Open Access veröffentlichen – aber wo? Tipps für die Suche nach passenden Publikationsmöglichkeiten
In kleinen Disziplinen mit beschränkter Anzahl an relevanten Open-Access-Titeln ist es mitunter leicht, den Überblick zu behalten. In anderen Fächern kann es schnell unübersichtlich werden – insbesondere wenn man interdisziplinär oder in einer spezifischen fachlichen oder methodischen Nische arbeitet.
Suchinstrumente abseits von Konzerninteressen
Eine Reihe von Tools versprechen einen Mehrwert gegenüber Google und anderen freien Suchmöglichkeiten. Eine zwiespältige Lösung bieten wissenschaftliche Großverlage wie etwa Elsevier oder Wiley an, die eigene Journal Recommender bereitstellen. Mit ihnen lassen sich innerhalb des jeweiligen Verlagsportfolios passende Zeitschriften identifizieren. Das ist bei den genannten Verlagsriesen zwar jeweils ein ganzer Kosmos, aber auf diesen sind die Tools wiederum beschränkt: Sie berücksichtigen weder kleinere, günstigere oder überhaupt andere Verlage – noch die zunehmend wichtiger und präsenter werdenden wissenschaftsgetragenen Zeitschriften (scholar-led beziehungsweise scholarly owned journals), die verlagsunabhängig an Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen betrieben werden. Auch folgen die kommerziellen Tools in erster Linie den Interessen eines Konzerns.
Eine konkrete Gefahr geht von sogenannten Predatory Journals aus. Sie können der Reputation von Forschenden Schaden zufügen. Predatory Journals verlangen von den Publizierenden Gebühren für die Veröffentlichung ihrer Texte – ohne aber eine wissenschaftlich valide Qualitätssicherung vorzunehmen. Diese unlauteren Angebote machen sich das etablierte Verdienstmodell von kommerziellen wissenschaftlichen Zeitschriften zunutze. Um sich zu tarnen, gehen sie geschickt vor oder nehmen sogar gezielte Täuschungsmanöver vor.
Qualitätsgesicherte Journals verlagsübergreifend finden: Nicht-kommerzielle Such-Tools
B!SON
Für die Suche nach inhaltlich passenden Publikationsmöglichkeiten empfiehlt sich B!SON als ein verlagsunabhängiges Tool. Es lässt sich kostenfrei nutzen, ist datenschutzkonform und Open Source. Für die Suche füttert man das Tool mit dem Titel oder dem Abstract und zitierter Literatur des eigenen Textes. Anschließend gibt das Tool Machine-Learning-gestützte Empfehlungen für Open Access Journals mit passender thematischer Ausrichtung aus. Zusätzlich gibt B!SON Informationen zu den Publikationskosten und möglichen Creative-Commons-Lizenzen aus.
B!SON steht für Bibliometrisches und Semantisches Open Access Recommender Netzwerk. Für seine Empfehlungen durchsucht der Dienst das Directory of Open Access Journals (DOAJ) und die Zitationsdatenbank der Open Citations Initiative. So wird eine Qualitätssicherung erzielt, die auf den Guidelines der beiden Datenquellen basiert. Zwar ist auch deren Indexerstellung in ihren Kriterien und Umsetzung nicht unfehlbar, aber die genannten Datenquellen gelten als wichtige Referenzen im Publikationsbereich: Das DOAJ hat sich als zentraler Index für seriöse Open-Access-Zeitschriften etabliert – Open Citations ist ein kollaboratives Projekt für die nicht-kommerzielle, freie Verfügbarkeit von Zitationsdaten.
Die Verwendung des DOAJ-Indexes durch B!SON bringt auch eine Einschränkung der Ergebnisse auf reine Gold Open Access Journals mit sich – solche also, die vollständig und ausschließlich Open Access erscheinen. Nicht berücksichtigt werden hybride Zeitschriften, in denen nur ein Teil der Beiträge frei verfügbar ist – nämlich solche, für welche die Autor*innen gesonderte Gebühren bezahlt haben. Mit Blick auf die Auswahlpalette vertrauenswürdiger Zeitschriften ist das sicherlich ein Nachteil. Mit Blick auf einen unter anderem vom Wissenschaftsrat empfohlenen und von der Bundesregierung laut aktuellem Koalitionsvertrag angestrebten Wandel auf Open Access als Standard hingegen nicht.
Um lokale Gegebenheiten zu berücksichtigen, bieten einige Institutionen bereits eine angepasste B!SON-Version an. So lassen sich nicht empfohlene oder geförderte Zeitschriften oder Verlage gesondert markieren. Auch werden die Kosteninformationen unter Berücksichtigung von Verträgen der jeweiligen Institution mit Verlagen angezeigt.
oa.finder
Auch der oa.finder unterstützt bei der Suche nach Open-Access-Publikationsmöglichkeiten. Das Tool wird vom open-access.network bereitgestellt und lässt sich komplementär einsetzen. Für Zeitschriftenartikel ist der Dienst bereits gestartet, ein Modul für Monografien und Sammelbände soll folgen. Letzteres bedeutet ein Plus insbesondere für die Geisteswissenschaften, in denen das Buch als Publikationseinheit weiterhin eine zentrale Rolle spielt. Der oa.finder verweist auch auf hybride Zeitschriften, die Artikel im Open wie im Closed Access enthalten.
Anders als B!SON sucht der oa.finder nicht semantisch. Die Fragestellung lautet also nicht: Welche OA-Zeitschrift passt zu meinem Thema? Sondern: Welche Optionen zum OA-Publizieren gibt es in den Zeitschriften meines Fachbereichs, kostet das etwas und welche Unterstützung bekomme ich über meine Einrichtung? Gerade dafür ist das Eintragen der eigenen Organisation und Rolle (Autor*in, Co-Autor*in, Herausgeber*in) in der Suchmaske relevant. Im Hintergrund dieser Herangehensweise stehen sogenannte Transformationsverträge wie die bekannten DEAL-Verträge mit Wiley, Springer Nature und Elsevier, welche den jeweiligen Angehörigen eine Übernahme oder Reduzierung der Publikationskosten ermöglichen. Auch Publikationsfonds spielen dabei eine Rolle, die an zahlreichen wissenschaftlichen Einrichtungen Veröffentlichungsgebühren auf Antrag übernehmen.
Die Ergebnisse lassen sich nach Schlagworten und Fachbereich filtern oder nach der Indexierung in einschlägigen bibliographischen Datenbanken. Darunter befinden sich wiederum das oben genannten DOAJ, aber beispielsweise auch die Datenbanken Scopus und Web of Science, die nicht auf reine Open-Access-Publikationen beschränkt sind. Anders als das DOAJ handelt es sich hier um kommerzielle Produkte, die ebenfalls als Verzeichnisse qualitätsgesicherter Publikationen etabliert sind. Ein Seiteneffekt der Nutzung dieser Datenquellen durch den oa.finder ist, dass er diese Indexierungen anzeigt und so die Akzeptanz einer Publikation von Seiten etablierter Verzeichnisse ermöglicht.
Auch ist das Filtern nach reinen Open-Access-Zeitschriften möglich, ebenso wie das Sortieren nach Publikationskosten und Metriken wie dem CiteScore, der eine durchschnittliche Zitationshäufigkeit von Artikeln in Zeitschriften angibt. Um diese Informationen ausgeben zu können, greift der Dienst auf eine ganze Reihe von Datenquellen zu.
Offenere Publikationsmöglichkeiten: Megajournals und Repositorien
Andere Publikationsmöglichkeiten sind weniger auf eine thematische Passung angewiesen. Darunter befinden sich sogenannte Megajournals. Diese bilden nach dem Vorbild von PLOS ONE thematisch offenere Anlaufstellen für einzelne Fachbereiche oder Fächergruppen und publizieren in großem Umfang Forschungsartikel. Für die Geisteswissenschaften etwa existiert seit einigen Jahren die Open Library of Humanities (OLH).
Für einige Publikationsarten bietet sich auch die Veröffentlichung auf speziellen Dokumentenservern (sogenannten Repositorien) an. Zum Beispiel gibt es hier die Publikationsserver der Universitätsbibliotheken, fachspezifische Angeboten wie das Social Science Open Access Repository (SSOAR) oder das europäische Universalrepositorium Zenodo. Diese Repositorien sind aber weniger als Publikationsorte für die Erstveröffentlichung von Forschungsbeiträgen etabliert und angesehen. Für die Open-Access-Zweitpublikationen bereits erschienener Artikel (siehe dazu diesen Artikel) oder für Publikationsarten wie Working Papers sind sie aber offene und zugleich nachhaltige Publikationslösungen.
Weitere Tools und Informationsquellen
Bekanntlich führen viele Wege nach Rom. Und auch zu einer geeigneten OA-Publikationsmöglichkeit gibt es nicht nur einen Weg. Tools, die auf Künstlicher Intelligenz („KI“) basieren, wie Semantic Scholar oder inzwischen auch ChatGPT, sind eher für die Suche nach existierender Literatur optimiert. Entscheidend ist außerdem, welche Datenbasis das jeweilige Tool verwendet – und die Datenquellen von B!SON und oa.finder sind sehr sorgsam ausgesucht.
Dennoch lassen sich Semantic Scholar oder ChatGPT auch zur Inspiration bei der Auswahl eines Journals nutzen, wie auch alle anderen OA-Recherchetools, die in diesem Artikel vorgestellt wurden. Diese sind aber als Verzeichnis ausgelegt oder für die Literatur-Recherche optimiert und damit für die Suche nach Forschungsergebnissen, die bereits Open Access publiziert sind.
Eine hohe Expertise zur Auswahl von Journals haben neben Wissenschaftler*innen insbesondere die wissenschaftlichen Bibliotheken. Neben den lokalen Uni-Bibliotheken ist auch der Helpdesk des open-access.network eine offene Anlaufstelle. Fachspezifisches Know-How haben unter anderem Spezialbibliotheken und die Fachinformationsdienste. Sie alle sind auch Ansprechpartnerinnen zum Erkennen von predatory practices.
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