Das Urheberrecht als kurzweiliger Sach-Comic
Das Urheberrecht als Comic? Mit Superheldinnen und Bösewichten, mit Zzzzosch!-Wumms!-Boingggg!-Action?? Nun ja, nicht ganz, eigentlich gar nicht. Das vorliegende Buch gehört zum Genre der Sach-Comics, die zeichnerisch und narrativ Wissen vermitteln. Sie arbeiten mit den genre-typischen, film-artig inszenierten Blickwinkeln, Sprechblasen-Texten und Bild-für-Bild-Abfolgen. Und sie widmen sich Sachgebieten wie Geschichte, Technik, Gesellschaft oder Naturwissenschaften.
Mit diesen Mitteln klären also die beiden französischen Autoren Emmanuel Pierrat (Text) und Fabrice Neaud (Zeichnungen) über Geschichte und Wirkungsweisen des Urheberrechts auf – und das gelingt ihnen alles in allem, oder passender formuliert, „unterm Strich“ wirklich gut.
„Das Urheberrecht“ von Emmanuel Pierrat (Text) und Fabrice Neaud (Zeichnungen), aus dem Französischen von Edmund Jacoby, farbig, 72 Seiten.
Deutschsprachige Ausgabe, Comic-Bibliothek des Wissens, 2023 (Original 2016), ISBN 978-3-396428-189-0, erschienen im September 2023.
Weitere Informationen und Bestellmöglichkeit beim Verlagshaus Jacoby & Stuart.
Urheberrecht erklären, aber anschaulich und mit Augenzwinkern
Ihr ambitioniertes Werk punktet mit visuellem Ideenreichtum und catchy Motiven. Das zeigt sich gut in den vielen bildnerischen Metaphern, wie den immer wieder auftretenden Wolf (aus dem Märchen mit der Großmutter) als Sinnbild für intendierte Urheberrechtsverletzungen. Oder eine Art Bauhelm, der für Schutzmechanismen zugunsten der Urheber*innen steht. Später kommt ein Bowler (Melonenhut) hinzu, als „Kopfarbeitsschutz“ für ausübende Künstler*innen.
Amüsant sind die zeichnerischen Zitate, wenn weltbekannte Künstler*innen wie Modeschöpfer Karl Lagerfeld sowie bekannte Filmfiguren und Filmszenen auftauchen (Terminator, 2001, Matrix) und narrativ „eingebaut“ werden. Da begegnen den Leser*innen tatsächlich die (frei nachgezeichneten) Superheld*innen aus Marvel- und DC-Universen. Das signalisiert ein entspannendes Augenzwinkern, mit dem die Autoren auf die bekanntlich oft trocken-seriöse Materie blicken.
Ein komplexes Rechtsgebilde, das auch Laien heute beschäftigt
Die Autoren gehen nur anfangs chronologisch vor. Vielmehr orientiert sich ihre Kapitelaufteilung an unterschiedlichen Perspektiven auf die urheberrechtlichen Prinzipien und Regelungen, etwa die der Konsument*innen, der Verwerter*innen und ausübenden Künstler*innen. Zudem gehen sie auf Aspekte ein, wie Verwertungsmechanismen und Vergütungen – wobei die Verwertungsgesellschaften leider etwas zu kurz behandelt werden, um für Laien verständlich genug zu sein.
Auch die Kapitel über offene Lizenzen und Creative Commons könnten etwas mehr Erklärraum vertragen. Hier wirkt das Buch etwas hektisch. Dass ganz neue Phänomene, wie das Verhältnis von Künstlicher Intelligenz zum Urheberrecht, nicht vorkommen, liegt gewiss daran, dass das Werk bereits 2016 erschien und erst jetzt – 7 Jahre danach – ins Deutsche übersetzt wurde. Dies übrigens inhaltlich sehr aufmerksam und sprachlich gut.
Kleine Abstriche bei Format und Gestaltung
Etwas schade ist das A5-kleine Buchformat – eine Comic-typische A4-Größe hätte hier Vorzüge. So würden die Zeichnungen besser zur Geltung kommen, die Schrift wäre lesbarer und die Augen hätten angesichts der vielen, kleinen Textkästen mehr Flächen zum Ausruhen. Mitunter ist die schwarze Schrift vor blauem Hintergrund schwer lesbar – ein seltsamer Fauxpas in dem sonst sehr gut produzierten Werk.
Die Kapitel-Anfänge sind jeweils mittendrin im Bilderreigen platziert statt an Seitenanfängen. Das wirkt wie eine etwas unglückliche Verdichtung. Und warum gibt es eigentlich kein Inhaltsverzeichnis? Es wäre nützlich für gezielte Nutzungen.
Urheberrecht: Entwickelt in Zeiten der Aufklärung …
Sehr überzeugend ist das Kapitel zu den Auswüchsen des heutigen Urheberrechts aufgrund von komplexen Verträgen und juristischen Feinheiten, insbesondere bei Film-, Games- und anderen Mammutproduktionen, an denen zahlreiche Ausführende beteiligt sind. An dieser Stelle mag sich erschließen, mit welchem Anliegen die Autoren eigentlich an ihr Werk gingen.
Als Quintessenz lässt sich herauslesen, dass das Urheberrecht heute, im Zeitalter von Digitalisierung, Klonen und künstlicher Werkschöpfung, vor großen Herausforderungen steht – wohingegen seine Grundzüge aus der Zeit der Aufklärung stammen.
… und katapultiert in die digitale Gegenwart
Darauf mag auch auch das Cover subtil hinweisen. Der darauf gezeichnete Victor Hugo, den die Autoren als einen der Urväter des europäischen Urheberrechts beschreiben, scheint quasi aus dem Hier und Jetzt darauf zu blicken, wie komplex, ausgefeilt, wimmelig und überreguliert das Ganze geworden ist – und sich nachdenklich zu fragen, was er den nachkommenden Gesellschaften damit wohl eingebrockt hat … .
Trotz der genannten Kritikpunkte ist der Sach-Comic von Pierrat und Neaud sehr gelungen und gut geeignet für jene, die sich auf kurzweilige bis amüsante Weise nützliches Grundwissen zu Ursprung, Rolle und Wirkungen des Urheberrechts draufschaffen oder es revitalisieren wollen.
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