NZZ seit 1780 und Akten der Nürnberger Prozesse online – Zeitgeschichte öffentlich zugänglich
Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, heißt es. Die Zeitungen von 1780 dagegen können zum Kulturgut werden: Wer wissen möchte, welche Ereignisse die Menschen an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit bewegt haben, wie die Wirtschaftslage war, was im Theater lief oder welche Kapriolen das Wetter schlug, findet in der Zeitung von damals Antworten.
Zeitungen sind Spiegel der Gesellschaft, der politischen Meinungen und des Zeitgeistes – und damit auch Zeugnisse der Schattenseiten des kulturellen Erbes: von Rassismus, Antisemitismus und Homophobie, vom Umgang mit dem Kolonialismus und Propaganda.
Als „Kulturgut“ wird etwas verstanden, „was als kultureller Wert Bestand hat und bewahrt wird“ – so definiert es der Duden. Die Gesamtheit der Kulturgüter wiederum stellt das „kulturelle Erbe“ einer Gesellschaft dar. Materielle Kulturgüter finden sich häufig in Museen, Bibliotheken und Archiven, aber auch auf den Straßen und in den Städten als Denkmäler und Gebäude.
NZZ: Zeitzeugen seit 1780
Auch die Zeitung im zeitgeschichtlichen Kontext kann als Kulturgut verstanden werden und wird in Sammlungen und Archiven „bewahrt“. Die Neue Zürcher Zeitung (kurz: NZZ) wurde jetzt in einem aufwändigen Projekt seit der ersten Ausgabe von 1780 digitalisiert und veröffentlicht: Auf der Plattform e-newspaperarchives.ch kann man sich alle gedruckten Zeitungsseiten der NZZ bis 1914 anschauen.
Alle Zeitungen ab 1915 sollen im nächsten Jahr veröffentlicht werden, wie die NZZ berichtet. Die Webseite in Form einer Suchmaschine wird von der Schweizerischen Nationalbibliothek betrieben. Neben der NZZ lassen sich dort auch viele weitere Zeitungen der Schweiz finden.
Wie die Suche funktioniert und was sie bietet
Um speziell die Artikel der NZZ zu finden, klickt man am einfachsten die Karte rechts auf der Startseite im Bereich „Zürich“ an. Im nächsten Schritt werden dort alle in Zürich erscheinenden Zeitungen angezeigt, darunter auch die NZZ.
Es gibt aber auch eine Volltextsuche, die den gesamten Bestand durchsucht. Die Artikel werden dann als abfotografierte Bilder mit Zoom-Funktion angezeigt und lassen sich auch ausschneiden und drucken oder ganze Seiten als PDF herunterladen.
Außerdem wird am linken Rand der Text des gefundenen Artikels transkribiert, was das Lesen erleichtert. Wer nach einem bestimmten Datum sucht, kann über einen Kalender auch nach Tagesausgaben suchen.
Schwieriges Erbe: Die Gerichtsakten der Nürnberger Prozesse
Dass die Digitalisierung zeitgeschichtlicher Dokumente auch dabei helfen kann, schwieriges Erbe erlebbar zu machen, zeigt ein weiteres Projekt, das seit kurzem online ist: Die Universität Stanford hat die Prozessakten der Nürnberger Prozesse digitalisiert und durchsuchbar gemacht.
Unter dem Titel „Virtual Tribunal“ (zu Deutsch: Virtuelles Tribunal) lassen sich auf der Plattform der Universität insgesamt 5215 Akten mit mehr als 250.000 Seiten durchsuchen. Die Sammlung ist nach Ordnern organisiert, die mehrere Dokumente enthalten und nach Sprache, Datum und Dokumenttypen durchsucht werden können. Die meisten Dokumente sind in deutscher Sprache verfügbar.
Dokumente internationaler Strafgerichte sollen über ein einziges Webportal verfügbar gemacht werden
Die Sammlung ist derzeit noch auf schriftliche Dokumente beschränkt. Geplant ist aber, auch Audio- und Film-Material bereitzustellen. Dabei handelt es sich um Mitschnitte der Gerichtsverfahren gegen die 24 Angeklagten.
Die Prozessakten hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag bereitgestellt, der auch die Urheberrechte an den Dokumenten hält und die Dokumente seit 1950 besitzt.
Das Projekt ist eine Initiative des „Center for Human Rights and International Justice“ der Universität Stanford (zu Deutsch: Zentrum für Menschenrechte und internationale Justiz)- Die Initiative will eine umfassende Datenbank mit Akten internationaler Strafgerichte erstellen und über ein einziges Online-Portal verfügbar machen.
„Schwieriges Erbe“ verlangt verantwortungsvollen Umgang – „Zugang gestalten!“ am 4. & 5. November
Wie verantwortungsvolle Erinnerung gelingt, damit beschäftigt sich Anfang November auch die Veranstaltung „Zugang gestalten!“ (iRights.info berichtete).
Die zweitägige Konferenz findet in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main statt. Im Zentrum in diesem Jahr der Frage, wie Gedächtnisinsitutionen mit problematischen historischen Zeugnissen umgehen.
Auch Wikimedia beteiligt sich an der Organisation der Konferenz und hat dazu eine Blogserie gestartet, in der über geeignete Wege des Umgangs mit Digitalisaten von Objekten aus Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten diskutiert werden soll. Der erste Teil der Serie ist bereits veröffentlicht.
Die Anmeldung für die Konferenzteilnahme vor Ort ist unter diesem Link freigeschaltet. Eine Teilnahme im Live-Stream ist auch ohne Anmeldung möglich.
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