Digitale Comics unter Creative Commons lizenzieren und vermarkten: Wie klappt das, Julia Schneider?
Julia Schneider alias Doc J Snyder arbeitet als Comic-Essayistin. Gemeinsam mit Illustrator*innen produziert sie Comics zu gesellschaftlich relevanten Themen und stellt sie kostenlos ins Netz.
Auf der diesjährigen Re:Publica berichtete Schneider von ihrer Arbeit, erläuterte ihre Überlegungen bei der Vergabe von CC-Lizenzen und wie sie von den Comics ihren Lebensunterhalt bestreitet. Nach der Konferenz traf sich Georg Fischer mit der ausgebildeten Ökonomin, um mehr zu erfahren.
Weiterbilden mit Comics – und dabei Spaß haben
Tailor-made Comic Essays, also maßgeschneiderte Comic Essays – unter diesem Titel veröffentlicht Julia Schneider ihre Arbeiten im Netz. Bereits der Titel verrät etwas über ihr Anliegen: Comics zu wichtigen, manchmal sperrigen oder komplexen Themen zu gestalten, die die Diskussion anregen und zugänglich machen – und gleichzeitig Spaß bringen.
Damit richtet sich Schneider an Laien genauso wie an Expertinnen: Mit ihrem Comic Money Matters, den sie zusammen mit Pauline Cremer und Miriam Beblo veröffentlicht hat, widmet sie sich etwa finanzpolitischen Fragen. Die typische Literatur zum Thema Finanzen fand die Autorin immer etwas (zu) dröge und trocken. Money Matters dagegen ist farbenfroh und heiter und lädt alle ein, sich in Finanzfragen zu bilden.
Zugänglich dank CC-Lizenzen
Es ist aber nicht nur die Darstellung, die Schneiders Comics zugänglich macht. Es ist auch die Lizenz, die sie zusammen mit ihren Co-Autor*innen dafür vergibt. Die Comics werden unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht: „Das war mir auch ein Anliegen,“ erzählt die Autorin, „dass sich die Comics kostenfrei lesen lassen, weil ich möglichst viele Menschen dazu einladen möchte, sich mit einem bestimmten Thema zu beschäftigen.“
Schneider stellt ihre Comics daher als PDF auf eigenen Seiten ins Netz, den Comic zu den Geldfragen etwa auf der Internet-Seite moneymatters.art. Ein anderer Comic erschien zum Thema Künstliche Intelligenz, ebenfalls auf einer eigens gestalteten Website. Der Titel: We Need to Talk, AI – A Comic Essay on Artificial Intelligence. Schneider zufolge wurde der Comic dank der CC-Lizenz von Privatpersonen bereits in fünf weitere Sprachen übersetzt, darunter Spanisch, Russisch und Deutsch.
Kommerzielle Nutzung nach Vereinbarung
Auch kommerzielle Unternehmen klopften an: „Bosch, Lufthansa, ich glaube fast alle DAX-Unternehmen haben bei uns angefragt, um den Comic kostenlos für eigene Schulungen zu verwenden.“ Über die rege Anfrage sei sie genauso erfreut wie überrascht gewesen, berichtet Schneider.
Der Andrang der Unternehmen habe aber auch zu dem Wunsch der Autor*innen geführt, die von ihnen erwünschten Nutzungen stärker zu steuern. Sie entschieden sich für eine Creative-Commons-Lizenz mit NC-Modul, welches kommerzielle Nutzungen verbietet (im Fall des AI-Comics: CC BY-NC-SA). Das wiederum führte zu anderen Schwierigkeiten: Da es zwischen kommerziellen und nicht-kommerziellen Nutzungen regelmäßig Unterscheidungsprobleme gibt – etwa wenn NGOs mit ehrenamtlichem Engagement und finanziellen Einnahmen die Comics nutzen möchten – ließen sich die Comic-Macher*innen zudem juristisch beraten.
Etwaige Graubereiche der Nutzung werden nun mittels zusätzlicher Lizenzbedingungen auf der eigenen Website erläutert. Die Autor*innen können dadurch verschiedene gewünschte Nutzungsarten selbst definieren. Das funktioniere gut für Schneider und ihr Team, denn es verpflichte die kommerziellen Firmen zur kostenpflichtigen Lizenzierung, während es private Nutzungen weiterhin pauschal und kostenlos erlaube.
In manchen Fällen überdenken Urheber*innen die eigens gewählte Creative-Commons-Lizenz (CC-Lizenz) und möchten sie nachträglich ändern. Solche Änderungen sind allerdings nur in bestimmten Fällen im Nachhinein möglich und empfehlenswert.
» mehrCreative-Commons-Lizenzen zurücknehmen oder ändern
Zusätzlich zur digitalen Version: Auch Fans des gedruckten Buches kommen auf ihre Kosten
Wem das PDF nicht reicht, weil er oder sie lieber ein gedrucktes Exemplar in den Händen halten und oder verschenken möchte, muss darauf nicht verzichten: Die Papierversionen der Comics gibt es auf Bestellung. Schneider und ihre Kolleg*innen arbeiten dafür mit einem On-Demand-Verlag zusammen. Der kümmert sich um Druck, Herstellung und Vertrieb der physischen Exemplare, und zwar on demand, also auf Bestellung.
Im Comic-Bereich, so erläutert Schneider, bewege sich die Nachfrage nach gedruckten Exemplaren oft nur im dreistelligen Bereich. Durch die CC-Lizenzierung finden ihre Comics aber eine weite Verbreitung im Netz und viele Fans, die dann zusätzlich zum PDF noch ein gedrucktes Buch kaufen möchten. Daher verkauft Schneider – trotz und gerade aufgrund der offenen Lizenzierung ihrer Comics – nicht weniger gedruckte Bücher als üblich in der Comicbranche, sondern mehr. In diesem Fall passt es also gut zusammen, dass der Verlag die dazugehörigen Tätigkeiten übernimmt und die Autor*innen entlastet.
Verlag, ja oder nein? Eine Abwägungsfrage für Julia Schneider
Die On-Demand-Verlage würden ihr durch Produktion und Vertrieb genau das bieten, was sie brauche und nicht selbst machen möchte oder könne, so Schneider. Gerade Einsteiger*innen rate sie, sich mit einem Verlag zusammenzutun, sofern sie selbst noch nicht auf eine etablierte Plattform oder ausreichend Vernetzung zurückgreifen könnten.
Sie sagt: „Wenn Du selbst was im Internet veröffentlichst, dann brauchst Du in irgendeiner Form ja die Möglichkeit, dass die Leute wissen, dass Du das machst.“ Das funktioniere mit gut gepflegten Social-Media-Auftritten und einer gewissen Follower-Schar schon recht gut.
Wer darüber aber noch nicht verfüge, könne dieses fehlende Ressource durch eine Kooperation mit einem Verlag ausgleichen. Das sei eine Abwägung, die aufstrebende wie etablierte Autor*innen immer wieder aufs Neue machen müssten. Gerade Neulinge profitierten natürlich von dem Renommee eines Verlags – und umgekehrt.
Comics zu aktuellen Themen: NFTs und Urheberrecht
Zuletzt veröffentlichte Schneider zusammen mit Noëlle Kröger einen Comic zu NFTs, also den non-fungible tokens, die derzeit in der Medienbranche auf große Beliebtheit stoßen, weil sie eine neue, dezentrale Form der Eigentumskontrolle bei digitalen Objekten bieten.
Mit NFTs werden digitale Kunstwerke, gefilmte Sportszenen oder sogar einzelne Tweets zu handelbaren Gütern, die sich sammeln und versteigern lassen. Urheberrechtliche Fragen, wie etwa zu Schrankenbestimmungen, sind teils noch ungeklärt. Zeit für eine Einschätzung eines akuten Internet-Phänomens.
» mehrNFTs verändern den Handel mit digitaler Musik und Kunst: Fordern sie auch das Urheberrecht heraus?
Ihren NFT-Comic stellten Schneider und Kröger in einem eigenen Panel bei der diesjährigen Re:Publica vor. Das Thema sei kontrovers und mitunter schwer zu erläutern, müsse aber durchaus kritisch diskutiert werden, findet die Comic-Essayistin. Gerade auch wegen der „dramatischen Umweltfrage“, wie Schneider den abstrus hohen Stromverbrauch von NFTs einschätzt. Dazu komme: Die Nutzung von NFTs und anderen Web3-Anwendungen im virtuellen Raum (wie in Facebooks Metaverse) werde in Zukunft stark zunehmen. Da sei es wichtig, dass sich Interessierte zu dem Thema informieren könnten, so Schneiders Einschätzung.
Genauso wie beim Thema Urheberrecht: Ein Copyright-Comic sei ebenfalls gerade im Entstehen, berichtet die Comic-Essayistin zum Abschluss. Dafür habe sie sich mit einer Urheberrechtsanwältin zusammengetan. Ihrer Erfahrung nach geben Autor*innen in der Zusammenarbeit mit Verlagen oder anderen Arbeitgeber*innen „relativ viele Rechte“ ab. Das laufe ihrem eigenen künstlerischen Anspruch zuwider, erläutert Schneider: „Ich liebe es einfach Gestaltungsfreiheit zu haben, genauso wie die Rechte über meine ganzen Arbeiten.“ Daher sei es ihr auch ein Anliegen, mit ihrem Comic urheberrechtliche Themen anzusprechen und zu vermitteln.
1 Kommentar
1 Elena am 1. August, 2022 um 20:46
So ein toller Beitrag, finde ich! Ein Comics zu lesen und dabei sich weiterzuentwickeln, genial!
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