur aus § 55 Abs. 1 RStV ergibt, Verstöße hiergegen in der Regel nicht abmahnfähig sein. Der Autor begründet dies damit, dass § 55 Abs. 1 RStV nicht der Umsetzung von Art. 5 Abs. der E-Commerce-RL dient und daher § 4 Nr. 11 UWG bei einem Verstoß nicht anwendbar ist.
Abgemahnt werden können offenbar nur die im Sinne des TMG geschäftsmäßig angebotenen Telemedien (vgl. a. § 12 UWG). Was darunter zu verstehen ist, wird in der Begründung zum TMG erläutert: “… enthält § 5 TMG die Ergänzung, dass es sich bei den geschäftsmäßigen Telemedien um solche handeln muss, die in der Regel gegen Entgelt angeboten werden. Diese Vorgehensweise entspricht den Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie. Die Richtlinie gilt für Dienste der Informationsgesellschaft, also nach europäischem Recht für solche Dienste, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden. Das Merkmal der Entgeltlichkeit setzt eine wirtschaftliche Gegenleistung voraus. Damit unterliegen Telemedien, die ohne den Hintergrund einer Wirtschaftstätigkeit bereitgehalten werden (z. B. Homepages, die rein privaten Zwecken dienen und die nicht Dienste bereitstellen, die sonst nur gegen Entgelt verfügbar sind, oder entsprechende Informationsangebote von Idealvereinen), künftig nicht mehr den Informationspflichten des Telemediengesetzes (Zitatende).”
Auch die oft zu hörende Aussage, dass private Webseiten sich durch eingeblendete Werbung schnell in geschäftsmäßig betriebene Telemedien im Sinne des TMG verwandeln und somit ein Impressum benötigen, ist m. E. nicht haltbar. Werbebanner auf einer privaten Homepage, mit denen sich Providerkosten sparen lassen, sollten kein Problem sein, vgl. z. B. http://heise.de/-180806 (s. insb. den letzten Absatz).
Abmahnungen wegen Fehlern im Impressums einer privaten Homepage sind wahrscheinlich genau so selten wie Abmahnungen wegen Falschparkens. Der Ratschlag, vorsichtshalber auch auf einer privaten Homepage die vollständige Anschrift mit Straßenname und Hausnummer anzugeben, nützt mehr dem Ede als dem Schutzmann.
Bei Urheberrechtsverletzung ist das Abmahn(un)wesen in § 97a UrhG geregelt. Davor sind auch Privatpersonen nicht gefeit.
MfG
Johannes
3 Wanda Jackson am 29. August, 2017 um 14:48
@Schmunzelkunst
Hallo, ich finde, _gerade_ wenn argumentiert wird, Werbebanner auf einer “privaten” Homepage, mit denen sich Providerkosten sparen lassen, sollten kein Problem sein, _gerade_ dann ist es schon ein wenig zweifelhaft, wenn es dann noch “privat” sein soll.
Denn gerade das ist ja eine wirtschaftliche Überlegung, die sagt: ich versuche Dritten (und zwar: werbetreibenden Firmen) etwas mehr Umsatz zu verschaffen und dadurch einen kleinen Betrag zu verdienen. Der macht es mir leichter, die Providerkosten zu zahlen.
Ob eine Webseite privat ist, wird nach dem Inhalt und dem Adressaten definiert. Nicht danach, ob der Betreiber eine Privatperson ist oder eine Firma.
Wenn es ein privater Inhalt ist (mein Auto, meine Familie, mein Leben, sowas …), dann … ok. Wenn aber in einem (oder mehreren) Werbe-Bannern Firmen Kunden vermittelt werden (jedenfalls potentiell), dann ist das, auch bei noch so kleinem Entgelt, Werbung. Und geschäftsmäßiges Handeln ist es, wenn es nicht einfach so geschieht, sondern mit der Absicht, eigene Kosten auszugleichen.
Da kann sich niemand rausreden.
(bei wirklich “pivaten” Seiten – also mit wirklich nur privatem Inhalt _und_ privatem Besucherkreis … am besten also durch Passwort geschützt …, kann man das uU berechtigt anders sehen)
Finde ich
Gruß
Wanda Jackson (Pseudonym)
4 Schmunzelkunst am 31. August, 2017 um 13:48
@Wanda
“… Wenn es ein privater Inhalt ist (mein Auto, meine Familie, mein Leben, sowas …), dann … ok…”
Danke Wanda, darum ging es mir. Solche Seiten konnten früher bei manchen Providern als sogenannte Visitenkarten für ca. 1 DM ohne Bannerwerbung oder für ca. 50 Pfennig mit Bannerwerbung des Providers aufgebaut werden.
Ich hätte besser aus einem guten alten Buch zitieren sollen. Zur Frage, ob durch Bannerwerbung eine ansonsten nicht impressumspflichtige Homepage zu einer impressumspflichtigen wird, siehe z. B. “Markenrecht im Internet” von Thomas Ubber: “Ein Handeln im geschäftlichen Verkehr wird bei einer privaten Website bereits bejaht, wenn aus Kostengründen – eigene oder fremde – Werbebanner auf dieser Website geschaltet werden … Andererseits ist ein Handeln im geschäftlichen Verkehr bei einer Website verneint worden, dessen Betreiber seinem Provider die Platzierung von Bannerwerbung gestattet bzw. diese geduldet hat, um sich höhere Providerkosten zu ersparen.”
In den Fussnoten wird dort auf die Urteile LG Hamburg, MMR 2000, 436 – “luckystrike.de” und LG Muenchen I, MMR 2001, 545 – “saeugling.de” verwiesen (vielleicht aber schon alte Kamellen).
5 DerBob am 1. August, 2018 um 15:02
Zu Ihrem Stichwort “Verhandeln”: Das Einschalten eines Anwalts kann schon alleine deshalb Sinn machen, weil man sich als Laie bei den Verhandlungen sonst leicht um Kopf und Kragen redet, weil man gar nicht verstanden hat, wie die Rechtslage ist.
6 Stefan Tiez am 28. Juni, 2019 um 09:08
Hallo Johannes,
welche Behörden könnten denn das auch sein?
Ich glaube das die Sparpolitik die meisten Behörden derartig entkernt haben, dass nun noch die Hüllen übrig sind.
Die volle Funktionalität ist lange nicht mehr gegeben.
Dort stapeln sich nun die “Akten”. Und wer will sich in so einer Situation schon mehr Arbeit aufhalsen als nötig.
LG
Stef
7 Robert Meyen am 5. April, 2024 um 13:47
Das hat sich ja mit der UWG Novelle weitestgehend erledigt. Bluten muss am Ende der Verbraucher, der eigentlich geschützt werden sollte.
Was sagen Sie dazu?