Halina Wawzyniak: Tatsächliche Interessen von Kreativen und Nutzern in Einklang bringen
Eines der größten Probleme des aktuellen Urheberrechts ist, dass es den Entwicklungen des Internet immer noch hinterherhinkt. Das Internet erlaubt es, nahezu kostenlos, digitale Informationen – also Texte, Fotos, Videos etc. – zu vervielfältigen und zu verbreiten. Das Wissen und die Kultur der Welt können in Sekundenschnelle abgerufen, verändert und geteilt werden. Das geltende Urheberrecht ist für das 20. Jahrhundert konzipiert und dort stehen geblieben. Wenn etwa Menschen wegen des Herunterladens von MP3s oder Videos abgemahnt und zu horrenden Strafzahlungen verdonnert werden, nützt dies vor allem der Musikindustrie (nicht zu verwechseln mit den Schöpfern kultureller Werke) und der gewachsenen Branche von Abmahnanwälten. Die eigentlichen Kreativen und Künstler haben jedoch nur selten ein Interesse an der Kriminalisierung ihrer „Kunden“.
Unbestritten ist aber auch, dass Künstler, Musiker und alle anderen Kreativschaffenden von ihrer Arbeit leben können müssen. Hier ist eine solidarische gesellschaftliche Debatte darüber nötig, wie wir dies unter den gegebenen Bedingungen einer digitalisierten und vernetzten Gesellschaft zukünftig sicherstellen. Innovative Ideen wie die Kulturflatrate oder die Kulturwertmark stellen interessante Ansätze für eine neue Form der Beziehungen von Kreativen und „Konsumenten“ dar.
Ich glaube, dass das geltende Urheberrecht dringend den heutigen und zukünftigen Realitäten angepasst werden muss. Ich lehne es daher ab, mit Abmahnungen und Strafzahlungen ein längst überholtes System künstlich am Leben zu erhalten, das lediglich den eigenen Profit und nicht unbedingt das Wohl der Kreativen im Sinn hat. Das Internet bietet ganz neue Möglichkeiten für Kulturschaffende ihre Werke (auch kollaborativ) zu erstellen, zu bearbeiten und zu verbreiten. Nutzen wir das Internet also um die tatsächlichen Interessen der Kreativen und die Realitäten von Nutzerinnen und Nutzern in Einklang zu bringen.
Zur Person
Halina Wawzyniak (Jahrgang 1973) ist Juristin und netzpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag und Obrauf der Fraktion der Linken in der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft. Seit 2008 ist sie stellvertretende Vorsitzende der Partei Die Linke.
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