Webschau 3: Was bedeutet das Ja zur EU-Urheberrechtsreform?

Foto: Hanna Prykhodzka, CC BY
Vor einer Woche hat das EU-Parlament die neue Urheberrechtsrichtlinie abgenickt – samt Uploadfiltern und Presseleistungsschutzrecht. Aus der Internet-Community kommt herbe Kritik, Verlage und Urheberverbände frohlocken. Wie geht es jetzt weiter?
Hunderttausende, vor allem junge Menschen auf der Straße, leidenschaftliche Diskussionen in den sozialen Medien, Kommentare in den Tageszeitungen – dass eine Urheberrechtsreform so intensiv und breit in der Gesellschaft diskutiert wird, ist erstaunlich. Umstritten waren vor allem Artikel 13 und die Uploadfilter.
Diese Leidenschaft bedeutet auch, dass Menschen genau hinschauen, wie die EU-Abgeordneten abgestimmt haben. Und anscheinend haben manche dabei Fehler gemacht. Laut den Korrekturlisten des EU-Parlaments zeigt sich: Bei den Änderungsanträgen zu Artikel 13 (inzwischen Artikel 17 zur Plattformhaftung) und Artikel 11 (jetzt 15 zum Presseleistungsschutzrecht) sagten zehn Parlamentarier, dass sie eigentlich für eine Änderung stimmen wollten. Hätten alle ihre Stimme korrekt abgegeben, wäre über die Änderungen abgestimmt worden (T3N). Die nachträglichen Stimmenkorrekturen ändern allerdings nichts mehr am Ergebnis, sie gelten nur als Dokumentation.
Gas gegen Uploadfilter? In der FAZ wurde der Verdacht geäußert, dass die Bundesregierung sich auf einen Kuhhandel eingelassen hat. Damit Frankreich im Streit um die Nord-Stream-2-Gaspipeline nachgibt, hätte Deutschland zugesagt, die Urheberrechtsrichtlinie durchzuwinken: „Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat die Belange der Gründer im Gesetzgebungsverfahren der EU-Urheberrechtsrichtlinie demnach abrupt fallengelassen – und zwar kaum einen Tag, nachdem er die Start-ups noch seines Rückhalts versichert hatte.“
Das Gerücht hält sich hartnäckig. In ihrer Rede vor dem EU-Parlament nach der Abstimmmung geht die EP-Abgeordnetete und Gegnerin der Reform Julia Reda auch darauf ein. Außerdem kritisiert sie, dass die Proteste gegen die Reform vom Parlament nicht ernstgenommen und als Teil einer Google-gesteuerten Desinformationskampagne diffamiert wurden.
Die Netzgemeinde vergisst nichts
Normalerweise twittert der Whistleblower Edward Snowden auf Englisch – nach der Abstimmung gab es dank automatischen Übersetzungsprogramm einen deutschen Tweet. Er ruft unter dem Hashtag #nieMehrCDU dazu auf, bei der Europawahl gegen die CDU/CSU zu stimmen: „Da die @CDU_CSU_EP gestimmt hat für nie mehr Internetfreiheit, muss das Internet für nie mehr @CDU_CSU_EP stimmen.“
Vergiss nie, was sie hier gemacht haben. Da die @CDU_CSU_EP gestimmt hat für nie mehr Internetfreiheit, muss das Internet für nie mehr @CDU_CSU_EP stimmen. #nieMehrCDU https://t.co/fyGLXfGw3n
— Edward Snowden (@Snowden) 26. März 2019
Im Morgenmagazin des ZDF erklärt Youtuber Felix von der Laden: „Eine ganze Generation von Wählern fühlt sich extrem enttäuscht von Äußerungen von Politikern der CDU, die sich anscheinend nicht mit dem Internet auskennen.“ Die Wahl zum Europaparlament findet im Mai statt.
Till Kreutzer von iRights kommentierte im gleichen Beitrag: „Es wird erhebliche Verwerfungen geben für das freie Internet, für die Art und Weise wie man heutzutage im Internet kommuniziert. Das Internet wird inhaltsärmer, es wird schwieriger sich darüber auszutauschen und es wird sehr viel mehr gefiltert werden als das bisher der Fall gewesen ist.“
Markus Beckedahl hat bei Netzpolitik einen langen Kommentar zum neuen EU-Urheberrecht geschrieben. Angeblich soll die Reform ja mehr Geld für Urheber bringen. Allerdings bezweifelt er, dass die meisten irgendetwas davon sehen werden. Denn die alten Modelle hätten sich durchgesetzt, neue Formen der Kreativität fielen hinten runter.
Als einer der wenigen Verbände von Urheberinnen und Urhebern lehnen die Freischreiber die Richtlinie ab, weil insbesondere die vorgesehene Verlegerbeteiligung und das Leistungsschutzrecht den freiberuflichen Journalistinnen und Journalisten eher schaden als nützen würden, wie es in einer Pressemitteilung (PDF) heißt: „Nicht zuletzt bleiben Total-Buy-out-Verträge erlaubt – auch das eine vertane Chance, mit der Reform tatsächlich die Urheber*innen zu stärken, statt nur die Verwerter.“
Wie die IT-Branche reagiert, hat die Internetworld gesammelt: „So kritisiert die Branche die EU-Entscheidung“. Vor allem kleinere Unternehmen machen sich Sorgen, ob sie den technischen Aufwand stemmen können. Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Internetwirtschaft eco, sieht die Entscheidung apokalyptisch: „Das Schicksal des freien demokratischen Internets ist besiegelt. Die Entscheidung führt dazu, dass das Internet in Europa kaputt gefiltert wird; es wird sich fundamental verändern.“
Verleger- und Urheberverbände freuen sich
Gerhard Pfennig, Sprecher der Initiative Urheberrecht, sieht das neue Urheberrecht positiv. Für die Initiative Urheberrecht ist die EU-Urheberrechtsreform „beispielhaft und bahnbrechend“. Sie sorge für einen besseren Schutz „der Urheber*innen, ausübenden Künstler*innen und Rechteinhaber“, die dadurch an den Gewinnen der Plattformen beteiligt würden. Auch Internetnutzer, YouTuber und Blogger könnten einfacher geschützte Werke nutzen und müssten weniger Angst vor Rechtsfolgen haben.
Weitere Verbände, die die Entscheidung in Brüssel begrüßten, sind Impala Music, der Verband unabhängiger Musikunternehmen (VUT), die GEMA, die VG Wort sowie die Journalistenverbände DJU und DJV. Alle stellen den Gewinn für die Kreativen in den Vordergrund. Diese sollen mit den neuen Regelungen stärker finanziell davon profitieren, wenn ihre Inhalte auf den großen Plattformen gezeigt werden.
Die Zeitschriftenverleger im BDZV und VDZ begrüßen vor allem das EU-weite Presseleistungsschutzrecht. Die Verlage können dadurch erstmals mit den großen Tech-Plattformen über die Nutzung ihrer Inhalte verhandeln. „Dieses Recht wird digitale Innovationen fördern und die Vielfalt professioneller digitaler Medienangebote deutlich erhöhen“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Die Umsetzung wird schwierig
Die Richtlinie muss jetzt noch vom EU-Rat bestätigt werden, der voraussichtlich am 9. April tagt. Dass sie dort noch abgelehnt wird, ist unwahrscheinlich. Die IT-Branche beschäftigt sich also schon mal damit, wie sie die neuen Regelungen technisch umsetzen sollen.
Vor allem die Uploadfilter werden rein praktisch ein Problem darstellen. Wieso, erläutert die Programmiererin Elisabeth Bauer auf heise.de in einer kleinen Glosse:
Ich: „Damit wir nichts irrtümlich in den Bestand aufnehmen, das nicht urheberrechtlich geschützt ist, brauchen wir eine Funktion, die die Schöpfungshöhe nach der Rechtslage des betreffenden Landes prüft. Sollen wir dafür eine KI entwickeln oder soll diese Arbeit ebenfalls von Menschen erledigt werden?“
Kunde: “…”
Welche Inhalte geschützt sind und wie sie dann lizenziert werden sollen, ist keine triviale Aufgabe. Die Bitkom-Juristin Judith Steinbrecher schlägt im Deutschlandfunk eine EU-weite Superdatenbank vor. Diese sei allerdings sehr kompliziert zu verwirklichen, da es um jegliche urheberrechtlich geschützten Inhalte geht: „Auch ein Foto, was Sie selber privat irgendwo machen, hat einen urheberrechtlichen Schutz. Das ist eine große Herausforderung, dort wirklich auch das Informationsmaterial zu haben, was eine Plattform benötigt, um da Rechteklärung vornehmen zu können.“
Was sagen Sie dazu?