Die ARD öffnet weiter ihre Archive, Nutzungen bleiben eingeschränkt
Der 27. Oktober ist der jährliche UNESCO-Welttag für das audiovisuelle Erbe. Dieses Jahr begeht die ARD den Tag mit der offiziellen Eröffnung ihres „Retro“-Archivs. Die Dachorganisation der deutschen Rundfunkanstalten stellt mehr als 7.000 Produktionen unbefristet in ihrer Mediathek online.
Die Videos umfassen zeitgenössische Berichterstattung, regionale Reportagen, lokale wie nationale Nachrichtensendungen und vieles mehr – wohlgemerkt in Schwarz-Weiß, Fernsehübertragungen waren zu dieser Zeit noch eine recht junge Technologie.
Das Material stammt von den neun Landesrundfunkanstalten der damaligen BRD und umfasst zusätzlich Produktionen aus der DDR, die in einer eigenen Rubrik angeboten werden. Auch Radioproduktionen des Deutschlandradio sind zu finden.
Urheberrecht von 1966 beschränkt Retro-Mediathek
Dass der Schwerpunkt lediglich auf den 1950er und der ersten Hälfte der 1960er Jahre liegt und Produktionen ab dem 1. Januar 1966 unberücksichtigt bleiben, hat rechtliche Gründe.
In den FAQ, die der NDR zum ARD Retro-Angebot auf seiner Website zur Verfügung stellt, beziehen sich die Autoren auf das 1966 in Kraft getretene Urheberrechtsgesetz (UrhG) und erläutern dazu:
„Diese Rechtslage verhinderte es per Gesetz, dass Urheber für die heutige Online-Nutzung erforderliche Rechte bereits zum damaligen Zeitpunkt überhaupt einräumen konnten. Im Vergleich zu Retro-Videos, die vor 1966 gesendet worden sind, ist allein aus diesem Grund eine andere Herangehensweise bei der rechtlichen Prüfung einer Vielzahl von unterschiedlichen Rechteinhabern notwendig.“
Anders gesagt: Die urheberrechtliche Lage vor 1966 bot mehr Handlungsspielraum und Freiheiten. Mit dem danach geltenden Urheberrechtsgesetz wurden die verschiedenen, am Produktionsprozess beteiligten Personen stärker rechtlich eingebunden, etwa über die Einführung von Leistungsschutzrechten.
Das arbeitsteilige Fernsehgeschäft wurde urheberrechtlich deutlich komplexer, was die Rechteklärung für heutige Nutzung kleinteiliger und schwieriger macht.
Hinweis in eigener Sache:
Die Lage der Gedächtnisinstitutionen im Zusammenhang mit dem Urheberrecht – während der Corona-Krise und generell – wird auch bei der diesjährigen Konferenz „Zugang gestalten“ diskutiert, zum Beispiel in Reinhard Altenhöners Beitrag „Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Gemeinfreie Werke im Web-Angebot öffentlicher Einrichtungen“ oder bei der Präsentation innovativer Projekte während des Lockdowns.
Die Konferenz steht dieses Jahr unter dem Titel „Innovationsschub“ findet am 29. und 30. Oktober 2020 als reine Online-Veranstaltung statt. Weitere Informationen und Anmeldemöglichkeit unter zugang-gestalten.org.
Zeitlich unbefristete Streams – jedoch keine Downloads
Diese rechtlichen Restriktionen ab 1966 dürften auch ein Grund dafür sein, warum die Retro-Videos in der Mediathek zwar zeitlich unbefristet, aber nur zum Ansehen per Streaming angeboten werden – einen Download-Button sucht man vergebens, ebenso eine Bestellfunktion, über die man die Produktionen erwerben könnte.
Im iRights.info-Interview vom Oktober 2019 äußerte sich Rabea Limbach, Dokumentarin beim Deutschen Rundfunkarchiv und involviert in die ARD-Archivöffnung. Sie erläuterte die damalige Öffnung des SWR-Archivs als ersten Schritt und gab dabei den besonderen Status der Rundfunkarchive zu bedenken.
Denn Archive von Rundfunkanstalten seien vornehmlich an das Rundfunkrecht gebunden. Das bedeute einerseits, dass die dortigen Produktionen potentiell auch für heutige Nutzungen im Sinne eines Produktionsarchivs durch die Anstalten vorgehalten werden.
Andererseits unterlägen öffentliche Archive der jeweiligen Archivgesetzgebung, wodurch sie einen klaren öffentlichen Auftrag und auch bessere Möglichkeiten zur pauschalen Quellenöffnung hätten.
Restriktive Nutzungsbedingungen, keine CC-Lizenzen
Die Streams lassen sich in der ARD Retro-Mediathek ansehen und in Websites einbetten – es muss sich jedoch um private und nicht-kommerzielle Nutzungen handeln.
Eine Bearbeitung und Weiternutzung, etwa von Ausschnitten oder für Mashups, ist nicht erlaubt, die Nutzungsbedingungen sind entsprechend restriktiv formuliert.
Das ZDF stellte Mitte 2020 Beiträge der Dokumentationsreihe Terra-X online, die mit Creative Commons-Lizenzen freigegeben sind. Die dabei verwendeten Lizenzen CC BY und CC BY-SA ermöglichen es beispielsweise, die Clips direkt in freie Bildungsmaterialen (OER) zu integrieren, sie zu bearbeiten, zu remixen oder anderweitig nachzunutzen. Und sie können auch unmittelbar in die freie Online-Enzyklopädie Wikipedia übernommen werden.
Auch die ARD Tagesschau veröffentlicht mittlerweile einzelne Videos via Creative Commons, wenn auch unter der wesentlichen restriktiveren CC BY-NC-ND 4.0-Lizenz. Diese verbietet jegliche Bearbeitungen und verträgt sich weder mit den OER-Konventionen noch mit den Wikipedia-Vorgaben.
Ob und wie die ARD Inhalte aus ihren Archiven beziehungsweise aktuelle Beiträge zukünftig offen lizenziert, bleibt wohl fraglich. Die Dokumentarin Rabea Limbach äußerte 2019 gegenüber iRights.info durchaus Sympathien für Remixverfahren und anderen kreativen Nachnutzungen – gab aber auch zu bedenken, dass die aktuelle Rechtssituation das aus vielfältigen Gründen nicht zuließe und sie nicht wüsste, wie so etwas möglich werden könnte.
1 Kommentar
1 Josef Weiss am 24. Dezember, 2022 um 16:54
Was ist mit Produktionen welche von GEZ gebühren bzw. mit Steuergeldern bezahlt wurden.Darauf sollten sie doch wohl die Rechte haben oder haben sie diese einfach weiterverkauft. Auf dem DVD Markt werden genug davon angeboten. Alle Tagesschau Formate als Beispiel sollten sie doch freigeben können. Auch denke ich das sie diverse Rechte an Sportveranstaltungen bezahlt haben.
Was sagen Sie dazu?