Fundstücke zur Kreativwirtschaft
Hier die Beute des heutigen Tages, in Häppchen serviert.
EU-Binnenmarktskommissar Charlie McCreevy will bekanntlich den großen Plattenfirmen (“Majors”) mit ihrem umfangreichen Backkatalog sowie Künstlern wie Paul McCartney und Udo Jürgens — und ihren künftigen Erben — einen großen Gefallen tun. McCreevy will die urheberrechtlichen Schutzfristen verlängern, damit die Plattenfirmen und ein paar schwerverdiente Künstler noch mehr Geld mit dem Verkauf alter Aufnahmen machen können. Ach ja, ein paar Studiomusiker sollen irgendwie auch was abbekommen. McCreevys Vorschlag ist nicht nur ökonomisch unsinnig, wie der vor einer Weile im Auftrag der britischen Regierung erstellte Gowers-Report feststellte, er hat auch wenig Freunde. Der Widerstand gegen McCreevys Pläne hat nun die Form einer Kampagne angenommen. “Sound Copyright” fordert: “Lassen sie die EU wissen: das Urheberrecht soll harmonisch bleiben!” (Das liest sich, als wäre es von Google übersetzt worden.) Die Kampagne hat eine Unterschriftensammlung gestartet.
Digitales Rechte-Management (DRM) verliert zunehmend an Bedeutung. Wie die New York Times am 3. März berichtete, verzichten immer mehr Anbieter von Hörbüchern auf die digitalen Fesseln und bieten ihre Waren im kundenfreundlichen MP3-Format an. Die Hörbuchanbieter folgen der Musikindustrie somit auf dem Fuße, die sich über den Jahreswechsel peu à peu von DRM verabschiedet hatte. Auf der anderen Seite haben sich Ende Februar auf einer Tagung in New York Vertreter aus der Medienbranche, ihre Anwälte und Berater mehrheitlich für DRM ausgesprochen, wie DRM Watch berichtete. Was soll man nun davon halten?
Den Plattenfirmen sind ja in den letzten Jahren die Kunden in Scharen davon gelaufen. Nun laufen die Musiker auch noch weg und den Kunden hinterher. Die Band Nine Inch Nails hat zum Beispiel ihren ausgelaufenen Plattenverlag nicht verlängert sondern beschlossen, die Vermarktung ihrer Musik künftig selbst in die Hand zu nehmen. Zum einem Preis zwischen 0 und 300 US-Dollar können unterschiedliche Pakete einer Titelsammlung namens “Ghosts I-IV” erworben werden, sogar unter einer Creative-Commons-Lizenz. So berichtete jedenfalls die New York Times heute. Was bleibt Plattenfirmen wie EMI da übrig, als sich auf die glorreiche Vergangenheit zu besinnen? Bei EMI strebt man “back to the future”. Anders ausgedrückt: David Bowie und Pink Floyd sollen laut britischer Times die Bilanz aufbessern. (Sie haben richtig gelesen — David Bowie und Pink Floyd.)
Der Autor Seth Godin hat in seinem Blog das Transskript einer Rede “On the future of the music business” veröffentlicht. Sehr lesenswert (in meinen Augen). Dazu ergänzend: Die britische Times konnte mitteilen, daß im vergangenen Jahr erstmals mehr Umsatz mit Computerspielen (1,7 Milliarden GBP) als mit Musikaufnahmen gemacht wurde. Kein Wunder, daß sich Musiker wie Aerosmith für Computerspiele zu interessieren beginnen.
Bei Gulli habe ich einen Hinweis auf eine Sendung des Deutschlandfunks zum Thema Urheberrecht gefunden. Die Sendung läßt sich als MP3 herunterladen und nachhören.
Ars Technica brachte einen Artikel darüber, welche Kreativität die Recording Association of America (RIAA) an den Tag legt, wenn es um die Berechnung von Urheberabgaben für Musikaufnahmen geht. Mutmaßliches Motto: Wenig zahlen, viel kassieren.
Die schockierendste Nachricht des 3. März, klar der Kategorie “Zeichen und Wunder” zuzuordnen: Ein Buch von Cory Doctorow erscheint mit einer CC-Lizenz “zum kostenlosen Download” bei … Bertelsmann. Das ist keine Ente, C.D. hat bei BoingBoing auch persönlich auf das Erscheinen hingewiesen.
“Kreatives Schaffen in der digitalen Welt” wird von der US-Regierung ganz eigen interpretiert. Jetzt sollen virtuelle Terroristen in virtuellen Welten gejagt werden, oder so ähnlich. So ganz schlau werde ich aus der BBC-Meldung dazu nicht. Sie wirft schwierige Fragen auf: Wenn ein Terrorist statt echter virtuelle Bomben wirft, ist er dann noch ein echter Terrorist oder ein virtueller? Und wenn der virtuelle Terrorist nie ein echter Terrorist war, kann er dann überhaupt zu einem virtuellen werden? Und wer wird ihn jagen — das iFBI? Fragen über Fragen…
Zum guten Schluß noch ein erfreulicher Beitrag in eigener Sache. Das “Open Source Jahrbuch 2008” ist erschienen. (Full disclosure: Ich bin Mitherausgeber und verdiene überhaupt nichts am Buch.) Das Buch gibt es ebenfalls zum kostenlosen Download (PDF), aber nicht bei Bertelsmann ;-)
Was sagen Sie dazu?