Was ist zu beachten beim Einholen einer Erlaubnis für das freie Lizenzieren durch Lehrer*innen?
Insbesondere über die Frage, ob Lehrerinnen und Lehrer überhaupt eigenmächtig darüber entscheiden können, ein Material unter freier Lizenz zur Verfügung zu stellen, herrscht große Unsicherheit. Die erhebliche Rechtsunsicherheit unter den Beteiligten führt manchmal sogar dazu, dass OER-Publikationen unterbleiben.
Wer hat die urheberrechtlichen Nutzungsrechte?
Einer der Gründe für diese Unsicherheit ist, dass bestimmte urheberrechtliche Nutzungsrechte an Materialien, die Lehrerinnen und Lehrern erstellen, an den Arbeitgeber übergehen.
Wenn Materialien ganz klar außerhalb der Arbeitszeit entstehen, können die jeweiligen Lehrer*innen völlig frei entscheiden, wie sie diese Materialien lizenzieren. Gerade bei Lehrer*innen, die lediglich in Teilzeit arbeiten oder gar als freie Mitarbeiter*innen, wird dies regelmäßig so sein. Aber auch sonst ist jede Lehrkraft völlig frei, Materialien zu lizenzieren, die sie außerhalb der Arbeitszeit erstellt.
Anders ist es jedoch, wenn die Anfertigung entsprechender urheberrechtlich geschützter Materialien zu den arbeitsvertraglich vereinbarten Aufgaben der Lehrkraft gehört. Was alles zu den arbeitsvertraglichen Pflichten zählt, ist den Beteiligten häufig nicht klar. Dies gilt insbesondere, wenn im Rahmen von schulbegleitenden Aktivitäten Materialien entstehen, beispielsweise in freiwilligen Arbeitsgemeinschaften oder wenn die Materialien nicht für oder im, sondern lediglich anlässlich des Unterrichts angefertigt werden.
Um das konkret zu machen: Ein Lehrer unterrichtet Literatur und die interessanten Diskussionen im Unterricht zu „Homo Faber“ von Max Frisch inspirieren ihn dazu, hierüber Arbeitsmaterialien zu produzieren, obwohl er die für die konkrete Unterrichtseinheit gar nicht (mehr) braucht.
Dazu kommen Unsicherheiten darüber, in welchem Umfang Nutzungsrechte übertragen werden. Paragraf 43 des Urheberrechtsgesetzes verweist auf die Besonderheiten des jeweiligen Arbeits- beziehungsweise Dienstverhältnisses, insofern sind generelle Aussagen hierzu schwer möglich.
Urheberrechtsgesetz, Paragraf 43
„Urheber in Arbeits- oder Dienstverhältnissen“
„Die Vorschriften dieses Unterabschnitts sind auch anzuwenden, wenn der Urheber das Werk in Erfüllung seiner Verpflichtungen aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis geschaffen hat, soweit sich aus dem Inhalt oder dem Wesen des Arbeits- oder Dienstverhältnisses nichts anderes ergibt.“
Außerdem kommt hinzu, dass Dienstverträge von Lehrkräften nur in den seltensten Fällen die Nutzungsrechte ausdrücklich regeln.
Sofern die Nutzungsrechte an den Lehrmaterialien per Vertrag bereits – zumindest teilweise – an den Arbeitgeber (Schule, Bildungsträger) übergegangen sind, kann die Lehrkraft oft nicht mehr eigenständig frei lizenzieren.
Denn wer keine Nutzungsrechte mehr hat, weil sie in ausschließlicher Form an den Vertragspartner, hier: den Arbeitgeber übergegangen sind, kann anderen diese Rechte nicht mehr einräumen.
Dafür ist es notwendig, dass der Arbeitgeber oder Vertragspartner die erforderlichen Rechte wieder zurück überträgt.
Wer ist Arbeitgeber, wer entscheidet?
Das Prozedere der Rechte-Rückübertragung bringt im Bildungsbereich weitere Unsicherheiten mit sich. Es stellt sich die Frage, wer für diese Rückübertragung der Rechte zuständig ist.
Arbeitgeber von Lehrenden ist häufig nicht die Schule oder die Bildungseinrichtung, sondern das jeweilige Bundesland oder eine Trägerinstitution (beispielsweise eine kirchliche Schulstiftung).
Angesichts der Mannigfaltigkeit der hier existierenden unterschiedlichen Konstellationen lassen sich keine generellen Aussagen darüber machen, ob nun die Schulen oder Bildungseinrichtungen ermächtigt sind, die für die freie Lizenzierung notwendige Rückübertragung von Nutzungsrechten vorzunehmen oder ob dies durch das Land beziehungsweise den Schulträger erfolgen muss.
Diese Unsicherheit sollte jedoch nicht zu Lasten der jeweiligen Lehrer*innen gehen, die frei lizenzieren wollen. Vielmehr sollte die jeweilige Schule dies mit der Körperschaft klären, bei der die Lehrperson angestellt ist.
Welche Lizenz wird verwendet?
Sinnvoll ist außerdem, dass sich Lehrer*innen und Schule auf eine konkrete Creative Commons Lizenz einigen.
Dabei gelten lediglich solche Materialien als „frei“, die durch CC-BY oder CC-BY-SA lizenziert und oder die mittels der Freigabeerklärung CC0 freigegeben sind.
Die Lizenzbedingungen NC (keine kommerzielle Verwendung) und ND (keine Bearbeitung) sind hingegen mit den Prinzipien von OER nicht vereinbar.
Zum einen, weil es zahlreiche Bildungsinstitutionen gibt, die auf Einnahmen angewiesen sind und damit als kommerziell gelten.
Zum anderen gehört gerade die Bearbeitung und Konfektionierung von Bildungsmaterialien für einen jeweils anderen Lernkontext zu den Stärken von OER. Die Lizenzvorgabe, bearbeitete Materialien nicht veröffentlichen zu dürfen, wäre jedoch mit den OER-Prinzipien unvereinbar.
Wie erfolgt die Namensnennung?
Im Zuge einer schulweiten oder anderweitig übergreifenden Regelung für freies lizenzieren von Bildungsmaterialien ist es auch zielführend zu regeln, welche Namen in den Lizenzhinweisen als Quellen beziehungsweise Mit-/Urheber*in stehen sollen.
Häufig gibt es unterschiedliche Vorstellungen darüber, ob neben dem Namen des Lehrers oder der Lehrerin auch der Name der Bildungseinrichtung genannt werden soll – hier bewährt sich eine klare Festlegung.
Erlaubnis für Lehrer*innen
Die Lehrer*innen sollten sich durch die Schule folgendes bestätigen lassen:
Die Schule/Bildungseinrichtung begrüßt, dass Herr/Frau (Name) Bildungsmaterialien als Open Educational Ressources unter einer CC-BY 4.0 Lizenz veröffentlicht
(der genaue Lizenztext steht unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode.de) oder CC-BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode.de) beziehungsweise CC zero (https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de).
Die Namensnennung erfolgt in folgender Weise:
- Name der Bildungseinrichtung/Name der Lehrkraft.
Soweit dies dafür notwendig ist, werden ihr die Nutzungsrechte an den von ihr erstellten Materialien, die aufgrund ihres Arbeitsvertrags auf den Arbeitgeber übergegangen sind, rückübertragen.
Die Schule/Bildungseinrichtung nimmt diese Rückübertragung in Abstimmung mit und mit Vollmacht durch das Land/den Schulträger als Arbeitgeber vor.
Liegt eine solche Bescheinigung vor, bedarf es für die freie Lizenzierung auch keiner genauen Klärung mehr, ob und welche Rechte wann an den Arbeitgeber übergegangen sind.
Verbindliche OER Policy
Denkbar ist auch, dass sich die Schule – mit Zustimmung des Landes beziehungsweise des Schulträgers – mit allen Lehrenden auf eine gemeinsame Policy für die Lizenzierung einigt.
Dann müssten sich alle Lehrenden und andere Mitarbeitende in einer Vereinbarung mit der Schule verpflichten, im Rahmen der jeweiligen Bildungsarbeit entstandene Materialien unter die entsprechende Lizenz zu stellen. Auch dabei sollte man sich auf die konkrete Form der Namensnennung einigen.
In dieser Vereinbarung sollten sich die Beteiligten wechselseitig ermächtigen, eigenständig einen entsprechenden Lizenzhinweis an Materialien anzubringen. Dies ist praktisch, da es häufig vom Zufall abhängt, ob die Veröffentlichung von Inhalten durch die Lehrkraft oder durch die Schule erfolgt.
Beispiel-Vereinbarung zwischen Schule und Lehrer*in
Materialien, die in der Schule (Name)/ im Rahmen des Projektes (Name) entstehen, werden unter eine CC-BY 4.0 Lizenz gestellt.
Das heißt, die Materialien können von jedermann genutzt werden, sofern sie einen Lizenzhinweis und den Namen des Rechteinhabers enthalten.
Die Einzelheiten der Lizenz sind in der Anlage und online abrufbar unter http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/de/legalcode
Der Lizenzhinweis soll mit folgender Namensnennung verbunden sein:
- CC-BY 4.0, Name der Schule
- CC-BY 4.0, Name der Schule – Vorname der Lehrkraft
- CC-BY 4.0, Name der Schule – Vorname und Nachname der Lehrkraft
Der Lizenzhinweis muss darüber hinaus einen Verweis beziehungsweise Link auf den vollständigen Lizenztext, die URL der Online-Veröffentlichung sowie gegebenenfalls einen Titel des Werkes enthalten, sofern ein solcher festgelegt wurde.
Die Schule und die Lehrkräfte ermächtigen sich wechselseitig, die Lizenzierung vorzunehmen und übertragen einander die hierfür notwendigen umfassenden, zeitlich und räumlich unbeschränkten, einfachen und unwiderrufbar übertragbaren Nutzungsrechte.
Dieser Text erschien zuerst am 3.3.2020 auf OERinfo mit dem Titel „Was ist zu beachten beim Einholen einer Erlaubnis für das freie Lizenzieren durch Lehrer*innen?“ unter CC BY 4.0.
2 Kommentare
1 Robert Kneschke am 6. März, 2020 um 13:47
So oft, wie ich leider Schulen abmahnen muss, weil sie Bilder von mir unerlaubt über “Google Images” für ihre Schulwebseite gezogen haben, denke ich, dass die Aufklärungsarbeit von viel weiter vorher anfangen muss bei der Frage: “Was sind Bildrechte und warum darf ich nicht alles frei verwenden, was Google mir anzeigt?”
2 Alicia Beauty am 14. März, 2020 um 20:06
Nein. Und das hat vielerlei Grunde. Zum einen verfugen Rechteinhaber haufig uber eine Vielzahl an urheberrechtlich geschutzten Bildern, Texten oder Videos. Hier ist der Verwaltungsaufwand relativ groß. Andererseits ist bei einer solch speziellen Materie wie dem Urheberrecht auch die Gefahr relativ groß ist, beim Aussprechen eigener Abmahnungen Fehler zu machen. Ein weiterer Grund ergibt sich rein verfahrenstechnisch: Sobald ein Rechteinhaber selbst abmahnt und die abgemahnte Person nicht reagiert, so bleibt dem Rechteinhaber nur noch das Instrument der Unterlassungsklage in der Hauptsache. Erfolgt hierbei jedoch ein sofortiges Schuldanerkenntnis der abgemahnten Person, so bleibt der Rechteinhaber selbst auf den gerichtlichen Kosten zumeist sitzen.
Was sagen Sie dazu?